Lunge [1]

Lunge [1]

Lunge (Pulmo), das Organ zur Luftatmung bei den Wirbeltieren. (Über die Lungen bei niedern Tieren s. Atmung, S. 53.) Sie entsteht beim Embryo aus einer unpaaren Ausbuchtung des Vorderdarms, die allmählich in zwei Lappen auswächst und mit dem Anfang des Darmes durch einen anfänglich kurzen, später sich verlängernden Kanal (Luftröhre) in Verbindung bleibt. Bei den Fischen wird sie durch die Schwimmblase (s. d.) vertreten, die bei den Lungenfischen auch zum Atmen dient. Eine echte L. findet sich erst bei den Amphibien, und zwar zumal bei den Larven noch im Verein mit Kiemen. Hier besteht sie ähnlich wie bei den Lurchfischen aus zwei einfachen, durch die Luftröhre mit Luft ansüllbaren Säcken, in deren Wandung sich zuführende Gefäße (Lungenarterien) für das der Atmung bedürftige Blut und abführende (Lungenvenen) für das mit Sauerstoff versehene Blut verzweigen. Zur Vergrößerung der Oberfläche dieser Säcke springen auf der Innenseite netzförmig angeordnete Falten vor. Bei vielen Reptilien zerfällt die L. in zahlreiche Abschnitte, von denen jeder durch einen Zweig der Luftröhre versorgt wird. Bei den Säugetieren ist diese Teilung in Lappen und Läppchen außerordentlich weit gediehen. Bei den Vögeln verlängern sich die Lungen weit in den Körper zwischen die Eingeweide hinein, haben aber an diesen Stellen eine sehr dünne Wand und dienen als sogen. Luftsäcke zur Erleichterung des Körpers beim Flug; sie erstrecken sich sogar bis in die Knochen.

Die L. des Menschen (s. Tafel »Eingeweide I«, Fig. 1 u. 2) besteht aus zwei seitlichen Hälften, die in dem von den Rippen umschlossenen Brustraum liegen und das Herz zwischen sich aufnehmen. Beide Lungenhälften sind nicht ganz gleich gebaut, denn die linke ist an ihrer Innenfläche zur Bergung des Herzens tiefer ausgehöhlt, und die rechte zerfällt in drei, die linke nur in zwei größere Abteilungen, sogen. Lungenlappen. Das Volumen der rechten L. ist ungefähr um ein Zehntel größer als das der linken und beträgt im ganzen bei Luftleere 800–1200, bei stärkster Anfüllung mit Luft dagegen bis 9500 ccm Die Oberfläche ist mit dem glatten, dünnen Lungenfell (pleura pulmonalis) überzogen, das einen Teil des Brustfelles (s. d.) bildet. Das Gewebe der L. ist weich, knistert beim Druck und läßt beim Durchschneiden schaumiges (mit Luftbläschen gemengtes) Blut austreten. Junge, gesunde Lungen sind gleichmäßig rot; bei alten Leuten dagegen haben sie schwarze, stecknadelkopf- bis linsengroße Flecke und sehen daher rotgrau bis schwärzlich aus. Das Gewicht der L. bei mäßiger Füllung mit Blut beträgt 1–1,7 kg. Wenn sie mit Luft erfüllt ist, so ist ihr spezifisches Gewicht geringer als das des Wassers (0,34–0,74), sonst größer (1,04–1,06); frische Lungen von Embryonen oder totgebornen Kindern sinken daher, weil sie keine Luft enthalten, im Wasser zu Boden (s. Lungenprobe). In zahlreichen Krankheiten sind größere oder kleinere Stücke der L. vollständig luftleer.

Fig. 1. Eine Bronchie nebst ihren Bläschen. 14mal vergrößert.
Fig. 1. Eine Bronchie nebst ihren Bläschen. 14mal vergrößert.

