- Lotterie
Lotterie (franz. loterie. von lot, »Los«), ein Glücksspiel, das in einzelnen Ländern nur vom Staate selbst, in andern wenigstens unter Aussicht desselben veranstaltet wird, und bei dem man durch die Zahlung eines Einsatzes die Aussicht auf einen Gewinn erwirbt. Man unterscheidet zwei Arten dieses Spiels: die alte holländische oder Klassenlotterie (auch schlechthin L. genannt) und die genuesische oder Zahlenlotterie (Lotto). Bei der Klassenlotterie ist die Anzahl und Größe sowohl der Einsätze (Lose) als auch der Gewinne planmäßig festgestellt (Ziehungsplan). Um dem Publikum die Teilnahme zu erleichtern, werden nicht nur neben den ganzen Losen auch halbe, Viertel- und Achtellose (so in Preußen, in Sachsen auch Zehntel) ausgegeben, sondern es wird auch die Ziehung aller zusammengehörigen Lose in mehrere Zeitabschnitte verlegt, so daß der Spieler den Betrag seines Loses ratenweise für jede Ziehung (Klasse) entrichten kann, ohne jedoch zur Fortsetzung des Spiels bis aus Ende gezwungen zu sein. Oft wird ihm, wenn sein Los in der ersten Ziehung herauskommt, ein Freilos für die nächste gegeben. Die nicht untergebrachten Lose spielen auf Rechnung der Unternehmer. In den auf bestimmte Tage festgesetzten Ziehungen werden sämtliche Nummern in ein Glücksrad, die Gewinne in ein andres Glücksrad getan. Nun wird zu gleicher Zeit, gewöhnlich von zwei Waisenknaben mit verbundenen Augen, von dem einen eine Nummer aus dem einen Rad und von dem andern ein Gewinn aus dem andern Rad gezogen. Für die letzte Ziehung werden in der Regel die meisten und auch der höchste Gewinn aufgespart, der als großes Los die Erwartung der Spielenden in Spannung erhält. Die in einer Klasse gezogenen Nummern werden durch gedruckte Listen, Lotterie- oder Ziehungslisten, öffentlich bekannt gemacht. Zur Deckung der Unkosten, Bezahlung des Kollekteurs und um einen Vorteil für die Unternehmung zu erhalten, wird von jedem Gewinn ein Abzug gemacht, der sich auf 14–16 Proz. (Preußen 151/2 Proz., Sachsen 15 Proz.) zu belaufen pflegt. Diese Summe verliert die Gesamtheit der Spieler. Klassenlotterien als Staatslotterien bestanden im J. 1904 in Preußen (196,000 Stammlose, 28,000 Freilose, die bis zu ihrer Ausgabe für Rechnung der Lotteriekasse mitspielen, mit 100,000 in fünf Klassen verteilten Gewinnen und einer Prämie; jährlich zwei Ziehungen, ein ganzes Los kostet 200 Mk. für alle Klassen), Sachsen (100,000 Lose in fünf Klassen, zu 250 Mk. Einsatz, jährlich zwei Ziehungen mit je 50,000 Gewinnen), Braunschweig (100,000 Lose mit 50,000 Gewinnen, in sechs Klassen mit 144 Mk. Einsatz), Hamburg (111,000 Lose, sieben Klassen, zusammen 144 Mk. Einsatz), Mecklenburg-Schwerin (60,000 Lose, sechs Klassen, Einsatz insgesamt 144 Mk.); die thüringischen Staaten, Anhalt, die beiden Lippe haben 1897 die Thüringisch-Anhaltische Staatslotterie begründet, die seit dem 1. Jan. 1902 mit der seit 1899 bestehenden Hessischen L. zur »Mitteldeutschen Staatslotterie« vereinigt und in 14 deutschen Staaten zugelassen ist (100,000 Lose, sechs Klassen, 41,000 Gewinne, Vollos: 168 Mk.). Endlich ist zu erwähnen: Lübeck (seit 1898). Bremen hat keine eigne L., hat aber das Recht, Lose zu vertreiben, an die Braunschweiger L. verpachtet. Wegen der sofort zu erwähnenden Lotterieverträge mit Preußen fallen in Zukunft die Lotterien von Mecklenburg, Hessen-Thüringen und Lübeck fort. Außerhalb Deutschlands besitzen Staatslotterien: Ungarn, Holland, Spanien, Dänemark und Serbien. England hat seine L. 1826, Frankreich die seinige 1832 aufgehoben. Österreich und Italien haben noch die Zahlenlottos.
