Apologie

Apologie

Apologie (griech.), Rede oder Schrift zur »Verteidigung« eines Angeklagten oder sonstwie Beschuldigten. Apologeten heißen in der christlichen Literaturgeschichte die Männer, welche sich die Verteidigung des Christentums und die Widerlegung der von den Nichtchristen gegen dasselbe gerichteten Anklagen zur Aufgabe machten. Unter den Apologeten der ersten Jahrhunderte ragen hervor Aristides, Iustin der Märtyrer, Tatian, Athenagoras, Theophilus von Antiochien, Minucius Felix, Tertullian, Origenes (gegen Celsus), Arnobius, Lactantius und Eusebius von Cäsarea. Gerade bei den gebildetsten Apologeten tritt eine erhebliche Trübung der religiösen und ethischen Grundgedanken des Christentums zu Tage infolge des Einflusses der griechischen Metaphysik und Ethik, die den neutralen Boden zwischen ihnen und ihren Gegnern abgeben muß. Nachdem das Christentum Staatsreligion geworden war, konnten Apologeten wie Augustin den Verfall des Heidentums als göttliches Gericht darstellen. Gegen die Juden schrieb noch 822 Agobard von Lyon, gegen Juden und Araber Raimund Martini in Spanien 1278 seinen »Dolch des Glaubens«. Als das Lehrgebäude der Kirche sich festgestellt hatte und im Innern von der Scholastik ausgebaut wurde, machte sich vorwiegend das Bedürfnis geltend, die von der Autorität der Kirche als übernatürlich geoffenbart sanktionierten Wahrheiten auch vor der Vernunft und der Philosophie zu rechtfertigen, so besonders in den Untersuchungen Abälards, des Thomas von Aquino u.a. über das Verhältnis von Glauben und Wissen, Vernunft und Offenbarung. Gegen Ende des Mittelalters suchte Marsilius Ficinus, um den tiefen Riß zwischen der humanistischen und der kirchlich-christlichen Weltanschauung zu verkleben, in der Schrift »De religione christiana et fidei pietate« die Übereinstimmung des Platonismus mit dem Christentum zu erweisen, und der Humanist Vives schrieb »De veritate religionis christianae«. Das Reformationszeitalter dagegen verschlang in seinen innerkirchlichen Kämpfen alles apologetische Interesse; erst das 17. Jahrh. bringt in Hugo Grotius und Pascal wieder apologetische Schriftsteller. Bald aber begann die aus dem Christentum hervorgegangene, durch klassisches Studium befruchtete, durch die Reformation geförderte Zeitbildung sich gegen das positive Christentum zu wenden, dessen Verständnis in seiner kirchlich abgeschlossenen, scholastisch-dogmatischen Form ihr immer schwerer wurde. Deïsten und Naturalisten, Enzyklopädisten und Freidenker aller Art griffen rücksichtslos die christlichen Dogmen an und riefen eine reiche apologetische Literatur hervor, die besonders in populären Schriften den Einwirkungen jener Geister auf die Denkungsart des Volkes entgegenzuarbeiten suchte. Besonders tätig war man in dieser Beziehung in England (Lardner u.a.), wo man auch zuerst das in Holland und Deutschland nachgeahmte Beispiel gab, Institute zu errichten, die durch Preise zur Abfassung apologetischer Schriften anregten (Urlspergers Christentumsgesellschaft in Basel 1780, Gesellschaft zur Verteidigung der christlichen Religion im Haag 1785, Teylersches Institut in Haarlem 1786). In Deutschland riefen besonders die Wolfenbütteler Fragmente eine Menge von Gegenschriften hervor. Da alle diese Angriffe sich ebensowohl gegen die christliche Ethik wie gegen die Dogmatik wandten, so suchten die Apologeten nun oft in mehr rationalistischer Weise die ewige Geltung und Vernunftgemäßheit des moralischen Inhalts der Bibel sowie die Übereinstimmung der christlichen Ethik mit dem Gewissen und der allgemeinen Humanitätsidee nachzuweisen. Oder man suchte supernaturalistisch das Übervernünftige des Christentums zu retten durch Erweisung der Notwendigkeit der Offenbarung, der Wunder und Weissagungen. Vom Standpunkt eines ästhetisierenden, romantischen Katholizismus verteidigte Chateaubriand (s. d.) den »Genius des Christentums« (1802). Nach der allgemeinen Wiedererweckung des religiösen Lebens im 2. und 3. Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, und nachdem um 1830 scheinbar eine völlige Versöhnung zwischen dem Christentum und der Philosophie eingetreten war, haben sich um so bedrohlicher die entschieden materialistischen und positivistischen Richtungen unsrer Tage entwickelt, denen gegenüber jede A. zuerst die Grundvoraussetzungen des Christentums, die Begriffe Gott, Religion und Offenbarung, zu sichern hat. Wie nun aber das apologetische Material zu benutzen sei, um teils die Wahrheit der Religion an sich, teils insonderheit das Christentum als die vollkommene Religion zu erweisen, das zu lehren, ist die Aufgabe der Apologetik, d.h. derjenigen theologischen Disziplin, welche die Grundsätze für die Verteidigung von Religion und Christentum aufstellt. Den Namen führte Planck (»Einleitung in die theologischen Wissenschaften«, Bd. 1, Götting. 1794) in die Wissenschaft ein. Verwandt ist die Apologetik mit der Polemik und Irenik (s. d.). Vgl. Delitzsch, System der christlichen Apologetik (Leipz. 1869); Luthardt, Apologetische Vorträge (14. Aufl., das. 1897); Steinmeyer, Apologetische Beiträge (Berl. 1866–73, 4 Tle.); Baumstark, Christliche Apologetik auf anthropologischer Grundlage (Frankf. 1872–89, 3 Bde.); Ebrard, Apologetik (2. Aufl., Gütersl. 1878–80, 2 Bde.); Kaftan, Die Wahrheit der christlichen Religion (Bas. 1888); Steude, Evangelische Apologetik (Gotha 1892); vom katholischen Standpunkt: Drey, Die Apologetik als wissenschaftliche Nachweisung der Göttlichkeit des Christentums (2. Aufl., Mainz 1844–47, 3 Bde.); Hettinger, A. des Christentums (8. Aufl., Freiburg 1899–1900, 5 Bde.); Weiß, A. des Christentums (3. Aufl., das. 1894–98, 5 Bde.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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  • Apologie — Apologie, Verteidigungsschrift, Schutzrede, Vertretung, Apollogetik, Vertheidigungslehre des Christenthums. B–l …   Damen Conversations Lexikon

  • Apologie — Apologie, griech., die Vertheidigungsschrift oder Vertheidigungsrede für einen Angeklagten …   Herders Conversations-Lexikon

  • apologie — Apologie, Apologia, Defensio, Purgatio, dicitur et Apologismus Ciceroni …   Thresor de la langue françoyse

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