- Hut [1]
Hut, Kopfbedeckung für Männer und Frauen, wird aus den verschiedensten Materialien gefertigt. Die Fabrikation der Filzhüte beruht auf der Filzfähigkeit (s. Filz) der Haare von Kaninchen, Hafen, Ziegen, Kamelen, Vicuñas, Waschbären, Bisamratten, Affen, Fischottern und Bibern. Die Arbeit beginnt mit der Lostrennung der zu diesem Zwecke mit einer Beize aus Quecksilbernitrat getränkten und dann getrockneten Haare durch Rupfen mittels eines stumpfen Messers (Rupfeifen) oder durch Schneiden mittels eines Schneidbleches von der Hand oder mittels einer Enthaarnngsmaschine und gleichzeitigem Sortieren mit der Hand. Die Enthaarungsmaschine besteht z. B. der Hauptsache nach aus einer schnell rotierenden Messerwalze, welche die zugeführten Felle in etwa nur 1 mm breite Streifen zerschneidet, von denen sich die durch die Beize gelockerten Haare bei derselben Operation abtrennen. Die gewaschenen und getrockneten Haare unterliegen dem Fachen mit dem Fachbogen, einem dem Fiedelbogen ähnlichen, an einer Schnur aufgehängten Werkzeug von etwa 2 m Länge, dessen Darmsaite mittels eines Schlagholzes in Schwingungen gesetzt und dabei mit einer abgewogenen Menge Haare auf einem Arbeitstisch (Fachtafel) in Berührung gebracht wird, so daß die Haare aufwirbeln und infolge einer geschickten Führung des Bogens zuletzt zu dem gewünschten dreieckigen Fach sich auf der Fachtafel vereinigen. Aus diesem Fach bildet man durch Drücken, Reiben, Schieben unter einem Siebe (Fachsieb) eine immer fester werdende Masse, die dann, in Leintücher eingeschlagen oder mit dickem geleimten Papier (Filzkern) bedeckt, in angefeuchtetem Zustand unter öfterm Wenden weiter geknetet und dadurch in Filz verwandelt wird (Walken). Darauf legt man zwei Fache auseinander, vereinigt sie mit den Rändern zu einem Hohlkegel und formt aus diesem den H., indem man, unter fortgesetztem Walken und Eintauchen in eine siedende Beize aus Wasser, Weinhefe und Weinstein, zuerst die Krempe aufwärts, dann den Boden so lange ein- und ausstößt, bis annähernd die Form erreicht ist (in den Kranzschlagen), die ihre weitere Vollendung auf Holz- oder Zinkformen erhält.
In größern Werkstätten und in Fabriken dienen zum Auflockern, Mischen und Fachen Maschinen. Der Wolf, der dem Schlagwolf der Baumwollspinnerei (s. Spinnen) nachgebildet ist, bewirkt eine vollständige Auflockerung, Mischung und Abscheidung der Verunreinigung. Man benutzt gewöhnlich erst einen gröbern Wolf und dann etwa noch sechs Wölfe mit Stachelwalzen, die in einem langen Kasten vereinigt sind (Haarblasemaschine) und sich die Haare zuwerfen, die zuletzt, im hohen Grade gelockert, in die Fachmaschine gelangen. Letztere besteht aus dem Blasapparat und dem Fachkegel. Der mit einem Ventilator verbundene Blasapparat bildet einen mit einer Auflockerungstrommel ausgestatteten Kasten, aus dem die Haare durch einen vertikalen Schlitz herausgejagt werden. Vor diesem Schlitz steht der bienenkorbähnliche Fachkegel aus Drahtgewebe oder gelochtem Blech, der sich langsam um eine vertikale Achse dreht und ebenfalls mit einem Ventilator in Verbindung steht, der die Luft aus demselben aussaugt. Infolge des Luftstromes fliegen die Haare an diesen Kegel und vereinigen sich auf dessen Oberfläche zu einem zusammenhängenden Hohlkörper (Fach). Die von dem Fachkegel behutsam abgenommenen Fache werden, wie oben beschrieben, gewalkt und weiter verarbeitet. – Zur Fabrikation der ordinären Hüte aus Wolle zerschneidet man das auf der Kratzmaschine (s. Filz) erzeugte Wollvlies in passende Stücke, die, mit den Rändern zusammengelegt, wie Fache (Hutstumpen) auf besondern Filzmaschinen weiter verarbeitet werden. Letztere bestehen im Prinzip aus einer mit Dampf geheizten Kupferplatte zur Aufnahme der Fache und einem hölzernen Deckel, der, genügend belastet, mittels Exzenter auf den Fachen hin und her bewegt wird. Die früher übliche Bildung von mehreren Fachen aus einem von einer Krempel gewonnenen Vliesband ist von der oben beschriebenen Anfertigungsart fast ganz verdrängt. Die geformten Hüte werden zu völliger Beseitigung der Beize gewaschen, dann auf Holzformen getrocknet, auf Schermaschinen geschoren und, wenn sie feinerer Qualität sind, auf einer Drehbank mit vertikaler Spindel durch Anhalten von Schmirgelpapier abgeschliffen (gebimst).
