- Talleyrand-Périgord
Talleyrand-Périgord (spr. tall'rang-perigōr), Charles Maurice, Prinz von T., Fürst von Benevent, berühmter Diplomat, geb. 13. Febr. 1754 in Paris, gest. 17. Mai 1838 in Valençay, wurde trotz seines Widerstrebens wegen einer Fußlähmung zum geistlichen Stand bestimmt. 1788 ward er Bischof von Autun. Als Mitglied der Nationalversammlung von 1789 trug er auf feste Besoldung der Geistlichkeit, Abschaffung der Zehnten, Verkauf der geistlichen Güter und Einführung gleichen Maßes und Gewichts in ganz Frankreich an und entwarf einen freisinnigen Unterrichtsplan. Beim Bundesfest 14. Juli 1790 hielt er auf dem Marsfeld das Hochamt am Altar des Vaterlandes und leistete als einer der ersten Bischöfe den Eid auf die Konstitution. Infolgedessen vom Papst Pius VI. 1791 mit dem Bann belegt, verzichtete er auf sein Bistum und ging als Gesandter nach England, um dieses vom Bündnis mit Österreich und Preußen fernzuhalten. 1792 des Royalismus verdächtigt, entfloh er nach Nordamerika, wo er Handelsgeschäfte trieb. Nach dem Sturz der Schreckensherrschaft kehrte er 1795 zurück. Nach dem Staatsstreich vom 18. Fructidor (1797) schloß er sich Bonaparte an, half diesem beim Staatsstreich vom 18. Brumaire (1799), übernahm das Portefeuille des Auswärtigen und war seitdem Napoleons kluger diplomatischer Ratgeber. Die Friedensunterhandlungen von Lüneville, Amiens, Preßburg, Posen und Tilsit leitete er vornehmlich; auch das Konkordat, durch das 1802 der Katholizismus in Frankreich wiederhergestellt wurde, war größtenteils sein Werk. Zum Dank dafür entband ihn Papst Pius VII. von den geistlichen Weihen und erteilte seiner Zivilehe mit Madame Grant die kirchliche Legitimation. 1804 ernannte ihn Napoleon zum Großkämmerer von Frankreich, 1806 zum souveränen Fürsten von Benevent, 1807 zum Vizegroßwahlherrn (vice-grand-électeur). Dennoch erklärte sich T. gegen die unaufhörlichen Eroberungskriege, fiel deshalb in Ungnade, verlor seinen Ministerposten und zog sich 1808 auf sein Landgut Valençay zurück. Nach der Katastrophe in Rußland trat er in geheime Unterhandlungen mit den Bourbonen und betrieb nach dem Einrücken der Verbündeten in Frankreich ihre Restauration. Als Ludwig XVIII. die Regierung angetreten, wurde T. zum Fürsten, Pair, Oberkammerherrn und Minister des Auswärtigen ernannt. Die glänzendsten Triumphe diplomatischer Kunst feierte er auf dem Kongreß in Wien, wo er sich durch das von ihm erfundene Prinzip der Legitimität zum Mittelpunkt aller Verhandlungen machte. Schon hatte er 5. Jan. 1815 Österreich und England für ein geheimes Bündnis mit Frankreich gegen Rußland und Preußen gewonnen, als Napoleons Rückkehr diesen Umtrieben ein Ende machte. Nach der zweiten Restauration übernahm T. aufs neue das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten zugleich mit der Präsidentschaft im Ministerium, legte aber sein Amt noch vor dem zweiten Pariser Frieden nieder, da die reaktionäre Hofpartei ihn als Revolutionär verabscheute und bekämpfte. Nach Karls X. Thronbesteigung (1824) gehörte er in der Pairskammer zur Opposition. Unter dem Julikönigtum ging er als Botschafter nach London, wo er eine Verständigung über die griechische und belgische Frage zustande brachte. Die Unterzeichnung der Quadrupelallianz 1834, durch die zunächst im europäischen Westen das konstitutionelle Prinzip aufrecht erhalten werden sollte, war sein letztes diplomatisches Werk. Sein Geist und sein schlagfertiger, seiner Witz in der Unterhaltung, seine kurze, treffende Ausdrucksweise sind berühmt. Eine Menge glücklicher Wendungen werden von ihm überliefert und sind geflügelte Worte geworden. Die bekannteste (freilich nicht zuerst von T. herrührende) ist, daß dem Menschen die Sprache gegeben sei, um seine Gedanken zu verbergen. Egoist im höchsten Grade, war er, von der Sucht nach Gold abgesehen, fast ohne alle Leidenschaften, verstand es aber vortrefflich, Leidenschaften andrer für sich auszubeuten. Sein auf 18 Mill. Fr. sich belaufendes Vermögen vermachte er größtenteils seiner Nichte, der Herzogin von Dino. Seine hinterlassenen Memoiren veröffentlichte der Herzog von Broglie (Par. 1891 bis 1892, 5 Bde.; deutsche Übersetzung von Ebeling, Leipz. 1891–93, 5 Bde.), doch sind sie von Talleyrands Testamentsvollstrecker, v. Bacourt, verstümmelt und mit Zusätzen versehen worden. Pallain gab Talleyrands Briefwechsel mit dem König Ludwig XVIII. während des Wiener Kongresses (1881; deutsch von Bailleu, Leipz. 1881) und seine »Correspondance diplomatique« (Par. 1889–91, 3 Bde.), die »Lettres inédites de T. à Napoléon 1800–1809« (das. 1889) Bertrand heraus. Vgl. Pichot, Souvenirs intimes sur T. (Par. 1870); Gräfin Mirabeau, Le prince de T. et la maison d'Orléans (Briefe, das. 1890); Lady Blennerhassett, Talleyrand (Berl. 1894); de Lacombe, T. évêque d'Autun (Par. 1903); Rosenthal, Fürst T. und die auswärtige Politik Napoleons I. (Leipz. 1905); A. Leroy, T., économiste et financier (Par. 1907); Jaucourt, Correspondance du comte de Jeancourt avec le prince de T. pendant le Congrès de Vienne (das. 1905).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.