Symmetrīe

Symmetrīe

Symmetrīe (griech.) ist im allgemeinen das Ebenmaß oder die Übereinstimmung der Teile eines Ganzen. S. im engern Sinne besteht, wenn bei einem Gegenstand von einem Mittelpunkt oder einer Mittellinie aus nach entgegengesetzten Richtungen gleiche Elemente in gleicher Weise sich folgen. S. in diesem Sinne begegnet uns in der unorganischen Natur bei Kristallen. im Pflanzenreich vorzugsweise in den Formen der Blätter, Blüten, Früchte, bei Tieren in der symmetrischen Anordnung der Teile der beiden Körperhälften. Wie hier, so hat auch im Gebiete der künstlerischen Formen die S. ästhetischen Wert als unmittelbarster und in unmittelbarster Weise verständlicher Ausdruck des mechanischen oder funktionellen Gleichgewichts, als deutlichstes »Symbol« der Wechselwirkung von Kräften, die, von einer Mitte nach entgegengesetzten Richtungen ausgehend oder in einer Mitte von entgegengesetzten Seiten her sich treffend, diese Mitte als die ruhende Mitte oder als den festen Ausgangs-, bez. Zielpunkt der Bewegungen erscheinen lassen. Die S. kommt vorzugsweise als horizontale S. zur Anwendung, da wir vorzugsweise in horizontaler Richtung solches Gleichgewicht fordern. Sie tritt zurück in vertikaler Richtung, weil hier ein andrer Gedanke, nämlich der Gedanke der Entwickelung von einem untersten oder obersten Anfangspunkt aus, als der zunächst naturgemäße erscheint. Auch in horizontaler Richtung verschwindet die S. in dem Maß, als hier gleichfalls der Gedanke einer Entwickelung von einem Anfangspunkt aus am Platz erscheint. Die S. weicht überhaupt und macht einer, äußerlich betrachtet, »regellosern« Form Platz, wo es auf die Darstellung einer freien, ihrer Natur nach der Festhaltung einer dauernden Gleichgewichtslage widersprechenden Art der Bewegung oder Lebensbetätigung ankommt. Hiermit ist schon gesagt, daß zunächst die Ornamentik und die technischen und tektonischen Künste, und unter den letztern wiederum vor allem diejenigen, deren Erzeugnisse zu ruhigem Verharren bestimmt sind (Tektonik, Architektur, Keramik etc.), die S. erlauben, bez. fordern. Dagegen sind Plastik und Malerei, die auf Darstellung menschlich oder menschenähnlich freier Lebensbetätigung abzielen, der starren S. zuwider.

In der Geometrie beruht der Begriff der S. auf der Vergleichung der Figuren mit ihren Spiegelbildern. Da nämlich eine Figur mit ihrem Spiegelbild in allen Abmessungen übereinstimmt, aber doch im allgemeinen nicht mit ihm zur Deckung gebracht werden kann, ihm also nicht immer kongruent ist (s. Kongruenz), so nennt man zwei Figuren symmetrisch (zueinander), wenn die eine dem Spiegelbilde kongruent ist, das irgend ein ebener Spiegel von der andern entwirft. So sind rechte und linke Hand zueinander symmetrisch, nicht aber kongruent, anderseits sind zwei Würfel, deren Kanten gleich sind, nicht bloß kongruent, sondern auch zueinander symmetrisch. Ferner sagt man, zwei Punkte A und A' liegen in bezug auf eine Ebene symmetrisch, wenn der eine das Spiegelbild des andern ist, sobald man sich die Ebene als spiegelnde Fläche denkt; das tritt ein, wenn die Ebene durch die Mitte M der Geraden A A' geht und auf A A' senkrecht steht. Ebenso sagt man, die Punkte A und A' liegen symmetrisch in bezug auf eine Gerade, wenn diese durch M geht und auf A A' senkrecht steht; endlich heißen A und A' auch in bezug auf den Punkt M selbst symmetrisch. Infolgedessen nennt man eine Figur in bezug auf eine Ebene, eine Gerade oder einen Punkt symmetrisch, wenn die Punkte der Figur paarweise zu der Ebene, der Geraden oder dem Punkte symmetrisch liegen, und redet dementsprechend von einer Symmetrieebene, Symmetrieachse oder einem Symmetriezentrum (kürzer Mittelpunkt) der Figur. So hat die Kugel jede durch ihren Mittelpunkt gehende Ebene zur Symmetrieebene. In der Algebra (s. d.) nennt man symmetrische Funktionen alle die aus mehreren Größen, z. B. aus a, b, c gebildeten Ausdrücke, die ganz ungeändert bleiben, wenn man diese Größen auf alle möglichen Arten untereinander vertauscht. Solche Funktionen von a, b, c sind z. B. a+b+c, ab+bc+ca, abc. Die symmetrischen Funktionen spielen in der Theorie der algebraischen Gleichungen eine große Rolle. Vgl. H. Weber, Lehrbuch der Algebra, Bd. 1 (2. Aufl., Braunschw. 1898).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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