- Museumsgebäude
Museumsgebäude (hierzu die Tafel »Museums gebäude I und II«), Gebäude für die planmäßige Sammlung und Schaustellung von Gegenständen der Künste und Wissenschaften. Die geschichtliche Entwickelung der M. geht mit der der Museen (s. d.) Hand in Hand. Zwar hatte man bereits im Altertum, namentlich in der Diadochenzeit und im kaiserlichen Rom, Kunstsammlungen, aber es gab noch keine M. im heutigen Sinne. Dem Mittelalter war seinem ganzen Wesen nach die Einrichtung von Museen völlig fremd.
In der Renaissancezeit lagen die Verhältnisse wieder ähnlich wie im spätern Altertum, obwohl der Umstand, daß jetzt die Reste der antiken, also einer vergangenen Kunst die Gegenstände der Sammlungen bildeten, letztern bereits ein andres Gepräge gab. Die Sammler waren damals meist Fürsten und Fürstengeschlechter; und somit dienten zunächst in der Regel Paläste oder Teile von solchen zur Unterbringung der Kunstschätze. Bekannte Beispiele dafür sind die Uffizien in Florenz, welche die Mediceer 1580 für ihre Sammlungen einrichteten, nachdem sie diese mehr als ein Jahrhundert früher in einem ihrer Paläste neben San Marco untergebracht hatten; ferner, um nur einige der berühmtesten zu nennen, der Louvre in Paris, das Belvedere in Wien, der Zwinger in Dresden, das in dem Montague House untergebrachte British Museum in London und vor allem der Vatikan in Rom. Die Museumsanlagen im letztgenannten Palast bilden den Übergang zu den eigentlichen Museumsgebäuden, denn dort baute Bramante für Julius II. den achteckigen Statuenhof im Belvedere (Textfig. 1) zu dem ausgesprochenen Zweck, antike Bildwerke aufzunehmen; und dem Belvedere fügten spätere Päpste die ausgedehnten Saal- und Galeriebauten des vatikanischen Museums hinzu. Andrer Art, aber ebenfalls ein Gebäude, das einen Übergang von den Palast- oder Gelegenheitsmuseen zu dem eigentlichen M. im heutigen Sinne darstellt, ist das Nationalmuseum (früher Borbonico) in Neapel. Ursprünglich andern Zwecken dienend und 1790 als Museum eingerichtet, nähert es sich in seiner Grundrißanlage (Textfig. 2) schon sehr den modernen Anlagen. Als eine besondere Gebäudegattung kommen diese aber erst mit Beginn des 19. Jahrh. in Ausnahme.
Wie man die Museen ihrer Art nach etwa in Kunstmuseen, Kunstgewerbemuseen, wissenschaftliche Museen, historische und vaterländische Museen und in Museen mit mehreren verschiedenartigen Sammlungen einteilen kann, so auch die M. In der Gesamtanlage sind all diesen Museumsgebäuden gewisse allgemeine Erfordernisse und Grundzüge gemeinsam. Hauptsache sind die Sammlungssäle. Dazu treten Vor- und Verbindungsräume, Studien- und Arbeitszimmer, Verwaltungs- und Geschäftsräume, Dienstwohnungen, Dienerzimmer, Aborte und Garderoben, event. auch Vortragssäle und Büchereien. Bei der Wahl des Bauplatzes wird vornehmlich auf die Möglichkeit guter Lichtzuführung und auf die Anforderungen der Feuersicherheit Rücksicht genommen. Auch wird man das Gebäude gern dem Verkehrsmittelpunkt eines Ortes möglichst nahelegen. Von wesentlichem Einfluß auf die Gestaltung des Grundrisses ist die meist erwünschte Erweiterungsfähigkeit; noch wichtiger die Frage des Systems, nach dem die Sammlung aufzustellen ist, d.h. ob sie in der Hauptsache Schausammlung für das große Publikum oder Studiensammlung für die Gelehrten- und Künstlerwelt sein soll. In letzterm Falle liegt eine Magazinierung nach streng wissenschaftlichen Rücksichten nahe, während in ersterm Falle mehr Wert auf die Gefälligkeit und Übersichtlichkeit der Vorführung in passenden Räumen zu legen ist, wobei man auf große Achsenteilung und Beschränkung der Geschoßzahl bedacht sein muß. Neuerdings ist die Frage aufgetreten, ob die bisher vorherrschende Vereinigung der verschiedenen Sammlungsabteilungen in einem einheitlichen, geschlossenen Gebäude nicht besser durch die Aneinanderreihung verschiedener Baukörper für die einzelnen Hauptteile der Sammlungen ersetzt wird (Agglomerationssystem), wobei auch darauf Rücksicht zu nehmen wäre, daß die Schaugegenstände in ihrem lebendigen Zusammenhange mit der Umgebung, in die sie gehören und der sie entnommen sind, zur Anschauung gebracht werden. Bei neuern Museumsgebäuden, wie bei dem Nationalmuseum in München und dem Landesmuseum in Zürich, ist dieser Weg mit Erfolg betreten (vgl. Tafel I, Fig. 3 und 5; Tafel II, Fig. 8).