Der feinere Bau der L. ergibt sich aus der weit durchgeführten Zerlegung in feinste Läppchen von der der Gestalt kleiner Bläschen; in demselben Maß muß die Luftröhre sich in immer zahlreichere Zweige (Bronchien) teilen, an denen alsdann die Bläschen wie die Beeren einer Traube an ihren Stielen sitzen. In derselben Weise aber, wie sich die Luftwege der L. zu einem Baum gestalten, bildet sich aus der Arterie ein Gefäßbaum, der mittels seiner feinsten Haargefäße (Kapillaren) jedes Bläschen umspinnt und hier das Blut mit dem Sauerstoff der Luft in Berührung kommen läßt. Die Haargefäße vereinigen sich dann zu einem andern, venösen Gefäßbaum, der das sauerstoffreiche Blut aus den Lungen herausführt. Auch die Nerven, Lymphgefäße und die Gefäße zur Ernährung der L. selbst sind im wesentlichen baumförmig verzweigt. Im Vergleich mit diesen äußerst zahlreichen Gebilden, die sich vielfach kreuzen oder übereinander hinlaufen, ist das noch übrige Gewebe der L. sehr geringfügig und besteht nur aus Bindegewebsbalken und -Bälkchen zur Stütze der genannten Röhren. Von den zwei Endästen der Luftröhre, den Bronchen (bronchi, s. Tafel »Kehlkopf«, Fig. 8), teilt sich der rechte in drei, der linke in zwei Zweige für ebenso viele Hauptlappen der L. Die immer seiner werdenden Verzweigungen (Bronchien, bronchia) verlieren von den Bestandteilen ihrer Wandung die Knorpel und zum Teil auch die elastischen und Muskelfasern; sie sind innen von einer seinen Schleimhaut mit Flimmerzellen ausgekleidet und enden in Haufen von Bläschen (Lungenbläschen, Alveolen, alveoli pulmonales; vgl. Textfigur 1: a Bronchie, b einzelnes, c Hause von Bläschen). Diese selbst, etwa 0,2 mm groß, durch gegenseitigen Druck vieleckig und mit ihren Nachbarn durch Bindegewebe verbunden, haben auf ihrer Innenfläche eine sehr dünne Zellschicht, unter der sich die Kapillargefäße hinziehen. Fig. 2 zeigt in 2001acher Vergrößerung bei C den Aufbau dreier Lungenbläschen durch elastische Fasern ee. Das respiratorische Epithel a ist zum Teil gekörnelt. Bei A sieht man die Lungenkapillaren in Verbindung mit dem Epithel, welches allein die kaum wahrnehmbare Grenze zwischen Luft als äußerst dünne Kapillarwand bildet. B zeigt das engmoschige Kapillarnetz c, welches Lungenarterie l und Lungenvene v verbindet. Auf diese Weise ist der Gasaustausch zwischen Blut und der eingeatmeten Luft durch die beiden äußerst seinen Wandungen des Kapillargefäßes und des Lungenbläschens ermöglicht. Das Blut zur Ernährung der L. mittels der sogen. Bronchialarterien kommt aus dem großen Kreislauf (zum Teil aus der Aorta) und geht mittels der Bronchialvenen wieder zurück. Lymphgefäße und -Drüsen (Bronchialdrüsen) sind zahlreich. Die Nerven stammen aus dem sogen. Lungengeflecht und rühren vom Vagus und Sympathikus her; ersterer scheint den chemischen Prozessen in der L. und ihrer Empfindlichkeit vorzustehen, letzterer bei der Ernährung beteiligt zu sein. Die Empfindlichkeit des Lungengewebes ist so gering, daß selbst weit ausgedehnte Zerstörungen desselben ohne stärkern Schmerz stattfinden. Das oben erwähnte Flimmerepithel in den Luftwegen (L., Luftröhre, Kehlkopf) schafft durch das Schlagen seiner Wimpern in der Richtung von innen nach außen feinste Fremdkörperchen langsam wieder aus der L. fort.

Fig. 2. Idealer Durchschnitt durch die Lunge. 200fach vergrößert.
Fig. 2. Idealer Durchschnitt durch die Lunge. 200fach vergrößert.

Die L. ist im Verhältnis zu den andern Organen des Körpers ungemein häufig Erkrankungen ausgesetzt. Am häufigsten treten die verschiedenen Formen der Lungenentzündung sowie Lungenschwindsucht auf, welch letztere mehr Opfer fordert als irgend eine andre Krankheit. Lungenemphysem bildet eine der gewöhnlichsten Ursachen des Asthmas, während krampfhafter Verschluß der feinern Luftröhrenäste das nervöse Asthma bedingt. Unter gewissen Verhältnissen entstehen Lungenabszesse und Lungenbrand, welch letzterer größere Teile des Lungengewebes zum Absterben bringt. Funktionsunfähig wird die L. auch, wenn die Lungenbläschen zusammenfallen und luftleer werden, oder wenn sie sich mit einer Flüssigkeit füllen, wie bei dem Lungenödem, das oft als direkte Todesursache auftritt. Einatmung von Staub bedingt schwere Schädigungen der L., auch wird sie von Krebs, Sarkom, Syphilis und Echinokokkus befallen. Vgl. Fränkel, Pathologie und Therapie der Krankheiten der Respirationsorgane, Bd. 1: Diagnostik und allgemeine Symptomatologie; Bd. 2: Spezielle Pathologie und Therapie der Lungenkrankheiten (Wien 1890 und 1904); Garrè und Quincke, Grundriß der Lungenchirurgie (Jena 1903); Tendeloo, Studien über die Ursachen der Lungenkrankheiten (Wiesbad. 1902, 2 Tle.).

Auch bei allen Haustierarten kommen Lungenkrankheiten vor. Eine ansteckende kruppöse Lungenentzündung ist die Brustseuche der Pferde und die Lungenseuche der Rinder. Von Infektionskrankheiten befallen die Lungen der Rotz bei Pferden, die Tuberkulose bei Rindern und Schweinen, die Schweineseuche, die Wildseuche. Die Hundestaupe hat häufig katarrhalische Lungenentzündung im Gefolge, ebenso die Druse eiterige Lungenentzündung bei Pferden. Eine mykotische Lungenentzündung (durch Schimmelpilze bedingt) kommt namentlich beim Geflügel, aber auch bei Säugetieren vor. Bei Wiederkäuern und Schweinen ist die L. sehr häufig Sitz tierischer Schmarotzer (s. Lungenwurmkrankheit und Echinokokkenkrankheit). Bei allen Tieren finden sich Geschwülste, auch bösartige, in der L. Katzen neigen zu jauchiger Lungenentzündung, die auch beim Pferde häufig nach gewaltsamem Eingeben flüssiger Arzneien entsteht, wobei das Pferd sich leicht verschluckt (Schluck- oder Fremdkörper-Pneumonie). Pferde erkranken infolge ihrer Tätigkeit (Erkältung) oft an katarrhalischer Lungenentzündung, die auch bei Ziegen häufig ist. Bei Rindern wird die L. oft bei der Herzbeutel-Zwerchfellentzündung in Mitleidenschaft gezogen. Chronische Veränderungen liegen der Lungendämpfigkeit der Pferde zugrunde (s. Dämpfigkeit).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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  • Lunge — Lunge, v. t. To cause to go round in a ring, as a horse, while holding his halter. Thackeray. [1913 Webster] …   The Collaborative International Dictionary of English

  • Lunge — Lunge, n. (Zo[ o]l.) Same as {Namaycush}. [1913 Webster] …   The Collaborative International Dictionary of English

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