Die Hüte, die nicht naturfarben bleiben sollen, werden nun gefärbt, gewaschen, auf Formen getrocknet und endlich mit einer Lösung von Schellack in Spiritus gesteift und dadurch auch wasserdicht gemacht, dann wieder auf die Form gezogen, durch Einsetzen in einen Dampfraum befeuchtet und mit kleinen Handbügeln bearbeitet, wodurch die steifen Hüte zugleich unter Erweichung des Schellacks ihre dauernde Form erhalten. Schließlich wird der H. staffiert, d. h. mit Futter, Schweißleder ausgekleidet, mit Band eingefaßt und garniert und durch Bürsten nach dem Strich vollendet. – Die Veloursfilzhüte erhalten eine Haardecke durch Bürsten mit scharfen Bürsten beim Walken und nachheriges Scheren auf Schermaschinen (s. Appretur). Die zylinderförmigen seidenen Hüte bestehen aus einem Gestell von Pappe, die mit Schellack gesteift ist, und einem Überzug von seidenem Fel bel (s. d.). An die Felbelhüte schließen sich die Fabrikate aus Tuch- und andern Wollen- oder Baumwollenstoffen an. Die mechanischen oder Gibushüte (chapeaux [à] claque) werden aus einem seinen schwarzen, dichten Tibetstoff oder Atlas gefertigt und mit einem Mechanismus versehen, der gestattet, sie platt zusammenzuklappen und durch einen Druck wieder auszuspannen.
Nächst den Filz- und Seidenhüten finden die Strohhüte die ausgedehnteste Anwendung. Die echten Panamahüte kommen aus Granada und Ecuador und werden aus den Blätterrippen der dort heimischen palmenähnlichen Carludovica palmata geflochten. Die Blätter werden zu diesem Zweck vor der Entfaltung von Rippen und gröbern Fasern befreit, einen Tag lang der Sonne ausgesetzt und in kochendes Wasser getaucht, bis sie weiß werden. Dann läßt man sie an einem schattigen Orte trocknen, wobei sie noch vollständiger bleichen und zum Spalten und Flechten geeigneter werden. Diese Panamahüte zeichnen sich durch große Elastizität und Haltbarkeit aus, kommen indes jetzt nur noch wenig in den Handel, seitdem man aus den eingeführten Blättern der Carludovica Hüte billiger und von gefälligerer Form fertigt. Es finden sich außerdem im Handel auch Panamahüte, sogen. Manilahüte, die genäht, aber viel weniger haltbar als die echten Panamahüte sind. Die Maracaibo-, Chile- und die amerikanischen Palmhüte sind ebenfalls weniger haltbar. Strohhüte, die aus Strohbändern zusammengenäht werden, glättete man früher nur mit einem Bügeleisen; später preßte man den H. mit einem sechsteiligen Kegel mittels Keile in eine Form, jetzt aber wendet man hierzu Wasserdruck von 8–10 Atmosphären aus Akkumulatoren an. Man bringt den H. in eine entsprechend gearbeitete Zinnform, legt in denselben einen Kautschukbeutel von entsprechender Größe und bedeckt dann die Form mit einer schweren Platte, durch die das Wasser in den Beutel tritt. Auf diese Weise wird ein H. in 11/2 Minute fertig, während bei Handarbeit dazu 20 Minuten und mehr erforderlich waren. Hüte von Fischbein sind außerordentlich dauerhaft und elegant. Holz- oder Basthüte werden aus Linden-, Pappel- und Weidenholz und Bast gefertigt, den man in seine Fäden zerschneidet. Zu den teuersten und feinsten Geflechten gehört das Paille de riz, wozu in Modena das Material mit besonderer Sorgfalt ausgewählt wird. Eine geringere Sorte Basthüte fertigt man in Poggio bei Mantua und versendet sie ohne Appretur und Pressung, die ihnen in Paris oder Wien gegeben wird. Hüte aus Stroh, Seide und Pferdehaar werden auf dem Webstuhl besonders im Kanton Aargau, solche aus Pferdehaar und Manilahanf (mit Baumwolle und Seide) in Luzern, Aargau und Zürich auf dem französischen Lacetstuhl angefertigt. Wasserdichte Hüte werden durch Tränken gewöhnlicher Hüte mit einer Lösung von Schellack oder Guttapercha erhalten; für Schiffer fertigt man sie aus geölter Leinwand (Südwester). Billige Papierhüte werden aus drei Papierstücken zusammengeklebt, genäht, erhalten eine Drahteinlage und einen Lacküberzug. Den Strohhüten sehr ähnliche Papierhüte werden aus schmalen Streifen eines sehr zähen und geschmeidigen Papiers gewickelt, geklebt und genäht, zuletzt lackiert. Vgl. Bortfeldt, Die Hutmacherkunst (Leipz. 1902).