Die Konkurrenz, welche die verschiedenen Staatslotterien sich in Deutschland machten, hat Preußen veranlaßt, durch Staatsverträge andre Staaten zur Aufgabe ihrer eignen Lotterien zu bewegen, bez. zu bestimmen, durch Verbote aller Lotterien außer der preußischen »die Einfallstore für zahlreiche andre Lotterien zu verschließen«. Solche Verträge sind im J. 1904 abgeschlossen mit Lübeck und Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz und im J. 1905 mit den hessisch-thüringischen Staaten; die »Mitteldeutsche Staatslotterie« hört 1. Juni 1906 zu bestehen auf. Nach einer Erklärung des preußischen Finanzministers in der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses vom 14. März 1905 schweben Verhandlungen mit andern Staaten, und der Minister hofft, daß man auf diesem Weg allmählich zu einem befriedigenden Zustand auf dem ganzen Lotteriemarkt Preußens und Deutschlands kommen werde. Die Hoffnungen auf eine deutsche Reichslotterie werden wohl an den Interessen der Einzelstaaten scheitern. Jedenfalls haben die Verhandlungen, die, Zeitungsnachrichten zufolge, von Preußen mit Hamburg und Braunschweig gepflogen sein sollen. zu greifbaren Resultaten nicht geführt, während die entsprechenden Verhandlungen mit Elsaß-Lothringen 1905 ergebnislos verlaufen sind. Reuß j. L. hat den mit Sachsen bestehenden Staatslotterievertrag zum 31. Dez. 1906 gekündigt und wird nur noch die preußische Staatslotterie zulassen.
Durch Strafbestimmungen suchen die Staaten fremde Lotterien von ihren Gebieten fernzuhalten. So hat namentlich Preußen verschiedene Gesetze erlassen. Die neueste Regelung ist das Gesetz vom 29. Aug. 1904. Hiernach ist sowohl das Spielen in außerpreußischen, im Königreiche nicht zugelassenen Lotterien mit Strafe bedroht (Geldstrafe bis zu 600 Mk. im Nichtbeitreibungsfall Hast), als auch das Verkaufen, Anbieten, Bereithalten zur Veräußerung (besonders wenn es gewerbsmäßig geschieht) sowie jede Hilfeleistung beim gewerbsmäßigen Verkauf, z. B. durch Einrücken einer Anzeige, einer Gewinnliste etc. in eine preußische Zeitung. Hierbei wird jeder einzelne Fall als eine selbständige Handlung betrachtet und beim ersten und zweiten Rückfall die Strafe gesteigert. Den außerpreußischen Lotterien sind alle außerhalb Preußens veranstalteten Ausspielungen beweglicher oder unbeweglicher Gegenstände gleichzuachten. Eine Klage des preußischen Fiskus auf Herausgabe des von einer in Preußen nicht zugelassenen deutschen Landeslotterie gezahlten Gewinnes ist im J. 1887 vom Reichsgericht abgewiesen worden (vgl. »Juristische Wochenschrift« 1887, S. 267).
