Pichler

Pichler

Pichler, 1) Anton, Steinschneider, geb. 12. April 1697 in Brixen, bildete sich in Neapel und lebte seit 1743 in Rom, wo er 14. Sept. 1779 starb. Von seinen Gemmen sind die hervorragendsten: Antigone und Ismene vor dem Tempel der Furien, dem Vater die Rückkehr nach Theben ratend, und Priamos zu den Füßen des Achilleus; eine Büste Homers (s. Tafel »Gemmen und Kameen«, Fig. 29); der Kopf des Julius Cäsar; Meleager, nach der Statue im Vatikan; der sogen. Siegelring des Michelangelo. Vgl. Rollett, Die drei Meister der Gemmoglyptik: Antonio, Giovanni und Luigi P. (Wien 1874).

2) Giovanni (Johann), Steinschneider, Sohn des vorigen, geb. 1. Jan. 1734 in Neapel, gest. 25. Jan. 1791 in Rom, bildete sich unter seinem Vater und nach der Antike und schnitt schon im 15. Jahr einen Herkules im Kampf mit dem nemeischen Löwen, der Bewunderung erregte. Seine Gemmen, sowohl vertieft als erhaben geschnitten, sind von vollkommener Reinheit und Schärfe (s. Tafel »Gemmen und Kameen«, Fig. 21 und 28). Er war auch Pastellmaler.

3) Ludwig (Luigi), Steinschneider, Bruder und Schüler des vorigen, geb. 31. Jan. 1773 in Rom, gest. daselbst 13. März 1854, erlangte gleichfalls bald großen Ruf, wurde 1818 als Professor der Graveurkunst in Wien angestellt und bildete dort im Auftrag des Kaisers Franz die kostbarsten Gemmen des k. k. Antikenkabinetts als Geschenk für den Papst in Glaspasten nach. Seine zahlreichen Arbeiten (fast ausschließlich Intaglien) kommen denen seines Bruders nahe. Um 1850 kehrte er nach Rom zurück. – Auch Johann Joseph (Giuseppe) P., Stiefbruder der beiden vorigen, geb. um 1760 in Rom, war ein geschickter Edelsteinschneider.

4) Karoline, Romanschriftstellerin, geb. 7. Sept. 1769 in Wien, gest. daselbst 9. Juli 1843, erhielt im Haus ihres Vaters, des Hofrats v. Greiner, eine sehr sorgfältige Erziehung, verheiratete sich 1796 mit dem nachherigen Regierungsrat Andreas Pichler und trat seit 1800 als Schriftstellerin mit zahlreichen Romanen und einzelnen dramatischen Versuchen auf. Von ihren Romanen fanden »Agathokles« (Wien 1808, 3 Bde.), »Frauenwürde« (das. 1808, 4 Bde.), »Die Belagerung Wiens« (das. 1824, 3 Bde.), von ihren kleinern Erzählungen »Das Schloß im Gebirge«, »Der schwarze Fritz« den meisten Beifall. Nicht ohne Erzählertalent und eine gewisse Würde, konnte P. als Schriftstellerin weder tiefere Konflikte und Charaktere darstellen, noch überall die redselige Breite der alten Belletristik vermeiden. Ihre »Sämtlichen Werke« erschienen Wien 1820–45, 60 Bde. An sie schlossen sich ihre »Denkwürdigkeiten«, herausgegeben von F. Wolf (Wien 1844, 4 Bde.). Briefe Karoline Pichlers an Therese Huber (s. d. 4) erschienen im 3., solche an Hormayr im 12. Bande des »Jahrbuchs der Grillparzer-Gesellschaft« (Wien 1893 u. 1902).

