- Predigerseminar
Predigerseminar, evangelisch-kirchliche Anstalt, in der Kandidaten (s. d.) des geistlichen Amtes in den Pastoralwissenschaften weiter ausgebildet und in deren praktischer Anwendung geübt werden. Zwar empfangen die jungen Theologen auch in diesen Fächern die erste Anweisung schon auf der Universität und werden dort durch die sogen. homiletischen, katechetischen und liturgischen Seminare, in denen sie unter Leitung eines Professors im Predigen, Katechisieren und kirchlichen Gesange sich üben, auch schon in die Praxis eingeführt. Doch hat man in der Erkenntnis, daß diese Übungen den Eintritt in das geistliche Amt nicht hinreichend vorbereiten können, noch auf besondere Veranstaltungen Bedacht genommen, die zwar auch das wissenschaftliche Studium vertiefen, in erster Linie aber der praktischen Ausbildung dienen sollen: das Vikariat (s. d.) und die Predigerseminare. Von letztern stehen nur wenige, z. B. das P. in Heidelberg und Leipzig, mit der Universität noch in einiger Verbindung; durchweg sind sie rein kirchliche Anstalten. Ihre Einrichtung ist sehr verschieden. Teils sind sie für alle, teils nur für besonders tüchtige Kandidaten bestimmt (Eliteanstalten); teils für Kandidaten, die nur die erste (wissenschaftliche), teils für solche, die schon die zweite (Amts-) Prüfung bestanden haben; teils hat man die Seminare in die Großstadt, teils in die ländliche Einsamkeit gelegt; teils stehen sie direkt unter der Leitung der kirchlichen Behörde, teils unter der speziellen Leitung eines Studiendirektors. Außer den schon genannten sind die wichtigsten Anstalten: das Hospiz des Klosters Lokkum (Hannover), das älteste P. unter den heute bestehenden, das Domkandidatenstift in Berlin, die Predigerseminare in Wittenberg, Herborn (Nassau), Friedberg (Hessen), Wolfenbüttel (ehemals in Riddagshausen), Erichsburg (bis 1891 in Hannover), Soest, Hofgeismar, Preetz, Naumburg a. d. Queis, Dembowalonka (Westpreußen). In Preußen besteht die Absicht, mindestens für jede Provinz ein P. zu begründen Eigentümlich ist die Einrichtung in Württemberg, wo schon seit dem 16. Jahrh. die Klosterschulen (seit 1806 Niedere Seminare genannt) zu Maulbronn, Urach, Blaubeuren und Schönthal die künftigen Theologen heranbilden, die dann während der Universitätszeit in dem großen theologischen Stift oder P. zu Tübingen unter Leitung eigens angestellter Repetenten die theologische Berufsbildung sich aneignen. Ähnlich ist schon seit 1595 in Straßburg mit der theologischen Fakultät das Collegium Wilhelmitanum als Seminarium ecclesiae et scholae verbunden. Wesentlich verschieden ist die Aufgabe und Einrichtung der Priesterseminare (s. d.) in der römisch-katholischen Kirche. Vgl. Schenkel, Die Bildung der evangelischen Theologen für den praktischen Kirchendienst (Heidelb. 1863); Eichhorn, Das evangelische P. (Leipz. 1888).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.