Bayern bestraft sowohl das Spielen als auch das Verkaufen, Sammeln, Einladen, Ankündigen etc. bei allen in Bayern nicht zugelassenen Lotterien (Polizeistrafgesetzbuch vom 26. Dez. 1871, Art. 57, 57a). In Sachsen war bisher nur der Vertrieb der auswärtigen Lose strafbar und lediglich die Teilnahme an auswärtigen Lottos und Zahlenlotterien verboten; seit dem Gesetz vom 25. März 1904 ist aber auch hier das Spielen in auswärtigen Lotterien verboten.
Das Deutsche Reich bestraft in § 286 des Strafgesetzbuches das Veranstalten von öffentlichen Lotterien und von öffentlichen Ausspielungen ohne obrigkeitliche Erlaubnis, und als Übertretung in § 360, Nr. 14, des Strafgesetzbuches das unbefugte Halten von Glücksspielen auf einem öffentlichen Weg, einer Straße, einem öffentlichen Platz oder in einem öffentlichen Versammlungsort. Das Reichsgesetz, betreffend die Abzahlungsgeschäfte vom 16. Mai 1894, § 7, bestraft den Handel mit Lotterielosen oder Bezugs- oder Anteilscheinen auf solche gegen Teilzahlung. Die Gewerbeordnung verbietet den Handel im Umherziehen; vgl. § 56, Nr. 5, § 56 a, Nr. 2, § 148, Nr. 7 a. Weiter unterwirft das Deutsche Reich die Lose öffentlicher Lotterien sowie Ausweise über Spieleinlagen bei öffentlich veranstalteten Ausspielungen von Geld oder andern Gewinnen einer Stempelabgabe, die bei inländischen Losen etc. 20 Proz., bei ausländischen 25 Proz. beträgt (vgl. Reichsstempelgesetz vom 14. Juni 1900, § 25 ff., mit Tarif Nr. 5. Befreit sind die genehmigten Lotterien bei einem Gesamtbetrag der Lose unter 100 Mk., und wenn zu ausschließlich mildtätigen Zwecken bestimmt unter 25,000 Mk.). Die Veranstaltung einer Privatlotterie ist meist an staatliche Erlaubnis geknüpft, die nur für wohltätige, wissenschaftliche und künstlerische Zwecke, und zwar unter der Bedingung erteilt zu werden pflegt, daß nur Wertgegenstände (keine Geldgewinne) ausgelost werden. Nach dem österreichischen Gesetz vom 28. März 1889, betr. Schuldverschreibungen mit Prämien, ferner Ankündigung und Anempfehlung verbotener Lose und Lotterien (sogen. Lossperrgesetz), müssen ausländische Lose, die vor dem 1. März 1889 in den im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern in Verkehr gesetzt worden sind, sowie gewisse ungarische Lose, um ihre Gültigkeit nicht zu verlieren, behördlich abgestempelt werden. Über die Besteuerung in Österreich s. Wieser, Artikel »Gebührengesetz« im »Österreichischen Staatswörterbuch« (Wien 1895, I, S. 586 ff.). – In zivilrechtlicher Beziehung wurde das Lotteriegeschäft früher wohl als eine Art Hoffnungskauf behandelt; richtiger und dem Bürgerlichen Gesetzbuch allein entsprechend dürfte jedoch die Auffassung als Spielvertrag sein. Ein solcher ist nach § 762 des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht klagbar, das auf Grund des Spieles Geleistete kann aber nicht deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden habe. Ein Lotterie- oder Ausspielvertrag wird aber gemäß § 763 rechtsverbindlich, wenn die L. oder die Ausspielung staatlich genehmigt ist. Die Genehmigung steht den einzelnen Bundesstaaten zu, die Genehmigung in einem Bundesstaat wirkt aber für das ganze Deutsche Reich; daher sind die von einzelnen Staaten erlassenen Verbote des Spielens in auswärtigen Lotterien (s. oben) zivilrechtlich ohne Bedeutung. Der Lotterievertrag wird in der Regel durch Übernahme eines Originalloses gegen Berichtigung des planmäßigen Einsatzes abgeschlossen. Wer ein solches Los (Inhaberpapier) besitzt und zum Spielen behält, gilt für dessen Eigentümer. Die Zusendung unbestellter Lose erfolgt ganz auf Gefahr des Zusenders. Das bloße Liegenlassen solcher Lose verpflichtet den Empfänger nicht zur Zahlung des Einsatzes, berechtigt ihn aber auch nicht zum Bezug darauf gefallener Gewinne. Etwas anders ist es allerdings beim Weiterspielen eines bestellten Loses in spätern Klassen; hier muß Schweigen als Annahme gelten. Grundlage des Rechtsverhältnisses zwischen Unternehmung und Spieler ist der Ziehungsplan. Der Gewinner kann den Unternehmer oder auch den Kollekteur um Zahlung angehen; meist ist dieses Wahlrecht auf eine bestimmte Frist beschränkt, nach deren Ablauf nur noch der Kollekteur angegangen werden kann.