Kulturgeschichtliches.
Die Sitte, den Kopf zu bedecken, findet sich schon im Altertum. Die Griechen trugen, jedoch nur bei einem längern Aufenthalt im Freien, Hüte oder Kappen, die sich auf drei Formen zurückführen lassen: 1) eine Kappe von Fell oder von Rindsleder, halbkugelförmig, vielleicht unter dem Kinn mit Riemen befestigt; 2) der mehr halbeiförmige oder konische Pilos (lat. pileus, s. d. u. Fig. 1), ein nur mit schmaler Krempe versehener H., z. B. der Schiffer und Handwerker, und die in der Form damit verwandte phrygische Mütze (s. d. u. Fig. 2) mit nach vorn umgelegter Spitze, ursprünglich in Asien heimisch und noch jetzt von den Schiffern und Strandbewohnern des Adriatischen Meeres getragen; 3) der thessalische H. (Petasos, s. d. u. Fig. 3), die Tracht der griechischen Epheben, ähnlich dem jetzigen flachen Filzhut, mit einem Sturmriemen versehen, woran er (auf Abbildungen) häufig im Nacken herabhängt; bisweilen hatte die Krempe dieses Hutes vier bogenförmige Ausschnitte.
Die Frauen trugen zum Schutz gegen die Sonne in spätern Zeiten flache, aus Stroh oder Binsen geflochtene Hüte (s. Tafel »Kostüme I«, Fig. 5). Auch die Römer gingen gewöhnlich barhaupt oder trugen den Pileus oder den Petasus und hatten außerdem auch die ihnen eigentümliche, an ihrem Mantel befestigte Kapuze (cucullus, vgl. Gugel).
Der Pileus, besonders in Gebrauch bei öffentlichen Festen, galt als Zeichen der Freiheit, und der Sklave erhielt bei der Freilassung einen H. (pileatus servus). Brutus und Cassius ließen nach der Ermordung Cäsars Münzen schlagen, auf denen ein H. als Freiheitszeichen zwischen zwei Schwertern stand. Ähnliche Münzen prägte später die Republik der vereinigten Niederlande nach ihrer Befreiung vom spanischen Joch.
