- Hüttenrauch
Hüttenrauch (Hüttennicht, Gichtstaub. Ofenrauch), aus Hüttenapparaten durch den Gebläsewind oder Luftzug herausgetriebene staubförmige Körper oder in Gas- oder Dampfform entweichende Substanzen, die nach der Verdichtung des Kondensierbaren ein zartes Pulver (Flugstaub, Fluggestübbe) absetzen. Der H. kann demnach alle in der Ofenbeschickung enthaltenen Bestandteile, Oxyde, Säuren, Metalle, Sulfide, Salze, Kohle enthalten, er kann zu beträchtlichen Metallverlusten führen, aber auch auf Menschen und Tiere sowie auf die benachbarte Vegetation sehr schädlich einwirken, so daß die Hüttenbesitzer oft beträchtliche Entschädigungen für die Verwüstung fremder Äcker zahlen müssen. Von den Bestandteilen des Rauches kommen die pulverförmigen Substanzen wie jeder andre Staub, wenn sie aber wasserfreie schwefelsaure Salze enthalten, auch durch ätzende Wirkung in Betracht, indem diese Salze unter Einwirkung von Nebel und Tau konzentrierte Salzlösungen geben. Die wichtigsten Bestandteile des Hüttenrauchs sind Oxyde von Blei, Zink, Antimon, Arsen, Schwefelmetalle, Sulfate, schweflige Säure, Chlor, Salzsäure, Dämpfe von Blei, Quecksilber, Arsen, Schwefel, Schwefelblei, Antimon- und Arsenverbindungen, Chloride und Schwefelsäure. Zum Aufsaugen des Flugstaubes dienen sehr verschiedene Mittel, aber keins gibt vollkommenen Erfolg. Man benutzt zur Abkühlung des heißen Hüttenrauches, der metallische Dämpfe enthält, Rohrleitungen aus Eisenblech, auch Vorrichtungen mit Wasserkühlung. Wo die Abkühlung allein nicht genügt, baut man hohe Schachtöfen, deren obere kalte Teile abkühlend und als Filter wirken, auch werden Wollsäcke, Hobelspäne und bei Zuhilfenahme von Wasser Reisig, Dornen, Koks, Steine, Siebe als Filtermaterial benutzt. Aus Gichtgasen wird der Flugstaub auch durch Waschen entfernt, indem man die Gale einem Wasserregen aussetzt oder durch Wasser hindurchpreßt. Sehr wirksam sind auch Flugstaubkammern, mit Scheidewänden versehene und mit einem Schornstein verbundene ummauerte, umfangreiche Räume, in denen die Geschwindigkeit des den Flugstaub mit sich führenden Gasstroms verringert und ersterer namentlich durch die ein Hindernis abgebenden Scheidewände zur Ablagerung gebracht wird. Das Absetzen des Flugstaubes wird wesentlich begünstigt durch ein System von Kammern, in denen der Gasstrom mit häufiger Brechung vertikal aufwärts und abwärts streicht; am vollkommensten aber wird das Absetzen durch möglichst große Oberflächen bewirkt. Man wendet deshalb Systeme aus zahlreichen schmalen Kanälen an und hängt auch viele dünne Eisenbleche oder Drahtbündel in die Zugrichtung der Kanäle. Von den schädlichen Gasen des Hüttenrauches kommen besonders schweflige Säure, dampfförmige Schwefelsäure und Salzsäure in Betracht.
Schweflige Säure ist verderblich für Pflanzen, wenn die Luft mehr als 0,003 Proz. enthält und gleichzeitig nebelig-feucht ist; bei heiterm oder bei Regenwetter mindert sich die Wirkung bedeutend. Nadelhölzer sind empfindlicher gegen die Säure als Laubhölzer. Enthält der H. mindestens 4 Proz. schweflige Säure, so wird er nach Abscheidung des Flugstaubes auf Schwefelsäure oder auf Schwefelsäureanhydrid, flüssige schweflige Säure, Schwefel, Natriumthiosulfat,Schwefelwasserstoff verarbeitet oder zur Darstellung von Kupfersulfat, zum Ausschließen von Alaunerzen etc. benutzt. H., der in dieser Weise nicht verwertet werden kann, leitet man durch sehr hohe Essen ab, die, wenn möglich, auf Berge gestellt werden, um die schweflige Säure, bevor sie den Boden berührt, möglichst stark mit Luft zu verdünnen. Auch sucht man die schweflige Säure durch Wasser, Kalkstein mit Wasser, Kalkmilch zu binden oder leitet sie in Horden, die Metalloxyde oder sonstige, die Absorption der schwefligen Säure bewirkende Substanzen enthalten. Bei chlorierender Röstung entweichen aus den Ofen Gase, die Salzsäure, Chlor oder flüchtige Chloride enthalten. Zur Absorption derselben führt man den H. durch mit Quarz- und Koksstücken gefüllte Türme, in denen Wasser über das Füllmaterial herabrieselt. Schwefelwasserstoff wird mit Wasser und schwefliger Säure in Berührung gebracht. Vgl. Brockmann, Die metallurgischen Krankheiten des Oberharzes (Osterode 1851); Freytags Gutachten über den Mansfelder (Eisleb. 1870) und über den Freiberger H. (letzteres im Freiberger »Jahrbuch« 1873 und 1875); Hering, Die Verdichtung des Hüttenrauches (Stuttgart 1888); Schroeder und Reuß, Die Beschädigung der Vegetation durch Rauch und die Oberharzer Hüttenrauchschäden (Berl. 1883); Schroeder und Schertel, Die Rauchschäden in den Wäldern der Umgebung der fiskalischen Hüttenwerke bei Freiberg (Freiberg 1884); Reuß, Rauchbeschädigung (Goslar 1893, Nachtrag 1896); Haselhoff und Lindau, Die Beschädigung der Vegetation durch Rauch (Leipz. 1903); Borggreve, Waldschäden im oberschlesischen Industriebezirk nach ihrer Entstehung durch H., Insektenfraß etc. (Frankf. 1895); R. Hartig, Über die Einwirkung des Hütten- und Steinkohlenrauches auf die Gesundheit der Nadelwaldbäume (Münch. 1896).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.