Bei der Zahlenlotterie (Lotto) werden aus einem Glücksrad, in dem sich die Zahlen von 1–90, die sogen. Nummern, einzeln in Kapseln verschlossen befinden, an festgesetzten Tagen je 5 Nummern gezogen, die gewinnen, während alle andern verlieren, und zwar erhalten die Spieler, die auf jene Nummern gesetzt hatten, ein Vielfaches ihres Einsatzes. Der Spieler kann entweder eine einzige Nummer (bez. mehrere einzelne) besetzen, indem er darauf wettet, daß sie überhaupt mit gezogen wird (simpler Auszug, estratto, estra), oder daß sie an einer bestimmten Stelle (etwa zuerst oder zu dritt oder zuletzt) herauskommt (auf den Ruf setzen), oder er kann 2 (Ambe), 3 (Terne), 4 (Quaterne) oder gar 5 (Quinterne) Nummern besetzen und darauf wetten, daß eben diese 2,3,4 oder 5 Nummern zusammen gezogen werden. Die Nummern können zwar mit beliebig hohen Summen besetzt werden, doch behält sich die Lottokasse für den Fall der Überhäufung eine Beschränkung vor. Für alle diese Fälle stehen besondere Gewinne in Aussicht, die, wenn die Lottokasse auf jeden Vorteil verzichtete, sich umgekehrt zu dem Einsatz verhalten müßten wie die gegenseitigen Wahrscheinlichkeiten, zu gewinnen. Da nun das Glücksrad 90 Zahlen enthält, so ist die Wahrscheinlichkeit, eine gezogene Nummer zu erraten, = 1/90, oder es werden durchschnittlich 90 Nummern gezogen werden müssen, bis eine bestimmte herauskommt. Werden nun 5 Nummern gezogen, so ist die Wahrscheinlichkeit, daß unter diesen eine besetzte Nummer sich befindet, 5/90 oder 1/18. Für den Spieler ist demnach nur ein Fall, für die Kasse aber sind 17 Fälle günstig, weshalb dieselbe eigentlich dem gewinnenden Spieler außer seinem Einsatz noch das Siebzehnfache desselben vergüten müßte. Bei einem bestimmten Auszug verringert sich die Wahrscheinlichkeit, zu gewinnen, für den Spieler auf 1/90, und er müßte demnach im Fall des Gewinnens das 90fache seines Einsatzes zurückerhalten. In Wirklichkeit wird aber weniger, in Österreich für den unbestimmten einfachen Auszug das 14-, für den bestimmten das 57fache gezahlt. In derselben Weise ergeben sich die Gewinne für die Amben, Ternen etc. Aus 90 Zahlen lassen sich nach der Kombinationslehre 4005 verschiedene Amben, 117,480 Ternen, 2,555,190 Quaternen und 43,949,268 Quinternen zusammensetzen. Da nun in den gezogenen 5 Nummern 10 Amben, 10 Ternen, 5 Quaternen und 1 Quinterne enthalten sind, so müßten die von der Lottokasse ausgesetzten Gewinne einschließlich des Einsatzes für eine Ambe das 4001/2fache, für eine Terne das 11,748fache, für eine Quaterne das 511,038fache und für eine Quinterne das 43,949,268fache betragen. Statt dessen aber gewähren die Lottokassen für Ambe, Terne und Quaterne je nur rund das 250-, 5000- und 64,000fache, während die Besetzung der Quinterne meist nicht gestattet ist. Die Gesamtheit der Spieler kann demnach im Durchschnitt nicht gewinnen, die Kasse aber nicht