Unbeschadet dieser gemeinsamen Gesichtspunkte lassen sich bei den einzelnen Arten von Museumsgebäuden typische Grundformen erkennen. Bei den Kunstmuseen wird es sich zunächst darum handeln, ob das Gebäude nur für eine Kunstgattung oder zur Aufnahme von Werken der bildenden Künste in ihrer Gesamtheit bestimmt ist.
Der erste Fall ist selten. Klassische, zu Vorbildern für zahlreiche spätere Ausführungen gewordene Beispiele sind die ältern Münchener Museen: die Glyptothek und die beiden Pinakotheken. Die 1816–30 von L. v. Klenze erbaute Glyptothek (Tafel I, Fig. 1; Tafel II, Fig. 2) bildet den reinen Typus eines Museumsgebäudes zur Aufnahme von Skulpturen. Der eingeschossige Bau zeigt in schönem Raumwechsel eine Folge von Sälen, die im Geviert um einen Hof gereiht sind, von dem sie ihr hohes Seitenlicht empfangen. Rücksicht auf die Himmelsgegenden war, da es sich um Bildwerke handelt, die unmittelbares Sonnenlicht, auch Reflexlicht vertragen können, nicht zu nehmen. Bei den Bildermuseen spielt diese Rücksicht hingegen eine wesentliche Rolle. Namentlich früher war man geneigt, tunlichst nur Nord- oder Oberlicht bei Gemäldesälen zuzulassen. In neuerer Zeit haben infolge des Hervortretens der Freilichtmalerei die Anschauungen gewechselt. Wie man jetzt im Sonnenlicht und in Südlichträumen malt, läßt man solche Räume auch für die Schaustellung von Bildern zu, ja man verlangt geradezu nach ihnen. Die Alte Pinakothek (Tafel II, Fig. 1), 1826–36 von Klenze erbaut, enthält in ihrem langgestreckten Hauptflügel inmitten eine Reihe größerer Oberlichtsäle und an der Nordseite eine stattliche Zahl von Kabinetten für kleinere Bilder, während die unbrauchbare Südfront mittels einer reichbemalten Loggia architektonisch aufgelöst ist. Enge Verwandtschaft mit diesem Bau zeigen die Bildergalerien in Dresden (G. Semper, 1847–54) und in Kassel. Ältester Vertreter der M. zur Aufnahme von Werken verschiedener Kunstgattungen ist das von Schinkel 1824–28 erbaute Alte Museum in Berlin (Tafel I, Fig. 2; Tafel II, Fig. 4). Es zeigt den später mehrfach, z. B. beim Berliner Neuen Museum (Stüler, 1843–45), bei den Museen in Wien, Weimar, Düsseldorf (Tafel II, Fig. 3), Leipzig (s. Tafel »Leipziger Bauten II«, Fig. 3), Breslau, Amsterdam, Stockholm und auch bei der von der Weltausstellung 1876 herrührenden Kunsthalle in Philadelphia abgewandelten Typus, bei dem um einen größern, häufig kuppelüberdeckten Mittelraum, der in einigen Beispielen die Treppe aufnimmt, in vier Flügeln eine Reihe von Ausstellungsräumen gruppiert ist, bei größern Anlagen unter Aussparung zweier Höfe zu seiten des Mittelraumes, die unter Umständen wieder mit Glas überdeckt und zu Ausstellungszwecken benutzt werden. Die Kunsthalle in Philadelphia ausgenommen, sind diese Gebäude zweigeschossig, wobei der Natur der Sache nach das Untergeschoß den Skulpturen, das Obergeschoß den Gemälden zugewiesen ist. Varianten des Pinakothektypus bilden M. wie das in Schwerin und das Städelsche Institut in Frankfurt a. M., bei denen die Grundform durch angebaute Flügel derart erweitert ist, daß - oder ⊥-Form entsteht. Dem Grundriß der Glyptothek verwandt ist der des Palais des arts in Lille, nur daß dieser Bau zweigeschossig ist und einer Mehrheit von Künsten dient. Eine eigenartige Anordnung zeigt der Palast der schönen Künste in Brüssel, indem er in der Hauptsache dem Schema einer dreischiffigen Emporenbasilika sich anschließt. Kleinere Museen und Privatgalerien pflegen geschlossen rechteckige Grundform mit einer oder zwei Raumreihen zu haben (Privatgalerie in Penarth bei Cardiff, die Layton-Kunstgalerie in Milwaukee und das Museum Broekerhuis in Amsterdam).