5) Adolf, Dichter und Naturforscher, geb. 4. Sept. 1819 zu Erl im Unterinntal, gest. 15. Nov. 1900 in Innsbruck, studierte in Innsbruck und Wien Medizin und Naturwissenschaften und trat zuerst als Herausgeber der Sammlung »Frühlieder aus Tirol« (Innsbruck 1846) vor die Öffentlichkeit. Als 1848 die Grenzen Tirols von Italien her bedroht waren, eilte er aus Wien unter die Fahnen der Freiwilligen, die auch der alte Haspinger begleitete, nahm an einigen Gefechten tapfern Anteil und erhielt nach der Heimkehr vom Kaiser den Orden der Eisernen Krone, infolgedessen ihm später (1877) der Adel mit dem Prädikat von Rautenkar verliehen wurde. Über seine Erlebnisse in der Revolutionszeit berichtete er in den zwei Schriften: »Aus den März- und Oktobertagen zu Wien 1848« (Innsbr. 1850) und »Aus dem welsch-tirolischen Kriege« (Wien 1849; beide zusammen neu u. d. T.: »Das Sturmjahr«, Berl. 1903). 1849 wurde er Gymnasiallehrer in Innsbruck. P. veröffentlichte demnächst eine literargeschichtliche Abhandlung: »Über das Drama des Mittelalters in Tirol« (Innsbr. 1850), und bekundete seine poetische Kraft in den »Gedichten« (das. 1853) und »Hymnen« (3. Aufl., Leipz. 1897). 1867 wurde er an der Universität Professor für Mineralogie und Geologie. Von seinen Schriften sind noch anzuführen: »Aus den Tiroler Bergen« (Münch. 1862; 4. Aufl., das. 1904), Schilderungen von Land und Leuten; »Allerlei Geschichten aus Tirol« (Jena 1867; 6. Aufl., Münch. 1904), die schöne Naturschilderungen enthalten; die Trauerspiele: »Die Tarquinier« (1860; 2. Aufl., Leipz. 1898) und »Rodrigo« (1862); sodann die »Epigramme« (1865), »In Lieb' und Haß«, Elegien und Epigramme (Gera 1869; 3. Aufl, Berl. 1900); »Deutsche Tage«, Zeitgedichte aus Tirol (Berl. 1870); »Marksteine«, Dichtungen (Gera 1874, 3. Aufl. 1906); »Zu Literatur und Kunst«, Epigramme (Innsbr. 1879); die Dichtung »Fra Serafico« (das. 1879); »Vorwinter«, Gedichte (Gera 1885); »Neue Marksteine«, poetische Erzählungen (Leipz. 1890); »Zu meiner Zeit«, Lebenserinnerungen (das. 1892); »Spätfrüchte«, Gedichte (das. 1896); »Kreuz und Quer« (das. 1896; 3. Aufl., Münch. 1906) und »Der Einsiedler«, Novelle (Leipz. 1896); »Jochrauten, neue Geschichten aus Tirol« (das. 1897, 2 Bde.; 4. Aufl. 1904); »Letzte Alpenrosen«, »Erzählungen aus den Tiroler Bergen« (das. 1898; 2. Aufl., Münch. 1905); »Der Anderl und 's Resei. Ein Faschingsschwank in Schnadahüpfeln« (Leipz. 1898). Aus seinem Nachlaß erschienen: »Aus Tagebüchern 1849–1899« (Münch. 1905), »Allerlei aus Italien« (das. 1906) und »Wanderbilder« (das. 1906). Pichlers »Gesammelte Werke« erschienen in München 1904 ff., 10 Bände. P. war einer der bedeutendsten und charaktervollsten Vertreter des Tiroler Deutschtums, ein Mann von universeller Bildung, als Prosaist ausgezeichnet durch kraftvolle, plastische Sprache, als Lyriker hervorragend im Hymnus und im schneidigen Epigramm. Auf naturwissenschaftlichem Gebiet sind Pichlers »Beiträge zur Geognosie Tirols« (in der »Zeitschrift des Ferdinandeums«, Innsbr. 1863) und »Zur Geognosie der Alpen« (das. 1867) sowie zahlreiche Beiträge in Fachschriften zu erwähnen. Vgl. Prem, Adolf P., der Dichter und Mensch (Innsbr. 1901).

6) Aloys, kath. Theolog, geb. 7. Nov. 1833 zu Tüffling in der Diözese Passau, gest. 3. Juni 1374 in Siegsdorf bei Traunstein, 1859 Priester, 1861 Doktor der Theologie, folgte, nachdem er als Anhänger Döllingers mit dem erzbischöflichen Ordinariat in Konflikt geraten war, 1868 einem Ruf als kaiserlicher Bibliothekar nach Petersburg. Leider führte eine bis zur Geisteskrankheit entwickelte Bibliomanie zu einem Prozeß, in dem er 1870 wegen Diebstahls von Büchern verurteilt und nach Sibirien geschickt wurde. Durch Vermittelung des Prinzen Leopold von Bayern begnadigt, kehrte er nach München zurück. Von seinen Schriften nennen wir: »Geschichte der kirchlichen Trennung zwischen dem Orient und Okzident« (Münch. 1864–65, 2 Bde.), »Die Theologie des Leibniz« (das. 1869–70, 2 Bde.) und »Die wahren Hindernisse und die Grundbedingungen einer Reform der katholischen Kirche« (das. 1870); alle drei stehen auf dem Index.

7) Franz Seraph, deutscher Politiker, geb. 4. Okt. 1852 in Asenham (Niederbayern), studierte Philosophie und Theologie am Lyzeum in Passau, wurde 1876 ordiniert, wirkte 1878–80 in Rom an dem deutschen Nationalinstitut der Anima als Kaplan und studierte dabei an der gregorianischen Universität kanonisches Recht. Seit 1883 Domvikar, seit 1899 Domkapitular in Passau, gehört P. seit 1893 als Zentrumsmitglied dem deutschen Reichstag und der bayrischen Abgeordnetenkammer an; er übt namentlich in letzterer einen großen Einfluß aus und wurde 1900 Mitglied des bayrischen Eisenbahnrates. P. veröffentlichte: »Sozialdemokratie und Religion« (Passau 1892); »Der Antrag Kanitz« (Köln 1896); »Zentrum und Landwirtschaft« (das. 1897).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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