Hippel

Hippel

Hippel, 1) Theodor Gottlieb von, Schriftsteller, geb. 31. Jan. 1741 zu Gerdauen in Ostpreußen, wo sein Vater Schulrektor war, gest. 23. April 1796 in Königsberg, bezog in seinem 16. Jahr die Universität Königsberg, um Theologie zu studieren, und machte hier die Bekanntschaft des russischen Leutnants v. Keyser, der ihn 1760 mit nach Petersburg nahm und zuerst in die Kreise der großen Welt einführte. Nach seiner Rückkehr nach Königsberg ward H. Hauslehrer, gab aber 1762 diese Stelle auf, um sich dem Studium der Rechtswissenschaft zu widmen. Die Liebe zu einem vornehmen und reichen Mädchen hatte ihn zu diesem Entschluß gebracht, und er verfolgte sein Ziel mit unermüdlichem Eifer, entsagte aber nach Erreichung desselben seiner Liebe, um im ehelosen Stande seine hochfliegenden Pläne nachdrücklicher verfolgen zu können. Er erwarb sich ein bedeutendes Vermögen und stieg in der Beamtenlaufbahn rasch empor. 1765 wurde er Rechtskonsulent bei dem Stadtgericht in Königsberg, 1780 dirigierender Bürgermeister und Polizeidirektor daselbst mit dem Charakter eines Geheimen Kriegsrats und Stadtpräsidenten. Den vernachlässigten Adel seiner Familie ließ er 1790 erneuern. H. war einer der merkwürdigsten Charaktere, ein Sonderling, in dem sich die stärksten Gegensätze vereinigten. Schwärmerei und Neigung zum Aberglauben paarten sich in ihm mit einem hellen Verstand, eine an Bigotterie grenzende Frömmigkeit und warmer Tugendeiser mit Leidenschaftlichkeit und Sinnlichkeit, schwärmerische Freundschaft mit Verschlossenheit, Herrschsucht und Strenge mit heiterm und zuvorkommendem Wesen, Begeisterung für Natur und Einfachheit mit Neigung zum Luxus und leidenschaftlicher Geldgier, Uneigennützigkeit in seinen moralischen Grundsätzen mit dem größten Egoismus im praktischen Handeln. In seinen Schriften, die bis an seinen Tod anonym erschienen, behandelte er mit Vorliebe die tiefern Probleme des Lebens. Bei mehr oder weniger mangelhafter Form zeugen sie von großer Menschenkenntnis und enthalten eine Fülle dieser Beobachtungen, zu deren ruhiger Mitteilung es aber die stets abspringende, ungezügelte Phantasie und der launenhafte Witz des Autors selten kommen lassen. Sein bekanntestes Buch ist die Schrift »Über die Ehe« (Berl. 1774; neu hrsg. von Brenning, Leipz. 1872). In seinem Werk »Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber« (Berl. 1792) zieht er gegen die Ausschließung der Frauen von der bürgerlichen und gelehrten Tätigkeit zu Felde. Denselben Zweck verfolgt die Schrift »Über weibliche Bildung« (Berl. 1801). Seine »Lebensläufe nach aufsteigender Linie, nebst Beilagen A. B. C.« (Berl. 1778–81, 3 Bde.; neu bearbeitet von A. v. Öttingen, Leipz. 1878, 3 Bde.; 3. Aufl. 1892), ein Roman, dessen Humor aus dem tiefsten Ernste der Lebensanschauung geboren ist, der die innern Kämpfe einer reichbegabten Natur darstellt, ist eine höchst charakteristische Schöpfung für jene Übergangsperiode, in der sich die Romandichtung von Reflexionen über das Leben zur Wiedergabe des Lebens selbst durcharbeitete. In dem Werk »Zimmermann I. und Friedrich II., von Joh. Heinr. Friedr. Quittenbaum, Bildschnitzer in Hannover; London, gedruckt in der Einsamkeit 1790« wie in dem Roman »Kreuz- und Querzüge des Ritters A bis Z« (Berl. 1793–94, 2 Bde.) besprach er politische Zustände und Zeitereignisse, in letzterm namentlich das Treiben der geheimen Gesellschaften damaliger Zeit, mit scharfer Satire, aber in abspringender, ungleicher Darstellung, unter welcher der Eindruck leidet. Er gab auch geistliche Lieder und andre poetische Versuche heraus, unter denen seine idyllischen »Handzeichnungen nach der Natur« (Berl. 1790) hervorzuheben sind. Sein von Lessing in der Dramaturgie (Stück 22) besprochenes Lustspiel »Der Mann nach der Uhr« (2. Aufl. 1771) ist reich an drolligen Einfällen. Er schrieb auch »Über das Königsberger Stapelrecht« (Berl. 1791). Seine Selbstbiographie in Schlichtegrolls »Nekrolog« ist besonders gedruckt (Gotha 1800). Eine Ausgabe seiner »Sämtlichen Schriften« erschien in Berlin 1828–39, 14 Bde. Vgl. A. v. Öttingen, Vor hundert Jahren. Gedenkblatt zur Säkularfeier des ältesten baltischen Romans (Dorpat 1878); Czerny, Sterne, Hippel und Jean Paul (Berl. 1904). – Sein Neffe Theodor Gottlieb v. H., gest. 10. Juni 1843 als pensionierter Regierungspräsident in Bromberg, war der Verfasser des bei Beginn der Befreiungskriege vom König Friedrich Wilhelm III. von Preußen unterm 17. März 1813 von Breslau aus erlassenen Aufrufs »An Mein Volk«. Auch veröffentlichte er »Beiträge zur Charakteristik Friedrich Wilhelms III.« (Bromb. 1841). Seine Biographie schrieb Th. Bach (Bresl. 1863).

2) Artur von, Mediziner, geb. 24. Okt. 1841 auf der Domäne Fischhausen in Ostpreußen, studierte seit 1860 in Königsberg, Berlin, Würzburg, Wien und Paris, wurde 1865 Assistent bei Professor Jacobson in Königsberg, habilitierte sich daselbst 1868 als Privatdozent, wurde 1874 außerordentlicher Professor, ging 1879 als ordentlicher Professor und Direktor der ophthalmologischen Klinik nach Gießen und 1890 nach Königsberg und 1892 als Nachfolger Gräfes nach Halle. Er arbeitete über den Einfluß der Nerven auf die Höhe des intraokularen Druckes, über die Behandlung totaler stationärer Hornhauttrübungen, über Transplantation der Cornea, über einseitige kongen itale Farbenblindheit, über die Inquirity-Ophthalmie, über eine neue Methode der Hornhauttransplantation. Er schrieb: »Über die Wirkung des Strychnins auf das normale und kranke Auge« (Berl. 1873); »Über den Einfluß hygienischer Maßregeln auf die Schulmyopie« (Gießen 1889); »Über totale angeborne Farbenblindheit« (Berl. 1894), auch gab er den »Bericht über die ophthalmologische Universitätsklinik in Gießen 1879–1881« (Stuttg. 1881) heraus.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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