Auch in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters war das Tragen einer Kopfbedeckung durchaus nicht gewöhnlich, doch findet sich jene phrygische Mütze, die ihre Nachahmung auch in den ältesten Formen des Helmes hatte, auf Bildern aus der Zeit Karls d. Gr. Das 10. Jahrh. kannte bereits den Strohhut u. den Lodenhut aus grober Wolle. Das 11. Jahrhundert scheint den Filzhut von der Form eines abgerundeten Kegels hervorgebracht zu haben, der in der Folge mit einem ringsum aufgekrempten Rande getragen, mehrfach gefärbt und an der Krempe auch wohl mit Pelz besetzt oder mit Pfauenfedern belegt wurde und mannigfache Formveränderungen erfuhr. Um die Mitte des 14. Jahrh. eine Zeitlang durch die Gugel verdrängt, kam er bald in Verbindung mit ihr als Gugelhut wieder auf und erhielt sich bei Jägern und Reisenden bis ins 16. Jahrh., während daneben auch die frühern Formen in Gebrauch blieben und manche andre hinzukamen. Im Anfang des 16. Jahrh. herrschte zwar das Barett, aber schon um 1550 kam der H. wieder zu Ehren, zuerst als hoher, gesteifter spanischer H., dann als niederländischer, später sogen. Rubenshut und bald nach Beginn des 17. Jahrh. als breitkrempiger schwedischer Schlapphut (s. Tafel »Kostüme III«, Fig. 3 u. 5). Unter Ludwig XIV. wurden die Hüte auch hinten aufgegeschlagen und auf der andern Seite, der Symmetrie wegen, ebenfalls hinaufgebogen, woraus die zweispitzigen (bicornes) und dreieckigen Hüte (Dreimaster, Dreispitze, bekannt als Kopfbedeckung Friedrichs d. Gr.) entstanden, die bald mit höhern, bald mit kürzern Krempen fast 100 Jahre hindurch überall getragen wurden und sich noch bis auf die Gegenwart bei gewissen Uniformen, Hof- und Amtstrachten, Schützengilden, Leichenbestattern u. dgl. erhalten haben (s. Tafel »Kostüme III«, Fig. 7 u. 10). Auf die dreieckigen Hüte folgten die Chapeaux bas. Kurz vor der französischen Revolution kamen zuerst in England, dann auch in Frankreich die runden Hüte (Zylinder) auf. Die dreieckigen Hüte herrschten aber noch, besonders in Deutschland, bis zu Ende des 18. Jahrh. vor. In Frankreich kamen noch nach 1796 dreieckige Hüte, die Bonapartes oder Incroyables (s. d. und Tafel »Kostüme III«, Fig. 12), mit ungeheuer großen Krempen auf; sie wurden von den französischen Elegants getragen, hielten sich aber nicht lange in der Mode. Gegenwärtig tragen Zivilpersonen den zweispitzigen H. (Klapphut, Patenthut, claque) nur bei höchster Gala, bei Hof u. dgl. Der jetzt unter dem Namen Chapeau claque bekannte H. ist ein seidener Zylinder, der durch einen Mechanismus flach zusammengelegt werden kann. Die bei den revolutionären Bewegungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrh. aufgekommenen breitkrempigen und niedrigen, weißen, hellfarbigen oder schwarzen, anfangs als Karbonari-, Hecker-, Turner- und Demokratenhüte mißliebigen Hüte sind mit mannigfachen Modifikationen in Form und Farbe wegen ihrer Zweckmäßigkeit in allgemeinen Gebrauch gekommen. Im gewöhnlichen Leben sind gegenwärtig sowohl steife als weiche Hüte aus Filz (Schlapphüte, Bismarckhüte, Touristenhüte) mit schmalen oder breiten, steifen oder weichen Krempen, im Sommer Strohhüte in Gebrauch. Bei feierlichen Gelegenheiten wird zum bürgerlichen Kleide gewöhnlich der steife Zylinder aus Seidenfilz getragen, dessen Gebrauch in Frankreich auch im täglichen Leben den des niedrigen Hutes überwiegt. Sogenannte geweihte Hüte verschenkte der Papst an Fürsten und Feldherren, die sich um den katholischen Glauben verdient gemacht hatten; sie waren von violetter Seide oder mit Hermelin gefüttert, mit einer goldenen Schnur und Juwelen geschmückt. Veranlassung dazu gab das Traumgesicht des Judas Makkabäus (2. Makk. 15). Den letzten erhielt General Dann nach dem Überfall bei Hochkirch 1758. Grüne und gelbe Hüte pflegte man, erstere in Frankreich, letztere in manchen Städten Deutschlands, den Bankrottierern aufzusetzen, wenn sie öffentlich ausgestellt wurden. Weiteres in den Werken über Kostümkunde. Vgl. die Artikel »Judenhut, Kardinalshut, Insul, Mitra, Fürstenhut, Turban«.
In der Heraldik sind die Hüte entweder Helmkleinodien oder Standeszeichen. Im ersten Fall unterscheiden sie sich von den Mützen bald durch die breitere, bald durch die höhere Gestalt (Spitzhüte); sie erscheinen mannigfach gestaltet, gezipfelt und besteckt und werden oft als Träger andrer Figuren benutzt. Zu den Standeszeichen gehören die breiten Hüte der geistlichen Würden (Kardinals-, Erzbischofs-, Bischofs- und Protonotarienhut), dann die anders geformten weltlicher Personen (Fürstenhut, Markgrafenhut, Kurhut, Herzogshut etc.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.