- Fröbel
Fröbel, 1) Friedrich, deutscher Pädagog, geb. 21. April 1782 in Oberweißbach (Schwarzburg-Rudolstadt), gest. 21. Juni 1852 in Marienthal, widmete sich nach harter Jugend dem praktischen Forstwesen, dann seit 1800 in Jena kameralistischen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Studien. Durch seines Vaters Tod (1802) im Studium unterbrochen, wandte er sich zum Lehrfach in Frankfurt a. M. (1805) und (1808) in Iferten, wo er mit Pestalozzi in nahe Verbindung trat. 1810 nahm er in Göttingen und Berlin seine Studien von neuem auf, ward 1811 hier Lehrer an der Pestalozzischen Knabenerziehungsanstalt des Professors Plamann und machte im Lützowschen Korps die Feldzüge von 1813 und 1814 mit. Nach der Rückkehr erhielt er Anstellung als Assistent am königlichen Museum für Mineralogie in Berlin, legte jedoch diese Stelle nieder und gründete 1816 zu Griesheim bei Stadtilm eine allgemeine deutsche Erziehungsanstalt, die er bald darauf in Verbindung mit den Kriegskameraden Langethal und Middendorf nach Keilhau bei Rudolstadt verlegte, wo sie in kurzer Zeit lebhaften Aufschwung nahm. Sein pädagogisches System verkündete er in der formell unbehilflichen, aber gedankenreichen Schrift »Die Menschenerziehung« (Bd. 1, Keilhau 1826). Das Eigentümliche daran ist die Betonung des naturgemäßen Fortschritts und der allseitigen Förderung aller Menschenkräfte; doch beruht es wesentlich auf Pestalozzischen Grundlagen. Finanzielle und politische Schwierigkeiten veranlaßten ihn 1831, das Institut seinem Gehilfen Barop abzutreten. Nach einem zweiten Aufenthalt in der Schweiz (1831–36) widmete sich F. fast ausschließlich der Erziehung der Kinder im vorschulpflichtigen Alter nach den Forderungen seines Systems, behufs deren er 1837 in Blankenburg (Thüringen) den ersten Kindergarten (s.d.) begründete, eine Anstalt, in der die Kinder durch planvoll gruppierte Bewegungs- und Geistesspiele, Sprüche, Lieder bei beständiger Berührung mit der Natur ihrem Alter entsprechend allseitig angeregt und angeleitet werden sollten. Die Anstalt wurde 1840 nach Keilhau verlegt. Da der Gedanke Anklang fand, gründete F. in dem ihm von der Sachsen-Meininger Regierung eingeräumten Schloß Marienthal bei Bad Liebenstein ein Seminar für Kindergärtnerinnen. Hart traf ihn das Verbot seiner Kindergärten in Preußen (7. Aug. 1851), das erst 1861 aufgehoben ward, obwohl er nachgewiesen hatte, daß es auf einer Verwechselung seiner Bestrebungen mit denen seines Neffen Karl F. (geb. 1808) beruhte, und daß sein System keineswegs in Widerspruch gegen die christliche Religion stände. Fröbels Anregung zur sorgfältigen Rücksichtnahme auf die geistigen Bedürfnisse der Kinder im zartesten Alter hat sehr segensreich gewirkt. Auch in seinen eignen pädagogischen Versuchen liegt viel Treffliches und Beachtenswertes neben Einseitigem und Verschrobenem. Seine Anhänger, deren Zahl in und außer Deutschland sich in dem Menschenalter nach seinem Tode noch sehr vermehrte, haben an der Klärung seiner Ansichten und zur natürlichern Gestaltung seiner Kindergärten mit unverkennbarem Erfolg gearbeitet. Diese Anstalten unterscheiden sich infolgedessen nicht mehr wesentlich von andern Kleinkinderschulen (s.d.). Die Jubelfeier von Fröbels Geburt 1882 gab seiner Schule neuen Aufschwung. Fröbels pädagogische Schriften wurden herausgegeben von W. Lange (2. Aufl., Berl. 1874) und von Seidel (Wien 1883, 3 Bde.). Vgl. W. Lange, Zum Verständnis Fr. Fröbels (Hamb. 1850); Hanschmann, Friedrich F. (3. Aufl., Dresd. 1900); Goldammer, F. F., der Begründer der Kindergartenerziehung (Berl. 1880); Hagen, F. F. im Kampf um den Kindergarten (aus dessen Briefwechsel, Leipz. 1882); Frau v. Marenholtz-Bülow: Erinnerungen an F. F. (Kassel 1876), Arbeit und neue Erziehung nach Fröbels Methode (Berl. 1866) und Handbuch der Fröbelschen Erziehungslehre (das. 1886, 2 Tle.); Pösche, Fröbels Menschenbildung als System (Hamb. 1862) und Fröbels Kindergartenbriefe (Wien 1886); Reinecke, F. Fröbels Leben und Lehre (Bd. 1, reicht bis 1826; 2. Aufl., Berl. 1895); Julius Fröbel, Ein Lebenslauf (Stuttg. 1890–91, 2 Bde.); Pappenheim, Friedrich F. (Berl. 1893); Müller, Friedr. F. (Halle 1903); A. Hartmann, Fröbels Erziehungsmittel, nach der Konzentrationsidee bearbeitet für Kindergarten und Familie (Leipz. 1903); Kopp, Geschichte der Kleinkinderschule und des Kindergartens (in Schmids »Geschichte der Erziehung«, 5. Bd., 3. Abt., Stuttg. 1902).