verlieren. Ziemlich verbreitet ist die Annahme, dem Spieler stehe doch ein sicherer Gewinn in Aussicht, wenn er nur beim Spiel ausharre und seinen Einsatz von Ziehung zu Ziehung erhöhe. Dieselbe ist nicht begründet. Denn um nur die Wahrscheinlichkeit für sich zu haben, daß die besetzte Nummer auch wirklich einmal gezogen wird, müßte die Erhöhung schon eine größere Zahl von Spielen hindurch stattfinden. Dies scheitert einmal an der Begrenztheit des Vermögens, dann aber auch daran, daß die Kasse sich vorbehält, zu hohe Einsätze auf eine Nummer zurückzuweisen. Große Summen werden im Lotto außerordentlich selten gewonnen. Wie hoch übrigens die Verluste des spielenden Publikums im ganzen sind, beweisen die erheblichen Einnahmen, welche die Lottokasse erzielt. In Bayern hatte, solange das (jetzt aufgehobene) Lotto dort bestand, nur ein einziges Mal (1853) die Kasse einen Verlust (70,000 Gulden), sonst stets einen jährlichen Reingewinn von mehr als 1 Mill. Gulden (1859 von 3,389,320 Gulden) gehabt. Heute besteht das Lotto noch in Österreich (1891–95,5 Jahre: 30,330 Mill. Gulden Reingewinn) und in Italien (1892/93: ca. 26 Mill. Lire).
Sowohl in volkswirtschaftlicher als in moralischer Hinsicht ist das Lotteriespiel, wie jedes andre Glücksspiel, verwerflich. Es veranlaßt für Tausende unvermeidliche Verluste (man berechnet, daß für die deutschen Staatslotterien jährlich ca. 234,951,200 Mk. von den Spielern ausgegeben werden, wovon 157,652,900 an die Spieler zurückgelangen, 39,16 Mill. auf den Reichsstempel und 37,14 Mill. auf die unternehmenden Staaten und die Kollekteure entfallen) und teilt dafür Gewinne aus, die, wenn sie klein sind, wieder auf die L. verwendet werden, wenn sie groß sind, in der Regel dem Gewinnenden keinen Segen bringen. Noch nachteiliger ist aber die moralische Wirkung. Die L. nährt die Aussicht und den Hang, ohne Mühe reich zu werden, sie fördert die Gewohnheit, auf unbestimmte Glücksfälle, statt auf Fleiß und Einsicht zu bauen, sie bietet dem Aberglauben Nahrung und führt nicht selten den unglücklichen Spieler selbst auf den Weg des Verbrechens. Übrigens ist das Lotteriespiel um so verderblicher, je mehr es durch Kleinheit der Einsätze, Teilbarkeit der Lose etc. auch den Ärmern zugänglich ist, und je mehr es durch Häufigkeit der Ziehungen den Spieler geistig beschäftigt, also das Zahlenlotto viel mehr als die Klassenlotterie. Die Klassenlotterie kam schon gegen das Ende des Mittelalters auf, wurde jedoch anfangs und namentlich noch während des 16. Jahrh. gewöhnlich für wohltätige Zwecke angestellt. So war in London die erste Ziehung 1569 und der Überschuß zum Unterhalt der Seehäfen bestimmt, in Paris 1572 zur Ausstattung armer Jungfrauen. Das Lotto stammt aus Genua, wo bei Ergänzung des Großen Rates aus je 90 Namen 5 gelost wurden; dies gab Veranlassung, auf die einzelnen Kandidaten Wetten anzustellen. Später wurde