- Kieselsäure
Kieselsäure findet sich gelöst in vielen Quellen, besonders reichlich (bis 0,5 Proz.) in den heißen Springquellen auf Island und Neuseeland, an deren Ausflußöffnungen sie beträchtliche Inkrustationen (Kieselsinter) bildet. Kristallisiert findet sich K. (Anhydrid) als Quarz (mit vielen Varietäten), Tridymit, Asmanit und Christobalit, kryptokristallinisch als Chalcedon (mit vielen Varietäten, Achat etc.) und Jaspis, amorph als Opal, Kieselsinter, Polierschiefer, Tripel, Kieselgur, Randanit (letztere vier bestehend aus Panzern von Diatomeen, Radiolarien etc.), Menilit, Schwimmkiesel, Feuerstein (gemengt mit Chalcedon). K. findet sich ferner in den Pflanzen, besonders in den äußersten Zellen der Oberhaut, namentlich bei Gräsern, Schachtelhalmen, im Spanischen Rohr, in vielen Blättern, den äußersten Zellen der Baumrinde, der Kartoffelschalen, vieler Pflanzenhaare, in Vogelfedern (40 Proz. der Asche), Seeschwämmen, in den Panzern der Diatomeen und Radiolarien etc. Man erhält reine K. durch Zersetzung von kieselsaurem Alkali mit einer Säure oder von Fluorkiesel mit Wasser, und zwar scheidet sich dabei der größte Teil der K. gallertartig aus, während nur eine kleine Menge gelöst bleibt. Die Gallerte, Orthokieselsäure H4SiO4, löst sich in überschüssiger Säure, in mehr als 1000 Teilen Wasser, wird aber, wie der Verdampfungsrückstand der Lösung, beim Austrocknen unlöslich. Gießt man eine Lösung von kieselsaurem Natron in überschüssige verdünnte Salzsäure und bringt die Mischung auf den Dialysator, so entweichen das Chlornatrium und die überschüssige Salzsäure durch die Membran des Dialysators, und die Kieselsäurelösung kann über Schwefelsäure bis auf einen Gehalt von 14 Proz. konzentriert werden. Sie ist farb- und geschmacklos, verursacht aber im Mund ein lange anhaltendes unangenehmes Gefühl, reagiert sauer und gerinnt allmählich, schneller beim Erhitzen an der Luft, bei Einwirkung von Kohlensäure oder kohlensauren Salzen zu einer Gallerte. Ausgewaschene Kieselsäuregallerie, die nach mehrwöchigem Stehen bei gelinder Wärme trocknet, hinterläßt eine dem Opal sehr ähnliche Masse, die aus Metakieselsäure H2SiO3 besteht. In Röhren langsam auf 200° erhitzte Lösungen geben Kristalle von Kieselsäureanhydrid (Quarz). Man kennt außer der Ortho- und Metakieselsäure noch mehrere Anhydrosäuren mit zwei und mehreren Atomen Kiesel (Polykieselsäuren), und auf solche ist die Zusammensetzung viel er in der Natur vorkommender Kieselsäuresalze zurückzuführen (s. Kieselsäuresalze). Beim Glühen der K. hinterbleibt stets Kieselsäureanhydrid, das in hoher Temperatur kristallinisch wird. Gallertartige K. absorbiert mit großer Energie Farbstoffe aus deren Lösungen, und man kann z. B. Baumwolle, die durch Wasserglaslösung und dann durch Säuren gezogen wurde, also mit K. gebeizt ist, frisch und echt mit Anilinfarben färben.
Kieselsäureanhydrid (Kieselerde, Siliciumdioxyd) SiO2 findet sich kristallisiert als Quarz, Tridymit, Asmanit und Christobalit, ferner in seidenglänzenden Fasern, die in konzentrischen Lagen um einen Mittelpunkt gruppiert sind, in den Spalten des Gestelles und den Eisensaum der Hochofen und scheidet sich bei nicht sehr hoher Temperatur aus Lösungen von K. aus; es löst sich nur in Flußsäure, bei einem Druck von 4–5 Atmosphären auch in Kalilauge, wird in sehr hoher Temperatur amorph, schmilzt vor dem Knallgasgebläse schwerer als Platin und läßt sich zu sehr dünnen, elastischen Fäden ausziehen. Dies amorphe, verglaste Anhydrid ist härter als Feldspat, weniger hart als Chalcedon, seine Wärmeleitungsfähigkeit ist etwa der des Glases gleich, selbst in mit Feuchtigkeit gesättigter Luft ist es ein guter Isolator. Sein spezifisches Gewicht ist 2,21. Der Ausdehnungskoeffizient ist außerordentlich klein, 1/17 von dem des Platins. Gegen plötzliche sehr starke Temperaturänderungen ist es unempfindlich. Das Anhydrid ist feuerbeständig, verflüchtigt sich aber in hoher Temperatur mit Wasserdämpfen und verdichtet sich wieder in Form eines zarten Schnees. Es wird in der Hitze von Alkalien angegriffen, von Kupferoxyd schon oberhalb 960°. Man erhält Anhydrid auch, wenn man die aus Salzen oder Fluorkiesel abgeschiedene gallertartige K. scharf trocknet und auswäscht. Das Präparat ist farb- und geschmacklos, fühlt sich rauh an, knirscht zwischen den Zähnen und verwandelt sich beim Erhitzen in Tridymit. Es löst sich viel leichter in Flußsäure und Kalilauge als kristallisiertes Anhydrid, aber nicht in Wasser und andern Säuren. Schmelzt man K. mit Salzen, so wird deren Säure ausgetrieben, und es entstehen Kieselsäuresalze (s. d.). K. findet vielfache Verwendung zur Herstellung von Gefäßen (Quarzglas), zur Darstellung von Glas, Porzellan, Wasserglas; die in der Natur vorkommenden Varietäten und der Bergkristall dienen als Schmucksteine, zu allerlei Utensilien (Reibschalen, Gewichten); auch die Infusorienerde wird mannigfach benutzt.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.