Preßburg [2]

Preßburg [2]

Preßburg (magyar. Pozsony, spr. poschonj), königliche Freistadt und Munizipium mit geordnetem Magistrat, Sitz des gleichnamigen Komitats (s. oben), ehemalige Krönungsstadt Ungarns, Knotenpunkt der Bahnlinien nach Wien, Budapest, Skalitz, Sillein (Waagtal), Komorn, Ödenburg und Steinamanger, Dampfschiffstation, liegt malerisch am linken Donauufer am Fuß der bewaldeten Ausläufer der Kleinen Karpathen, ist eine der angenehmsten Städte Ungarns, als Pensionsstadt nur Graz nachstehend, und hat 16 öffentliche Plätze, 15 katholische und 2 evang. Kirchen, 7 Klöster und 2 Synagogen.

Wappen von Preßburg.
Wappen von Preßburg.

Unter den Kirchen sind der 1221 bis 1487 erbaute und 1867 stilgemäß restaurierte, prächtige gotische Krönungsdom mit der teilweise aus Marmor erbauten Johanneskapelle (außerhalb desselben die aus Blei gegossene Reiterstatue des heil. Martin, von Rafael Donner) sowie die 1297 im gotischen Stil erbaute Franziskaner- und die Klarisserkirche mit fünfeckigem gotischen Turm besonders erwähnenswert. Hervorragende Gebäude sind: das Rathaus, dessen ältester Teil aus 1288 stammt, mit städtischem Museum, das Landhaus, worin von 1802–48 die ungarischen Reichstage abgehalten wurden, das Primatialpalais, das neue Stadttheater, vor dem sich der Ganymedbrunnen und das Denkmal des in P. gebornen Komponisten Joh. Nep. Hummel (beide von Viktor Tilgner) befinden; ferner das ehemalige Palais Grassalkovich (jetzt Eigentum des Erzherzogs Friedrich), das Landesspital, das Justizpalais, viele neue Schulgebäude, das neue Handelskammergebäude und schöne private Neubauten. Das königliche Schloß auf dem an der Donau steil emporsteigenden, 83 m hohen Schloßberg wurde 1811 durch Brand zerstört und ist seitdem eine Ruine. An der Stelle des ehemaligen Krönungshügels am Donauufer steht das Reiterdenkmal der Königin Maria Theresia (von Fadrusz), und demnächst wird die Petöfistatue errichtet werden. Den Hauptplatz ziert der aus dem Jahre 1572 stammende Brunnen im Renaissancestil. Über die Donau führt eine große eiserne Eisenbahnbrücke (Franz Joseph-Brücke). P. zählt (1901) 65,867 Einw., darunter 33,202 Deutsche, 20,102 Magyaren und 10,715 Slowaken (Römisch Katholische, Evangelische und 7110 Israeliten), die bedeutende Industrie in Bier (3 Brauereien), Champagner, Likör, Schokolade und Kakao, Konserven, Kartoffelstärke, Pottasche, Spodium, Bürstenwaren, Chemikalien, Gold- und Silberdraht, Maschinen, Patronen, Leder, Leinen, Segeltuch, Jute, Zwirn, Seilerwaren, Dachpappe, Öfen etc. und lebhaften Weinbau (Paingyai) und Weinhandel betreiben. Besonders erwähnenswert sind die Kabelfabrik, die Tabakfabrik, die Fabrik Nobel für Dynamit, rauchloses Pulver und Sprengstoffe sowie die große Petroleum-Raffinerie »Apollo«. Der Handel ist sehr lebhaft und erstreckt sich insbes. auf Getreide, Schafe, Schweine, Vieh, Wein etc. P., das in neuerer Zeit abermals großen Aufschwung zeigt und zwei neue Stadtteile (Fabrikkolonie mit 600 Arbeiterhäusern und längs der Stephaniestraße eine Villenkolonie) errichtete, ist Sitz des Komitats, eines Militärkorps- und eines Honvéddistriktkommandos, einer königlichen Tafel, eines Gerichtshofs, einer Finanz- sowie einer Post- und Telegraphendirektion und einer Handels- und Gewerbekammer und hat viele Unterrichtsanstalten (königliche Rechtsakademie, kath. Obergymnasium, evang. Lyzeum mit Internat und der Schimkoischen Münzensammlung, Staatsoberrealschule, Kadettenschule, Staatslehrerinnen-Präparandie, Handelsakademie, Hebammenschule, Hausindustrieschule, Webe- und Winzerschule), eine städtische öffentliche Bibliothek etc., ein großes Landes- und ein Militärspital, vier andre Krankenhäuser, mehrere Kaltwasserheilanstalten, eine Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank, mehrere Geldinstitute, darunter die älteste ungarische Sparkasse, einen Kirchenmusikverein (seit 1833) etc. P. besitzt groste Lagerhäuser und einen Winterhafen, ferner eine Wasserleitung, eine elektrische Stadtbahn, einen großen Rangierbahnhof (10 km entfernt, bei Ratzersdorf); in der prachtvollen Umgebung sind ausgedehnte Rebenpflanzungen, viele Villen und zahlreiche Ausflugsorte (Aupark am rechten Donauufer mit Sommertheater, Gebirgspark, Batzenhäuseln, Mühltal, Eisenbründl, Gemsenberg mit Denkmal der hier 1866 gefallenen Soldaten etc.) sowie die Orte Theben mit Schloßruine, Ballenstein mit Schloßruine, Marienthal mit Schieferbergwerk und Wallfahrtskirche.

