Sachsen [5]

Sachsen [5]

Sachsen, preuß. Provinz (hierzu Karte »Provinz Sachsen«), neben Hannover unter allen Provinzen des Königreichs die am wenigsten arrondierte, grenzt im N. an Hannover und Brandenburg, im O. an Brandenburg und Schlesien, im Süden an das Königreich S. und die thüringischen Staaten und im W. an Hessen-Nassau, Hannover und Braunschweig. Getrennt von der Provinz sind die Kreise Schleusingen auf dem Thüringer Wald und Ziegenrück an der obern Saale, während innerhalb ihrer Grenzen Teile der thüringischen Staaten und von Braunschweig liegen und das Herzogtum Anhalt den Regbez. Magdeburg fast ganz von dem übrigen Teile der Provinz scheidet. Die Provinz besteht aus dem rechts von der Elbe gelegenen Teil des ehemaligen Herzogtums Magdeburg, einigen 1815 vom Königreich S. abgetretenen Landesteilen, ferner aus den 1815 wieder in Besitz genommenen Ländern im nieder- und obersächsischen Kreis, nämlich der Altmark mit Wernigerode, dem links der Elbe gelegenen Teil des Herzogtums Magdeburg (mit einem Anteil der Grafschaft Mansfeld), den Fürstentümern Halberstadt (mit einem Anteil der Grafschaft Hohenstein), Eichsfeld (größtenteils) und Erfurt (soweit es nicht an Sachsen-Weimar abgetreten ward), dem Stiftsgebiet Quedlinburg, den Städten Nordhausen, Mühlhausen etc. Der Flächenraum der Provinz beträgt 25,258 qkm (458,72 QM.).

[Bodenbeschaffenheit. Klima.] Die größere Hälfte des Landes gehört dem Norddeutschen Tiefland an und zeigt einen Wechsel zwischen Hügelplatten, Mooren und Niederungen. Unter den Mooren sind auf der linken Elbseite der Drömling an der Aller und Ohre und das Halberstädter Bruch zwischen Bode und Ocker, auf der rechten Elbseite das Fiener Bruch im Süden von Genthin hervorzuheben. Auf der rechten Elbseite gehört ein Teil des Fläming hierher; auf der Platte der Altmark sind die Hellberge (160 m) bei Zichtau in der sogen. Altmärkischen Schweiz und der Landsberg südwestlich von Stendal (139 m) die höchsten Punkte. Weiter südwärts treten mehrere Hügelreihen hervor, unter ihnen der Huywald (311 m) nördlich von Halberstadt. Vom Harz gehören hierher der Brocken (1142 m), die Roßtrappe und der Auerberg mit der Josephshöhe (576 m), von seinen nördlichen Vorbergen in einer Enklave der Regenstein (295 m) und im SO. das Gebiet der kupferreichen Zechstein formationen von Mansfeld. Zwischen Mulde und Saale und nördlich von der Weißen Elster liegt der Petersberg (241 m). Im Süden des Harzes bildet das Tal der Helme (die Goldene Aue) die Grenze gegen die Terrasse von Thüringen. Auf derselben sind innerhalb der Provinz das Plateau des Eichsfeldes mit dem Ohmgebirge (523 m) und der Berglandschaft an der Werra (Goburg 566 m), von welcher der Hainich nach SO. in das Eisenachische zieht, ferner der Dünn (500 m) und die Hainleite, die südöstlich zur Unstrut zieht und sich jenseit des Unstruttales als Schmücke (384 m) fortsetzt, von der sich der Höhenzug der Finne (361 m) südöstlich zur Saale bei Kösen zieht. Vom Thüringer Wald liegt ein Teil der Zentralregion (Finsterberg 946 m) im Kreise Schleusingen. Der Hauptfluß der Provinz ist die Elbe. Rechts nimmt sie in der Provinz die Schwarze Elster, die Ehle, Ihle und Havel auf; links die Mulde, Saale (mit Ilm, Unstrut, Weißer Elster mit Pleiße, Bode), Ohre, Tanger und Aland. Die Gewässer an der äußersten Süd- und Westseite fließen der Weser zu, z. B. die Werra, die nur die Provinz berührt, Leine, Aller und Ilse. Uner den Kanälen ist der Plauesche Kanal zwischen Elbe und Havel der wichtigste. Wenige Seen sind von Bedeutung, so einige an der Havel auf der brandenburgischen Grenze, der Arendsee in der Altmark und der Süße See bei Eisleben. Das Klima ist am mildesten an der Saale und Elbe im Regbez. Merseburg, am rauhesten auf den Gebirgen. Die jährliche Durchschnittswärme beträgt in Halle 8,95, Wernigerode 8,21, auf dem Brocken 3,83, in Heiligenstadt 7,90, Erfurt 8,28 und Ziegenrück 7,43°; die jährliche Regenmenge auf dem Harz 120–167, an der Elbe und Saale 40–50, auf dem Eichsfeld 40–60 cm.

