Socinĭaner

Socinĭaner

Socinĭaner, die Anhänger des Lehrbegriffs des Lälius und Faustus Socinus, die den sich um sie sammelnden Unitariern (s. d.) oder Antitrinitariern zuerst ein geordnetes Kirchenwesen gaben. Lälius (Lelio) Sozzini, geb. 1525 aus altem Geschlecht in Siena, widmete sich dem Studium der Rechte, dann theologischen Forschungen, die ihn zu Zweifeln an der Trinitätslehre führten. Seit 1547 Frankreich, England, Holland, die Schweiz und Deutschland bereisend, verkehrte er mit den Reformatoren, so in Zürich mit Bullinger, in Wittenberg mit Melanchthon. Aber nur durch äußerste Vorsicht in der Äußerung seiner Ansichten entging er den protestantischen Ketzergerichten, während die Inquisition sein Vermögen in Italien mit Beschlag belegte. Nach zweimaligem Aufenthalt in Polen (1555 und 1558) starb er 1562 in Zürich. Sein Neffe Faustus, geb. 1539 in Siena, von dort 1559 ausgewiesen, lebte seit 1562 in Zürich und befestigte sich beim Studium des literarischen Nachlasses seines Oheims ganz in der von diesem eingeschlagenen Richtung. Nach Italien zurückgekehrt, mußte er nach zwölfjährigem Aufenthalt am florentinischen Hofe vor den Verfolgungen der Inquisition abermals die Flucht ergreifen; er begab sich 1574 nach Basel und 1578 nach Siebenbürgen, um in dem zwischen Franz David (s. d. 1) und Giorgio Blandrata (s. d.) ausgebrochenen Streit über die Anbetung Christi als Schiedsrichter zu fungieren. 1579 bekämpfte er in Krakau die wiedertäuferischen Ansichten der dortigen Unitarier, doch ward der Anabaptismus erst 1603 endgültig aus der Gemeinde der Unitarier ausgeschlossen. S. lebte seit 1587 wieder in Krakau, seit 1598, nachdem er von den Krakauer Studenten als Häretiker entsetzlich gemißhandelt und alle seine Papiere verbrannt worden waren, zu Luclawice bei einem polnischen Edelmann; hier starb er 3. März 1604. Der Socinianismus ist als Organisation und dogmatische Ausbildung des aus der Schweiz nach Polen geflüchteten Unitarismus anzusehen. Seine Blütezeit fällt in die erste Hälfte des 17. Jahrh. Aber schon seit 1638 wurden die S. in Polen von den Katholiken als Arianer verfolgt und von der Religionsfreiheit, welche die Dissidenten, ja selbst die Juden genossen, ausgeschlossen. Als sich um 1657 im Krieg zwischen Schweden und Polen einige S. unter schwedischen Schutz gestellt hatten, rechnete man das der ganzen Partei als Landesverrat an und setzte auf dem Reichstag zu Warschau 1658 Todesstrafe auf den Arianismus. Gezwungen, ihr Vaterland zu verlassen, begaben sich die S. zum Teil nach Ungarn und Siebenbürgen, wo sie jedoch erst durch das Toleranzedikt Kaiser Josephs II. 1781 gleiche Rechte mit den Bekennern der andern christlichen Konfessionen erhielten, zum Teil nach Schlesien und Brandenburg sowie nach Holland, wo sie mit den verwandten Arminianern (s. d.) verschmolzen. Von England aus, wo sie übrigens keinen Gottesdienst ausüben durften, gingen sie frühzeitig auch nach Amerika hinüber. Ihre Lehren sind enthalten in dem nach den Schriften des Faustus entworfenen Rakower KatechismusCatechesis ecclesiarum polonicarum«, poln. 1605, lat. 1609; deutsch von Oder, 1739). Das System ist bei allem Supernaturalismus wesentlich rationalistisch; namentlich gelten die kirchlichen Lehren von der Prädestination, Erbsünde und Trinität als der Vernunft und Schrift widerstreitend. Christus ist ein menschliches Wesen, das aber infolge der übernatürlichen Erzeugung und einer Entrückung in den Himmel befähigt war, den Menschen durch Lehre und Leben den Weg zu Gott zu zeigen. Durch seinen Tod hat er die Wahrheit seiner Lehre als Blutzeuge bestätigt und ist göttlicher Würde teilhaftig geworden. Taufe und Abendmahl sind nützliche, aber nicht absolut notwendige Zeremonien. Vgl. Unitarier und Jurieu, Tableau du socinianisme (Haag 1691); Bibliotheca fratrum Polonorum (hrsg. von Wissowatius, Amsterd. 1656 ff., 5 Bde.; Bd. 6, das. 1692); Fock, Der Socinianismus (Kiel 1847, 2 Tle.); Ferencz, Kleiner Unitarierspiegel (deutsch, Wien 1879); Burnat, Lelio Socin (Vevey 1894); G. Krause, Reformation und Gegenreformation im ehemaligen Königreich Polen (2. Aufl., Lissa 1905).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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