Was die Ausbildung der einzelnen Räume anlangt, so ist bei den Skulpturensälen freier Spielraum gegeben. Es kommt dabei in der Hauptsache nur auf die Möglichkeit einer guten Verteilung der Bildwerke und auf die Schaffung ruhiger Hintergründe für diese an. Über die Frage, ob das hohe Seitenlicht ein- oder zweiseitig sein soll, sind die Ansichten geteilt. Die erstere Forderung wird mehr im künstlerischen, die zweite mehr im wissenschaftlichen Interesse erhoben werden. Strengere Anforderungen müssen an die Bildersäle gestellt werden, da bei ihnen die Lichtfrage schwieriger ist. Grundlegende Studien hat in dieser Hinsicht der Maler Ed. Magnus (s. d.) gemacht.
In seinem Aufsatze »Der Entwurf zum Bau eines Kunstmuseums« gibt er einen schematischen Plan (Textfig. 3), in dem die verschieden beleuchteten Räume zu einem einheitlichen Ganzen vereinigt sind. Bemerkenswert ist besonders die Anordnung von Bilderkabinetten in Apsidenform, bei der sich die erwünschte und in Längssälen (Textfig. 4) künstlich herzurichtende Schrägstellung der Scheidewände von selbst ergibt. Praktische Anwendung haben die Magnusschen Vorschläge namentlich in der Berliner Nationalgalerie und in Kassel gefunden.
Bei der Anordnung von Seitenlicht wird für die Fensterbreite ein Drittel der Raumbreite genügen, und die Lichtquelle wird, wie bei den Skulpturen, nicht zu tief heruntergezogen werden dürfen. Für die Oberlichtbeleuchtung sind vielfache Regeln aufgestellt worden: starkes Reflexlicht vom Fußboden und von den Wänden sowie gemischtes und zu ungleich verteiltes Licht müssen vermieden werden. Die Lichtöffnung muß so groß sein, daß die Lichtstrahlen durch sie unter 45° auf die Bildwand fallen können. Die Öffnung in dem äußern Oberlichte muß natürlich
entsprechend größer gehalten werden (Textfig. 5). Günstig wirkt dabei die Deckung des Zenits (Textfig. 6), die wohl auch durch Unterspannen eines Velums oder, wie im Rottmannsaale der Neuen Münchener Pinakothek, durch Einbau eines säulengetragenen, die Lichtquelle für den Beschauer verdeckenden Daches ersetzt wird.
Für künstliche Beleuchtung wird elektrisches Licht gewählt und dieses durch Zerstreuung indirekt und damit dem Tageslicht möglichst ähnlich wirkend gemacht.
Bei den Kunstgewerbemuseen handelt es sich zumeist um die Beschaffung geräumiger Säle und Hallen, in denen die größern und kleinern Gegenstände teils frei, teils in Schaukasten (Vitrinen) in leicht zu verändernder Aufstellungsweise untergebracht werden können. Der Gebäudegrundriß enthält gewöhnlich eine Folge von Sälen, die um einen oder mehrere glasbedeckte Mittelhöfe gruppiert sind. Die Kunstgewerbemuseen in Berlin (Tafel II, Fig. 5) und Wien geben dafür hervorragende Beispiele. Das unter Benutzung der großen Eisenkonstruktion der Weltausstellung von 1851 entstandene South Kensington Museum in London bildet ein besonders bezeichnendes Beispiel der Zusammenordnung großer Hallen für die beliebige, leicht veränderliche Ausstellung der Objekte. Anderseits hat gerade für diese Gattung von Museen die eingangs erwähnte Anpassung des Ausstellungsgegenstandes an den Raum unter Berücksichtigung der Stilfolge Anwendung gefunden. Anlagen dieser Art sind unter Benutzung alter, ursprünglich für andre Zwecke bestimmter Baukomplexe die berühmten Sammlungen von Paris (Cluny) und von Nürnberg (Germanisches Museum) und als vollständige Neubauten die Kunstbewerbemuseen in München (Tafel I, Fig. 3 u. 5, und Kasel II, Fig. 8), Zürich und Reichenberg i. B.
