- Glücksspiele
Glücksspiele (Hasardspiele) heißen im Gegensatz zu den Kunstspielen alle diejenigen Spiele mit Karten, Würfeln, Kugeln, Losen, Nummern etc., bei denen Gewinn oder Verlust allein oder hauptsächlich vom Zufall abhängen und nicht die größere oder geringere Geschicklichkeit oder Berechnung des Spielenden den Ausschlag gibt. Sie werden meist des Gewinnes wegen, seltener mit niedrigen Einsätzen zur Unterhaltung gespielt. Ihre Zahl ist sehr groß. Man kann sie in Privat- und öffentliche G. einteilen. Zu jenen sind alle diejenigen G. zu rechnen, die meist nur in Privatzirkeln gespielt werden, als: Vingt-un, Onze et demi, Landsknecht, Pharo, Lotto, Rouge et noir, Trente et quarante, Macao, Baccarat, Tempeln, »Meine, deine Tante«, Dreikart, Kümmelblättchen, Lustige Sieben, Rauschen, Färbeln, Häufeln, die verschiedenen Arten der Würfelspiele etc. Zu diesen dagegen gehören die vom Staate selbst veranstalteten oder gegen Pacht Privatunternehmern überlassenen G., als: das genuesische oder Zahlenlotto, die Klassenlotterie, die Lotterieanleihen (s. Lotterie), das Promessenspiel und die Roulette. Die meisten G. (namentlich Roulette, Lotterie etc.) sind so eingerichtet, daß bei ihnen die Wahrscheinlichkeit des Gewinnens für die eine Partei (den Bankhalter) größer ist als für die andre (die Spielenden). Auch hat der Bankhalter den Vorteil, daß er nicht so sehr wie sein Gegenpart (der Pointeur) den Einwirkungen der Leidenschaften ausgesetzt ist, abgesehen davon, daß viele Betrügereien vorkommen können, durch die der Pointeur, selbst der spielkundige, von den gewerbsmäßigen Spielern übervorteilt wird. Wegen des verderblichen Einflusses, den G. in wirtschaftlicher und sittlicher Beziehung ausüben, sind sie schon frühzeitig gesetzlich beschränkt oder verboten worden. Die gegenwärtige Gesetzgebung in betreff des Glückspiels ist in den verschiedenen europäischen Staaten verschieden. Während in einigen Staaten die G. erlaubt oder wohl gar zum Vorteil des Staates verpachtet sind, haben andre Staaten alle G. verpönt. So sind in Frankreich, wo es früher in fast allen größern Städten privilegierte Spielhäuser gab, dieselben seit 1. Jan. 1839 geschlossen, weshalb sich die französischen Bankhalter Benazet, die Gebrüder Blanc u.a. nach Deutschland wendeten. In Deutschland war Preußen bereits vor der Märzrevolution (1848) mit der Aufhebung der Spielbanken vorangegangen. In den 1866 annektierten Ländern wurde den dort auf Grund von Verträgen mit den frühern Regierungen errichteten Spielbanken die Fortdauer bis zum Schluß des Jahres 1872 gestattet. Sie hatten dabei die Bedingung zu erfüllen, daß ein bedeutender Teil des Reingewinns der Banken zur Bildung eines Kur- und Verschönerungsfonds für die beteiligten Städte angesammelt ward. So hörte zufolge des Bundes- (Reichs-) Gesetzes vom 1. Juli 1868 mit Ende 1872 das Spiel auf in den Bädern Baden-Baden, Homburg, Wiesbaden, Ems, Nauheim, Pyrmont. Nach den § 284 und 285 des deutschen Strafgesetzbuches werden nur die gewerbsmäßigen Glücksspieler und diejenigen Inhaber eines öffentlichen Versammlungsortes bestraft, die daselbst G. gestatten oder zur Verheimlichung solcher Spiele mitwirken. Ferner ist das unbefugte Halten von Glücksspielen an öffentlichen Orten verboten (ebenda § 360, Ziffer 14); auch kann auf Einziehung des zum Glücksspiel ausgelegten Geldes erkannt werden. Die Veranstaltung öffentlicher Lotterien und Ausspielungen ist an die obrigkeitliche Erlaubnis geknüpft (ebenda § 286), und auch das Spielen in auswärtigen Lotterien ist vielfach verboten, so in Preußen, Bayern, Sachsen (s. Lotterie). Durch die deutsche Gewerbeordnung. ist endlich auch das Feilbieten von Waren im Umherziehen in der Art, daß die Waren versteigert oder im Wege des Glücksspiels oder der Auslosung abgesetzt werden, verboten. Zivilrechtlich ist das verbotene Spiel nichtig, es kann also auf Zahlung des Gewinns nicht geklagt und der gezahlte Gewinn als ungerechtfertigte Bereicherung zurückgefordert werden. Besonders geregelt ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 763) der Lotterievertrag. Derselbe ist nur gültig, wenn die Lotterie staatlich genehmigt ist, andernfalls wird durch ihn keine Verbindlichkeit begründet (§ 762). Die strafrechtlichen Bestimmungen der Landesgesetze, die das Spielen in auswärtigen Lotterien verbieten, sind durch das Bürgerliche Gesetzbuch nicht außer Kraft gesetzt, jedoch haben für alle bundesstaatlich genehmigten Lotterien die landesgesetzlichen Verbote des Spielens in auswärtigen Lotterien ihre privatrechtliche Wirkung verloren, weil die reichsgesetzliche Gültigkeitserklärung auf das ganze Reichsgebiet zu erstrecken ist. Vgl. Ausspielen und Lotterie. Bekannte Spielbankorte im Ausland waren Spaa in Belgien, Saxon im Schweizer Kanton Wallis; jetzt wird in Europa nur noch in Montecarlo (s. d.) gespielt. In Nordamerika bestehen, besonders in New York und San Francisco, unter den Augen der Polizei zahlreiche Spielhöllen. Sehr streng ist noch das österreichische Strafgesetzbuch; dasselbe (§ 522) verbietet alle Hasardspiele und bedroht alle Spieler sowie denjenigen, der in seiner Wohnung spielen läßt, mit Strafe. Ausländer, die wegen G. bestraft werden, erhalten Landesverweis. Dem Anzeiger wird ein Drittel der Geldstrafen und Straffreiheit gewährt. – Vgl. Bruck, Über Spiel und Wette (Greifsw. 1868); Schuster, Das Spiel, seine Entwickelung und Bedeutung im deutschen Recht (Wien 1878); Pfizer, Spiel und Wette nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (in der »Zeitschrift für das Notariat in Bayern«, 1900, S. 26); Sieghart, Die öffentlichen G. (Wien 1899); B. v. Kayser, Die Gewerbsmäßigkeit im Glücksspiel (Berl. 1900); »Das Spiel, die Spielerwelt und die Geheimnisse des Falschspiels«, von Signor Domino (Bresl. 1886); Hermann, Die Geheimnisse der Falschspieler (Berl. 1900).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.