Geschichte. Die Sage nennt als Gründer der fast 1000jährigen Kulturstadt P. einen römischen Feldherrn Piso, nach dem es Pisonium geheißen haben soll; doch deutet der slawische Name Brecislawa, Brecislawas-Burg, dem wohl der deutsche »Preßburg« nachgebildet ist, auf eine Gründung in der großmährischen Zeit (ca. 942–960). Seit dem 11. Jahrh. spielte P. als Grenzfestung eine bedeutende Rolle. 1254 und 1262 schloß hier Béla IV. Verträge mit Ottokar von Böhmen, der aber 1271 die Burg und Stadt eroberte und verbrannte. Die Kolonisation einer rasch aufblühenden deutschen Stadt gehört dem 12. Jahrh. an; das älteste Stadtprivilegium rührt von Andreas III. aus dem Jahre 1291 her. König Ludwig I. erteilte der Stadt 1343 das Marktrecht und mehrte wesentlich die Bürgerrechte; Gleiches taten Siegmund, Johann und Matthias Hunyadi. Seit Siegmund, der P. 1405 zur königlichen Freistadt erhob, durfte die Stadt Münzen prägen und erhielt eine Donaubrücke. Von Zünften sind acht bekannt; vom Jahre 1433 rühren die ältesten Zunftregeln her. Preßburgs günstige Lage an der österreichischen Grenze machte es zur Führung von Verhandlungen mit Österreich vorzüglich geeignet. Schon Siegmund, der hier mehrere Reichstage abhielt und die Burg befestigte, versammelte hier im Dezember 1429 die deutschen Fürsten zu einem Reichstag, und Maximilian I. schloß hier 7. Nov. 1491 mit Wladislaw II. von Ungarn einen Frieden, der jenem die Nachfolge in diesem Land bedingungsweise in Aussicht stellte. 1515 fand ein Fürstenkongreß in P. statt. Noch unter Matthias I. hatte Erzbischof Vitéz 1467 in P. eine Universität (Academia Istropolitana) gegründet. Bald nach der Schlacht von Mohács wurde P. Reichstags- und Krönungsstadt von Ungarn, Sitz aller Reichsbehörden und zeitweise auch des Reichsprimas und blieb es auch dann noch geraume Zeit, nachdem die Türken aus Ofen vertrieben worden waren. Hier schlossen 1. Febr. 1608 die österreichischen und ungarischen Stände mit Matthias II. einen Bund gegen Kaiser Rudolf II. 1619 wurde die Stadt von Gabr. Bethlen genommen, 1620 von dem kaiserlichen General Dampierre fruchtlos belagert, aber 1621 unter Bouquoy wiedererobert. 1648 wurde sie vom Erzherzog Leopold Wilhelm aufs neue befestigt. Bald nach Niederlassung der Jesuiten (Pazmany) begannen die Kämpfe mit den Protestanten, deren Kirche durch die Regierung 1672 den Jesuiten ausgeliefert wurde. Auf dem Reichstag 1687 veranlaßte Leopold I. die Stände Ungarns, ihre Zustimmung zur Aufhebung des Wahlkönigtums zu geben. Die Stände von 1722–23 nahmen hier die Pragmatische Sanktion an. Am 11. Sept. 1741 war das Schloß der Schauplatz jenes Auftritts, wobei die Stände der bedrängten Königin Maria Theresia ihr Leben und Blut anboten (»Damus vitam et sanguinem«). Maria Theresia ließ das Schloß restaurieren, das von 1766 bis 1780 als Wohnsitz dem Herzog Albert von Sachsen-Tetschen diente. 1772–78 wurden die Stadtmauern und die meisten Türme und Tore abgerissen, wodurch die Stadt ihr mittelalterliches Äußere verlor. 1764 erschien die erste Nummer der ältesten ungarländischen Zeitung (»Preßburger Zeitung«). Hier wurde zwischen Napoleon I. und Franz II. 26. Dez. 1805 der Friede von P. abgeschlossen, nachdem die Stadt im November 1805 von Davout besetzt worden war. Härter ward P. im Kriege von 1809 mitgenommen, in dem es Davout vom 4. Juni bis 4. Juli beschießen ließ. Von 1825–48 wurden die berühmten Reformreichstage in P. abgehalten. Am 11. April 1849 sanktionierte Ferdinand V. hier die 48er Gesetze. Am 19. Dez. 1849 wurde die Stadt von General Welden besetzt und mehrere Freiheitshelden hingerichtet. 1866 entspann sich 22. Juli im Norden von P., bei Blumenau, eine Schlacht zwischen den Preußen unter Fransecky und den Österreichern unter Thun, der jedoch der Waffenstillstand ein Ende machte. Vgl. Ortvay, Geschichte der Stadt P. (deutsche Ausg., Preßb. 1892 ff., 4 Bde.); Kiraly, Geschichte des Donau-Mauth- und Urfahrrechtes der königlichen Freistadt P. (das. 1892); Schirmer, Das Treffen von Blumenau-Preßburg am 22. Juli 1866 (Wien 1904); Ortvay, Preßburgs Straßen und Plätze (Preßb. 1905); Kumlik, P. und der Freiheitskampf 1848–1849 (das. 1905).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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