[Bevölkerung, Erwerbszweige.] Die Zahl der Einwohner beläuft sich (1905) auf 2,979,221 Seelen, darunter 2,730,098 Evangelische, 230,860 Katholiken und 8050 Juden (118 Einw. auf 1 qkm). Von der Gesamtfläche der Provinz entfallen nach der Aufnahme von 1900: 60,6 Proz. auf Ackerland und Gärten, 8,4 auf Wiesen, 2,7 auf Weiden und 21,2 Proz. auf Waldungen. In der Bodenfruchtbarkeit nimmt S. die erste Stelle unter den preußischen Provinzen ein. Gering ist dieselbe nur in den Kreisen östlich von der Elbe, an der Mulde und in der Altmark, wo der Sandboden vorherrschend ist, sodann auf den höchsten Teilen der Berglandschaften. Ganz besonders fruchtbar ist die Landschaft zwischen Magdeburg, Zeitz und Erfurt (Magdeburger Börde zwischen Magdeburg und der Saale). Dieses Gebiet ist auch nebst den angrenzenden Teilen von Anhalt und Braunschweig der Hauptsitz des Zuckerrübenbaues und der Zuckerfabrikation im Deutschen Reiche (s. unten). Getreide wird im Überfluß gewonnen, für Gemüse und Blumen sind Erfurt und Quedlinburg wichtige Orte; Hopfen wird in der Altmark, Zichorie bei Magdeburg, die Weinrebe an der Saale bei Naumburg gebaut. Außerdem erzeugt man an einigen Orten Tabak, Gewürz- und Farbepflanzen, Mohn, Flachs, Ölgewächse etc. Ansehnliche Waldungen gibt es auf den hierher gehörigen Teilen des Harzes und des Thüringer Waldes, an der Mulde (die Dübensche Heide), im O. von der Elbe (Annaburger Heide) und in der Altmark (Letzlinger Heide). Nach der Viehzählung von 1906 gab es in der Provinz 219333 Pferde, 817,391 Stück Rindvieh, 693,649 Schafe, 1,562,610 Schweine u. (1904) 281,029 Ziegen. Für die Förderung der Pferdezucht besteht ein Hauptgestüt in Graditz bei Torgau (das sächsische Landgestüt ist außerhalb der Provinz in Lindenau bei Neustadt an der Dosse) und das Gestüt in Kreuz-Kröllwitz bei Halle. Die Rindviehzucht befindet sich in blühendem Zustand; unter den Schafen überwiegen die mit grober Wolle. Wild gibt es in den größern Waldungen in Menge; vereinzelt kommt in der Elbe noch der Biber vor. Der Bergbau lieferte 1905: 20,250,184 Ton. Braunkohlen im Werte von 48 Mill. Mk., 327,570 T. Steinsalz im Werte von 1,4 Mill. Mk., 1,006,741 T. Kainit im Werte von 13,4 Mill. Mk., 1,123,742 T. andre Kalisalze im Werte von 10,6 Mill. Mk., 115,355 T. Eisenerze im Werte von 0,4 Mill. Mk., 701,281 T. Kupfererze im Werte von 21,9 Mill. Mk., 108,900 T. Kochsalz im Werte von 2,3 Mill. Mk. und 159,503 T. Chlorkalium im Werte von 18,4 Mill. Mk. Die Braunkohlenlager erstrecken sich von Oschersleben über Kalbe bis Weißenfels in fast zusammenhängender Linie; außerdem finden sich dieselben noch bei Aschersleben, Bitterfeld, Wittenberg etc. Das Steinsalzlager in Staßfurt hat durch die große Ablagerung der Kalisalze eine europäische Bedeutung erhalten und zahlreiche Fabriken zur Darstellung von künstlichem Dünger erstehen lassen. Ein zweites Steinsalzlager wird in Ilversgehofen bei Erfurt abgebaut. Salinen gibt es in Schönebeck, Dürrenberg, Artern und Halle. Daneben besteht auch eine bedeutende Fabriktätigkeit, die sich jedoch, mit Ausnahme der Zuckerfabrikation (1905/06: 108 Fabriken und 9 Raffinerien) in der oben angeführten fruchtbaren Landschaft und der Zeugweberei auf dem Eichsfeld, mehr auf die Städte und deren nächste Umgebung beschränkt. Es gibt Fabriken für Tuch (Burg, Aschersleben, Eilenburg, Langensalza), Woll- und Baumwollwaren (Nordhausen, Mühlhausen), Zichorie, Maschinen (Buckau), Nähmaschinen, Chemikalien (Staßfurt, Schönebeck), Mineralöl (Aschersleben, Kreis Weißenfels), Zigarren, Tonwaren, Eisenbahnwagen, Dachpappe, Schaumwein, Gewehre (Erfurt, Sömmerda, Suhl), Leinwand, Stärke, Leder, Schuhwaren, Kornbranntwein (Nordhausen) etc., auch bedeutende Schiffswerften in Buckau. Der Handel wird gefördert durch die schiffbaren Flüsse Elbe, Saale, Unstrut und Werra, den Plaueschen Kanal, zahlreiche Kunststraßen und ein namhaftes Eisenbahnnetz, in dem Magdeburg und Halle die Hauptknotenpunkte sind. Ende 1904 hatte die Provinz 2810,1 km Haupt- und Nebenbahnen, die als vollspurige Bahnen mit Ausnahme von 164,9 km Staatsbahn lin ien waren. Die Länge der Straßenbahnen belief sich auf 146,8 km, die der nebenbahnähnlichen Kleinbahnen auf 600,8 km. Handelskammern sind in Erfurt, Halberstadt, Halle, Magdeburg, Mühlhausen und Nordhausen errichtet.

