Architekturmalerei

Architekturmalerei

Architekturmalerei, die Gattung der Malerei, die die Werke der Baukunst an und für sich zum Vorwurf ihrer Darstellung wählt. Bei den Völkern des Altertums und des Mittelalters wurde die Architektur nur als Hintergrund oder Umrahmung eines Gemäldes oder auch als bloße phantastische Dekoration verwendet. Für Ausbildung einer eigentlichen A. war erst das Auftreten der Gebrüder van Eyck (um 1426) entscheidend, die, mit tiefer Kenntnis der Linearperspektive und der Gesetze der Architektur ausgerüstet, ihre Figuren in reale Baulichkeiten hineinstellten. Ihre Grundsätze verbreiteten sich über den ganzen Norden und übten selbst auf die italienische Kunst einen maßgebenden Einfluß aus. Zur völligen Loslösung der A. von der kirchlichen Malerei kam es freilich erst im 16. Jahrh., und zwar vor allem in den Niederlanden, wo die Anregung der van Eyck in voller Stärke fortgedauert hatte. Voran schritt hier Jan Vredeman de Vries (geb. 1527), der Hendrik van Steenwyck den ältern unterrichtete, dem wieder sein Sohn Hendrik van Steenwyck (gest. nach 1649) und Peter Neefs der ältere folgten. Den größten Ruhm unter ihnen genießt Neefs, der die Linien- und Luftperspektive mit Meisterschaft beherrschte; Teniers, Franck, Brueghel u.a. haben seine Gemälde staffiert. Zur völligen Befreiung von der harten Manier dieser ältern Meister gelangte die A. erst durch Männer wie S. van Ehrenberg, Gheringh, P. Neefs den jüngern u.a. in Belgien, de l'Orme, van Delen, H. van Vliet, J. A. Berckheyde u.a. in Holland, namentlich aber durch Emanuel de Witte in Amsterdam, auf den Rembrandts malerische Behandlung von größtem Einfluß war. Auch der Landschaftsmaler J. van Ruisdael verstand sich meisterhaft auf die A. Überhaupt ist die ganze holländische Schule des 17. Jahrh. durch ihre Interieurs, ihre Stadt- und Straßenprospekte, in welch letztern sich namentlich J. van der Meer und J. van der Heyden auszeichnen, der A. zugewendet. In Italien brachte es die A. nicht zu einem besondern Zweig; hier betrachtete man Landschaft und Architektur als bloßen Hintergrund des Historienbildes. Benozzo Gozzoli, Ghirlandajo, Perugino, Raffael u.a. malten wohl Architektur, aber nicht um ihrer selbst willen. Mehr war man in der venezianischen Schule (Giorgione, Tintoretto, Veronese) der A. zugewendet, ohne sie freilich auch vom Historienbild loszulösen, bis im 18. Jahrh. A. Canale und sein Neffe Bellotto (genannt Canaletto), Guardi u.a. die Schönheit der venezianischen Paläste und Kanäle um ihrer selbstwillen darstellten und damit für Italien erst die eigentliche A. begründeten.

Im Beginn der modernen Kunstentwickelung ist vor allen Schinkel zu nennen, der mit einer klassischen Richtung einen sein entwickelten Sinn für dekorative Wirkung verband und neben eignen malerischen Schöpfungen auch die Anregung zu den mit wahrhaft künstlerischer Vollendung ausgeführten Theaterdekorationen für Berlin gab. In letzterm Fach leistete namentlich Karl Gropius Ausgezeichnetes. Domenico Quaglio erhob die Staffelei-A. wieder aus ihrem Verfall. Ausgezeichnete Architekturmaler waren ferner Hasenpflug in Halberstadt, Ainmüller und Vermeersch in München. Pulian in Düsseldorf wählte vorzugsweise altertümliche Straßen, alte, verfallene Kirchen etc. zur Darstellung. Noch verdienen genannt zu werden: Gärtner, Helfft, Dietrich, Konrad, v. Bayer, Neher, Gerhardt, Mayer und die Aquarellisten Karl Werner (Leipzig) und Rudolf und Franz Alt (Wien). Der berühmteste deutsche Architekturmaler der neuern Zeit war K. Graeb (gest. 1884) in Berlin, meisterhaft in der Perspektive und der sorgfältigen, aber immer malerischen Ausführung. Neben ihm sind Seel (Düsseldorf), Chr. Wilberg, Körner, H. Herrmann, F. Possart, Konrad Lessing (Berlin), Choulant (Dresden), L. v. Hagn (München) und Lor. Ritter (Nürnberg) zu nennen. In Frankreich war Granet (gest. 1849) der gefeiertste Architekturmaler der Neuzeit, der seine Gegenstände immer von der originellsten und charaktervollsten Seite aufzufassen und mit sehr wirkungsvoller Staffage auszustatten verstand. In Frankreich wendeten viele Künstler auch die Aquarellmalerei mit Erfolg zu architektonischen Darstellungen an, so Ouvrié, Garnerey, Rochebrune, Villeret. Dasselbe geschah in England von Haghe, Chase, Howse u.a. Andre in England gerühmte Architekturmaler sind: Prout mit seinen italienischen, deutschen und andern Prospekten; Roberts, der spanische und orientalische Bauwerke mit seltener Genauigkeit und Wahrheit zur Anschauung zu bringen weiß; ferner Mackenzie, Goodall, Williams, der in London ansässige Schwede Axel Haig, der seine Architekturstücke meist radiert. Unter den Italienern sind Migliara, Bisi, Nerly (Nehrlich, ein Deutscher), L. Bazzani und A. Tavernier, unter den Holländern und Belgiern Waldorp, Carsen, Bosboom, van Haanen,ten Kate, Springer und Bossuet, unter den Dänen H. Hansen zu nennen. Ausgezeichnete Darstellungen persischer und indischer Bauwerke haben der Russe Wereschtschagin und in neuester Zeit der Amerikaner Edwin Weeks geschaffen.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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