Rieger

Rieger

Rieger, 1) Philipp Friedrich von, württemberg. General, geb. 1. Okt. 1722 in Stuttgart, gest. 15. Mai 1782, studierte die Rechte, trat als Auditeur in preußische Dienste, kehrte nach Württemberg zurück, wurde 1755 Hauptmann und Regimentsquartiermeister, 1757 Major und 1760 Oberst. R. wußte sich bei Herzog Karl Eugen (s. Karl 81) einzuschmeicheln und wurde dessen Günstling. Als der Herzog 1757, um am Siebenjährigen Kriege teilzunehmen, Truppen brauchte, preßte sie R. mit rücksichtsloser Gewalt und beschaffte auch das erforderliche Geld. Von dem eifersüchtigen Premierminister Grafen Montmartin landesverräterischer Verbindung mit Preußen beschuldigt, wurde er 28. Nov. 1762 in Stuttgart vom Herzog selbst, der ihm seine Orden abriß, degradiert und auf dem Hohentwiel im Kerker gehalten, bis er 1766 auf Verwendung der Stände freikam. 1775 nahm ihn der Herzog wieder in Dienst und ernannte ihn 1776 zum General und Kommandanten von Hohenasperg, wo R. die Gefangenen, z. B. Schubart, grausam quälte. Schiller, dessen Pate er war, hat sein Geschick in der Erzählung »Spiel des Schicksals« in freier Behandlung wiedergegeben.

2) Franz Ladislaus, tschech. Parteiführer, geb. 10. Dez. 1818 zu Semil im Kreis Gitschin, gest. 3. März 1903 in Prag, studierte in Prag die Rechte, stand daselbst in Beziehung zu den bedeutendsten literarischen und politischen Persönlichkeiten, unternahm wiederholt Reisen in Österreich und auch ins Ausland und wurde im April 1848, eben von Italien nach Wien zurückgekehrt, unmittelbar in das politische Leben hineingezogen und allsogleich einer der Führer der tschechischen Bewegung in Böhmen. Von sieben Bezirken in den österreichischen Reichstag gewählt, erwies sich R. als einer der begabtesten Wortführer der slawischen Partei, mußte 6. Okt. aus Wien fliehen, nahm aber dann an den Verhandlungen in Kremsier, wohin der Reichstag verlegt wurde, lebhaften Anteil. Nach dessen Auflösung begab sich R. im April 1849 nach Paris, 1850 nach London und kehrte 1851 nach Prag zurück. Er beschäftigte sich zunächst mit literarischen Arbeiten, vermählte sich 1853 mit einer Tochter Palackys, rief 1858 die böhmische Nationalenzyklopädie, den »Slovnik naučny« (Prag 1859–74, 11 Bde.), ins Leben und setzte es endlich auch durch, daß in Prag (seit 1. Jan. 1861) ein tschechisch geschriebenes politisches Tageblatt, »Nàrodní listy«, erschien, dessen Redaktion er anfangs selber führte. Als das Oktoberdiplom 1860 die endgültige Konstituierung einer tschechischen Nationalpartei zur Folge hatte, stellte sich R. nebst seinem Schwiegervater Palacky offen an die Spitze derselben. Nachdem 1863 die Tschechen auf Riegers Betrieb beschlossen hatten, den Reichsrat nicht mehr zu beschicken, agitierte er im Verein mit den Ultramontanen und Feudalen unermüdlich für die Wiederherstellung der Selbständigkeit der Wenzelskrone. 1871 leitete er unter dem Ministerium Hohenwart die Verhandlungen mit diesem über eine föderalistische Gestaltung Österreichs. Die Maßlosigkeit seiner Forderungen führte das Scheitern der Verhandlungen herbei. Als die Tschechen 1878 wieder in den Landtag und 1879, nachdem Graf Taaffe das Ministerpräsidium übernommen hatte, in den Reichsrat eintraten, ward R. einer der Führer der regierungsfreundlichen föderalistischen Mehrheit, des »eisernen Ringes«, und das unbestrittene Parteihaupt der alttschechischen Fraktion. Als solches erhielt er zu seinem 70. Geburtstag 10. Dez. 1888 ein Nationalgeschenk von 100,000 Gulden. Aber seine innigen Beziehungen zum böhmischen Hochadel, seine konservative Haltung, seine Nachgiebigkeit gegen klerikale Aspirationen, wie z. B. in der Schulfrage beim Antrag des Fürsten Liechtenstein (s. Österreichisch-Ungarische Monarchie, S. 203), bewirkten, daß er von der radikalern jungtschechischen Partei bekämpft wurde, die ihm nach seiner Teilnahme an den Ausgleichspunktationen mit den Deutschen in offener Landtagssitzung das Wort »Verräter« zurief. Bei den Reichsratswahlen 1891 verlor R. mit den übrigen Anhängern der alttschechischen Partei sein Mandat; er wurde im März 1897 ins Herrenhaus berufen und bald darauf in den Freiherrenstand erhoben. Obwohl er noch öfters politisch hervortrat und noch 1900 in einem vielbemerkten Brief an einen Parteigänger Gabriel Ugrons, den gewesenen Ministerialsekretär Rimler, die Hilfe des russischen Kaisers gegen die Deutsch-Österreicher herbeiwünschte, war sein Einfluß gebrochen. Seine Beerdigung vom Pantheon des Böhmischen Museums aus gestaltete sich großartig; auch wurde beschlossen, ihm im Pantheon und auf einem öffentlichen Platze Prags Denkmäler zu errichten.

3) Max, Germanist, geb. 8. April 1828 in Darmstadt, habilitierte sich 1853 als Privatdozent an der Universität Gießen, siedelte 1856 nach Basel über und lebt seit 1858 als Privatgelehrter in Darmstadt. Von wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlichte er unter anderm: »Zur Kritik der Nibelunge« (Gieß. 1855); »Alt- und angelsächsisches Lesebuch« (das. 1861); »Die alt- und angelsächsische Verskunst« (in der »Zeitschrift für deutsche Philologie«; Sonderdruck, Halle 1876); »Friedrich Maximilian Klinger. Leben und Werke« (Darmst. 1880–96, 2 Bde.). Auch als Novellist hat er sich betätigt; er schrieb unter dem Pseudonym Utis: »Der falsche Baurat« (Heilbronn 1877) und »Neuer Phantasus« (Leipz. 1887, 2 Bde.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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