hieraus, indem man statt der Namen bloße Zahlen anwendete, das förmliche Lotto, das aber erst im 18. Jahrh. auch außerhalb Genua Eingang fand. Frankreich und England haben indessen schon seit längerer Zeit dem Glücksspiel in jeder Form einen Riegel vorgeschoben; in Deutschland hat man einen wichtigen Schritt in dieser Beziehung durch Aufhebung der Spielbanken in Bädern getan (s. Glücksspiele). Eine eigenartige Kombination von Sparsystem mit Zinsenlotterie ist das sogen. Scherlsche Sparsystem. Vgl. Bender, Das Lotterierecht (2. Aufl., Gießen 1841); F. Endemann, Beiträge zur Geschichte der L. und zum heutigen Lotterierecht (Bonn 1882; neuer Abdruck, Berl. 1899); Cohn in Endemanns »Handbuch des Handelsrechts«, Bd. 3, S. 36; Marcinowski, Das Lotteriewesen im Königreich Preußen (Berl. 1892; Ergänzungsheft 1894); Ashton, History of English lotteries (Lond. 1893); Brandt, Das Lotteriewesen unserer Zeit (Hamb. 1894); Borchers, Die Staatslotterien des Deutschen Reiches (Braunschw. 1895); Aßmann, Der Handel mit Losen und Anteilscheinen etc. (Bochum 1898); Sieghart, Geschichte und Statistik des Zahlenlottos in Österreich (Wien 1898) und Die öffentlichen Glücksspiele (das. 1899); Schanz' »Finanzarchiv«, Bd. 16, S. 907 (Stuttg. 1899); J. Müller, Die L. vom praktischen Standpunkt (Prag 1899); Furbach, Übersichtliche Gewinnberechnung der preußischen Klassenlotterie (3. Aufl., Oppeln 1900); L. Joseph, Almanach 1900, Nachschlagebuch für Kollekteure und Losehändler (Neustrelitz 1900); v. Heckel im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, 2. Aufl., Bd. 5 (Jena 1900); »Unsre Lotterien, Führer durch die Staatslotterien Deutschlands« (von Alb. Lüdtke, Berl. 1902); Zabel, Die gesetzlichen Bestimmungen über Glücksspiele, Lotterien, Ausspielungen und Wetten (Bresl. 1903); Endemann, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, 9. Aufl., Bd. 1, S. 1176 ff. (Berl. 1903); Theisen, Staatslotterie und Reichsgericht (Elberf. 1904); Mayet, L. und Sparen (Berl. 1904); Bajoński, Kritik und Reformen der deutschen Staatslotterien als Finanzregalien (das. 1904); Nina, La teoria del lotto di Stato (Turin 1905). S. auch Glücksspiele.
L. heißt auch ein beliebtes Unterhaltungs-Glücksspiel mit Karten. Jeder Mitspieler nimmt sich von den 32 Blättern einer deutschen Karte eine oder mehrere (gewöhnlich 2) und gibt dem Bankhalter für das Blatt einen bestimmten Einsatz. Mit einer zweiten Karte besorgt dann der Bankhalter das Abziehen von 9 Blättern so, daß 4 Paare untereinander gelegt werden; das neunte Blatt ist das »große Los«. Für jede Karte des ersten Paares hat der Bankier den einfachen, für jede des zweiten Paares den doppelten, für jede des dritten Paares den dreifachen, für jede des vierten Paares den vierfachen und für das große Los den neunfachen Einsatz zu bezahlen (Ziehung 1.–5. Klasse).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.