Für Hebung und Pflege der geistigen Kultur bestehen folgende Unterrichtsanstalten: eine Universität in Halle, ein Predigerseminar in Wittenberg, 27 Gymnasien, 7 Realgymnasien, 11 Oberrealschulen, ein Progymnasium, ein Realprogymnasium, 8 Realschulen, eine Handelsfachschule, 12 Schullehrerseminare (11 evangelische, ein katholisches), ein Lehrerinnenseminar, 5 Taubstummenanstalten, eine Blindenanstalt etc. In administrativer Beziehung wird die Provinz in 3 Regierungsbezirke geteilt: Magdeburg mit 17, Merseburg mit 19 und Erfurt mit 12 Kreisen; unter den Kreisen sind 9 Stadtkreise (Magdeburg, Halberstadt, Aschersleben, Halle, Weißenfels, Zeitz, Erfurt, Mühlhausen und Nordhausen). Für die Justizverwaltung bestehen ein Oberlandesgericht (Naumburg) und 8 Landgerichte (s. Textbeilage »Die Gerichtsorganisation im Deutschen Reich« im 7. Bd.). In den deutschen Reichstag entsendet die Provinz 20 (s. Karte »Reichstagswahlen«), in das preußische Abgeordnetenhaus 38 Vertreter. In militärischer Hinsicht bildet S. den größten Teil des Bezirks des 4. Armeekorps; Festung ist Magdeburg. Die politische und militärische Hauptstadt ist Magdeburg, wo das Oberpräsidium, Konsistorium, Provinzialschulkollegium und die Provinzialsteuerdirektion ihren Sitz haben; dagegen haben die Provinzialverwaltung und der Provinziallandtag ihren Sitz in Merseburg. Daselbst besteht auch eine Generalkommission (zugleich für Anhalt, Sachsen-Meiningen und die schwarzburgischen Fürstentümer), während die Bergwerksangelegenheiten vom Oberbergamt in Halle (zugleich für die Provinzen Brandenburg und Pommern) ressortieren. Oberpost- und Eisenbahndirektionen sind in Magdeburg, Halle und Erfurt. Das Wappen der Provinz S. ist ein von Gold und Schwarz zehnfach quergestreifter Schild, darüber schrägrechts ein grüner Rautenkranz (s. Tafel »Preußische Provinzwappen« im 16. Bd.). Provinzialfarben sind Schwarz und Gelb. Vgl. »Handbuch der Provinz S.« (Magdeb. 1900); Beiche, Die Provinz S. und ihr Boden (Delitzsch 1874); »Gemeindelexikon der Provinz S.« (hrsg. vom königlichen Statistischen Bureau, Berl. 1898) und »Viehstands- und Obstbaumlexikon« (das. 1903); Todtenhof, Die Wohnplätze der Provinz S. (Halle 1882); »Die Provinz S. in Wort und Bild« (Berl. u. Leipz, 1900–02, 2 Bde.); v. Mendel-Steinfels, 50 Jahre der Landwirtschaft der Provinz S (Berl. 1894); Kirstein und Haake, Handbuch des Grundbesitzes der Provinz S. (4. Aufl., das. 1907); Söchting, Das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen in der Provinz S. (Halle 1906); »Geschichtsquellen der Provinz S. und angrenzenden Gebiete« (das. 1870 ff.); »Beschreibende Darstellung der ältern Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz S.« (hrsg. von der historischen Kommission etc., das. 1879 ff.); Jacobs, Geschichte der in der preußischen Provinz S. vereinigten Gebiete (Gotha 1884); »Vorgeschichtliche Altertümer der Provinz S.« (Halle 1883–92); »Archiv für Landes- und Volkskunde der Provinz S.« (das. 1891 ff.); »Neujahrsblätter, herausgegeben von der historischen Kommission der Provinz S.« (das. 1877 ff.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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