- Bronchialkatarrh
Bronchialkatarrh (griech., Bronchitis), Erkrankung der Bronchialschleimhaut, bei der vermehrtes schleimiges oder schleimig-eiteriges Sekret auf die Schleimhautoberfläche abgesondert wird. B. tritt am häufigsten im Kindesalter (Zahndurchbruch) und bei Greisen auf und ist bei letztern sehr hartnäckig. Der epidemische B. heißt Grippe (s.d.). Schlecht genährte Individuen von schlaffer Konstitution, namentlich Kinder mit Skrofulose und Rachitis, erkranken viel leichter als kräftige und gut genährte. Individuen, die bereits öfter an B. gelitten haben, und Leute mit chronischen Affektionen der Lungen zeigen gesteigerte Disposition für B. Verzärtelung des Körpers steigert, Abhärtung vermindert die Neigung zum B. Veranlassende Ursache des Bronchialkatarrhs ist vielleicht am häufigsten Erkältung, Einwirkung plötzlichen Temperaturwechsels auf die äußere Haut, ferner Staub, Rauch und scharfe Dämpfe, durch zu kalte und zu heiße Luft (Steinhauer, Müller, Bäcker), durch vermehrten Zufluß und namentlich durch verhinderten Abfluß des Blutes aus den Lungen und Bronchien (Herzkranke, Lungenemphysem, chronische Lungenentzündungen). B. ist auch Teilerscheinung und Symptom von Masern, Typhus, Pocken. Beim B. ist die Schleimhaut der erkrankten Luftröhrenäste blutreich, gerötet und geschwollen; die schleimige oder eiterige Absonderung wird unter Husten ausgeworfen oder in den Bronchien zurückgehalten. Die Entzündung der Bronchien bedingt eine Erschlaffung ihrer Wand. Dadurch entstehen Erweiterungen der Bronchien (Bronchiektasie, s.d.). Bei spärlichem und sehr zähem Schleim wird nur wenig ausgehustet (trockner Katarrh). Die Symptome sind verschieden, je nach der Ausbreitung des Katarrhs über die gröbern oder die feinern Bronchien und je nach dem Alter des Individuums.
Akuter B. ist häufig mit Schnupfen, Stirnkopfschmerz, Katarrh der Augen und des Kehlkopfes verbunden. Je verbreiteter und intensiver er ist, um so leichter gesellt sich ein fieberhafter Zustand hinzu mit Frösteln, brennender Hitze, Abgeschlagenheit und Schmerzhaftigkeit der Glieder, Verlust des Appetits (Katarrhfieber). Bei Kindern können Delirien und Krämpfe auftreten. Befällt der Katarrh nur die größern Bronchien und die Luftröhre, so ist stets ein Gefühl von Wundsein auf der Brust sowie Husten vorhanden, durch den anfangs glasige und zähe, später gelbliche und trübe Massen ausgeworfen werden. Der akute B. endet meist nach längerer Zeit in Genesung. Gefährdet sind eigentlich nur Greise oder sehr geschwächte Kranke, bei denen leicht Lungenentzündungen sich aus dem B. entwickeln. Bei kleinen Kindern ist der akute Katarrh der feinern Bronchien (Bronchitis capillaris) stets lebensgefährlich, da die seinen Luftöhrenäste durch die schwellende Schleimhaut und durch den auf sie abgesonderten Schleim größtenteils ganz verstopft werden und nun eine gewöhnliche doppelseitige Lungenentzündung folgt (Bronchopneumonie, Streifenpneumonie). Chronischer B. entwickelt sich fast immer aus häufig wiederholten und verschleppten Katarrhen, die sich jedes Frühjahr und jeden Herbst einstellen, und ist sehr beschwerlich, wenn auf der kranken Schleimhaut wenig grauer und sehr zäher Schleim abgesondert wird (trockner B.). Der trockne, erfolglose Husten tritt dann in heftigen Anfällen auf, wobei sich das Gesicht dunkelrot färbt und die Patienten das Gefühl haben, als wollte ihnen der Kopf zerspringen. Häufig ist auch dauernde Atemnot, die sich bis zur Erstickungsgefahr steigern kann. Im Gefolge des chronischen Bronchialkatarrhs entwickelt sich sehr gewöhnlich Lungenemphysem (s.d.). Der chronische B. gefährdet zwar im allgemeinen das Leben nicht, aber er ist auch sehr selten heilbar, obschon zeitweilig bedeutende Verminderung der Beschwerden beobachtet wird. Bei einer gewöhnlich mit Bronchiektasie verbundenen Form werden große Massen schleimig-eiterigen Auswurfs ohne größere Beschwerde ausgehustet (Blennorrhöe der Bronchialschleimhaut, Bronchorrhöe, Brustverschleimung). Die Kranken ertragen diesen Zustand meist gut und werden oft alt dabei. Doch wird der Auswurf zuweilen höchst übelriechend (putride Bronchitis), und wenn die faulige Zersetzung des Auswurfs auf die Lunge übergreift, so kann sie Lungenbrand verursachen. Durch Abhärtung und Vermeidung der oben erwähnten sonstigen Ursachen kann man sich bis zu einem gewissen Grade gegen B. schützen. Bei einmal ausgebrochener Erkrankung empfehlen sich für kräftige Erwachsene Schwitzprozeduren, Brustumschläge, für Kinder namentlich warme Bäder mit kühlen Übergießungen, um ausgiebige Atmung zu erzwingen. Außerdem pflegt man lösende, den Auswurf befördernde Mittel (Expektorantien), bei quälendem Zustand auch wohl narkotische Mittel (Morphium, Opium) anzuwenden. Der chronische B. ist gewöhnlich im Winter lästiger, darum schickt man solche Kranke gern in ein milderes Klima. Im Sommer befinden sich solche Kranke an der See oder an gut geschützten Plätzen, z. B. Baden-Baden, Soden, am wohlsten.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.