Die bauliche Anordnung der wissenschaftlichen Museen ist vor allem von der Art der Schrankaufstellung abhängig. Am häufigsten werden Doppelschränke (manchmal zweigeschossig) an die Fensterpfeiler gestellt, so daß unter Belassung eines Mittel- oder Seitenganges (je nachdem der Saal ein- oder zweiseitiges Licht hat) Kojen an den Fensterwänden entstehen. In die Mitte der Kojen und Gänge werden wohl auch größere Schaustücke gestellt (Museen für Naturkunde in Brüssel, London, Bern). Parallele Stellung der Schränke, und zwar eines mittlern Doppelschrankes und zweier Seitenschränke in langen galerieartigen, zwischen Höfen liegenden Sälen und damit große Übersichtlichkeit zeigen das Zoologische Museum in Leiden und das Reichsmuseum in Stockholm. Das Licht fällt durch hohe Fenster auf die diesen gegenüberliegenden Schränke. In Stockholm sind statt der Mittelschränke größere Tiere etc. aufgestellt. Ähnlich ist die Anordnung in Oxford (Tafel I, Fig. 4).
Eine dritte Anordnung ist die fischgrätenartige (Museum für Naturkunde in Berlin, Tafel II, Fig. 6). Sie vereinigt die Vorzüge der beiden ersten Arten und vermeidet dabei das bei jenen vorhandene störende Blendlicht. Vorteilhaft sind auch große, durch Oberlicht beleuchtete Säle, bei denen die kleinern Objekte auf rings umlaufenden Wandgalerien, die größern mitten im Raum freistehend oder in Glasschränken, auf Schautischen etc. ausgestellt werden (Zoologisches Institut der Universität Kiel und wissenschaftliche Museen in England, Amsterdam, Kopenhagen, Genua etc.).
Setzen sich die Grundformen aller dieser Gebäude aus mehr oder weniger langgestreckten Flügeln zusammen, die sich um eine beliebige Zahl von Höfen gruppieren, so daß bereits magazinartiges Gepräge entsteht, so nähern sich einzelne wissenschaftliche M., wie z. B. das Naturhistorische Museum in Wien und das Völkermuseum in Berlin (Tafel II, Fig. 7), mehr dem Charakter der Monumentalbauten mit einer Folge schön gestalteter Säle, wie sie die Kunstmuseen aufzuweisen pflegen. Je nachdem die wissenschaftlichen Museen mehr Schausammlungen für das große Publikum oder Studiensammlungen für die gelehrte Welt sind, wird diese oder die mehr magazinartige Anordnungsweise zu wählen sein. Für die neueste Sonderart der wissenschaftlichen Museen, die Museen für Technik und Verkehr, hat sich ein baulicher Typus noch nicht entwickelt. Das in Nürnberg bestehende Verkehrsmuseum ist ein früheres Ausstellungsgebäude, das Berliner Postmuseum ist in einem Verwaltungsgebäude untergebracht. Für ein Bau- und Eisenbahnmuseum in Berlin wird zurzeit der alte Hamburger Bahnhof umgebaut; über das Museum für Wissenschaft und Technik in München s. unten. Vgl. »Baukunde des Architekten«, 2. Bd., 2. Teil (2. Aufl., Berl. 1899); Wagner im »Handbuch der Architektur«, 4. Teil, 6. Halbband, Heft 4 (2. Aufl., Darmst. 1905); die Sammlungen architektonischer Entwürfe etc. von Schinkel (Berl. 1823–40) und L. v. Klenze (Münch. 1831–42); »Zeitschrift für Bauwesen«; »Deutsche Bauzeitung«; »Zentralblatt der Bauverwaltung« etc.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.