2) Julius, Schriftsteller und Politiker, Neffe des vorigen, geb. 16. Juli 1805 in Griesheim bei Stadtilm, gest. 6. Nov. 1893 in Zürich, studierte Erdkunde und Naturwissenschaften, ging, politisch kompromittiert, 1833 nach der Schweiz, wo er an der Industrieschule zu Zürich und auch an der Hochschule (Mineralogie) lehrte. Seit 1838 Bürger im Kanton Zürich, gehörte er bei den Bewegungen von 1839 zu der radikalsten Opposition, redigierte eine Zeitlang den »Schweizerischen Republikaner«, gab 1844 seine Professur auf und widmete sich dem Betrieb des von ihm begründeten »Literarischen Kontors« zu Zürich und Winterthur, als dessen Inhaber er unter anderm die Gedichte von Georg Herwegh, Robert Prutz und Hoffmann von Fallersleben sowie eine Reihe in Deutschland meist verbotener demokratischer Schriften verlegte. Bei einem gelegentlichen Aufenthalt in Preußen von dort ausgewiesen, fand er 1847 in Dresden polizeiliche Duldung, schrieb das mancherorts ausgeführte politische Drama »Die Republikaner«, ward 1848 für Reuß in die Nationalversammlung geschickt, ging mit Robert Blum (s.d. 3) nach Wien, wurde mit diesem verhaftet und zum Tode verurteilt, aber wegen seiner großdeutschen Gesinnung von dem Fürsten Windischgrätz begnadigt. Nachdem er sich an den letzten Schritten der Nationalversammlung beteiligt hatte, ging er im Herbst 1849 nach Amerika und gab in New York eine Zeitung heraus, später (1855) in San Francisco ein Journal. Nach Europa zurückgekehrt (1857), veröffentlichte F.: »Aus Amerika. Erfahrungen, Reisen und Studien« (Leipz. 1857–58, 2 Bde.), war literarisch und politisch für die großdeutsche Sache tätig, gründete in München 1867 die »Süddeutsche Presse«, die er aber nach mehreren Jahren wieder verkaufte. Er trat in den deutschen Reichsdienst, ging als Konsul nach Smyrna und 1876 nach Algier. 1890 trat er in den Ruhestand. Allmählich dem früher liebgewonnenen Föderalismus entfremdet, war er seit der Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches ein entschiedener Vertreter der Reichsinteressen. Die bedeutendsten seiner politischen Flugschriften erschienen gesammelt u. d. T.: »Kleine politische Schriften« (Stuttg. 1866, 2 Bde.). Von seinen größern Schriften erwähnen wir noch: »System der sozialen Politik« (2. Aufl., Mannh. 1847, 2 Bde.); »Theorie der Politik« (Wien 1861–64, 2 Bde., unvollendet); »Die Wirtschaft des Menschengeschlechts auf dem Standpunkt der Einheit idealer und realer Interessen« (Leipz. 1870–76, 3 Bde.); »Die Gesichtspunkte und Aufgaben der Politik« (das. 1878) und seine Memoiren: »Ein Lebenslauf. Aufzeichnungen, Erinnerungen und Bekenntnisse« (Stuttg. 1890–91, 2 Bde.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.