- Amtsgerichte
Amtsgerichte, nach dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz (§ 22–57) die mit den Einzelrichtern (Amtsrichtern) besetzten Untergerichte. Jeder Amtsrichter erledigt regelmäßig die ihm obliegenden Geschäfte als Einzelrichter. Sind mehrere Amtsrichter bei einem Amtsgericht angestellt, so findet eine Geschäftsverteilung statt und wird einem Amtsrichter (Oberamtsrichter) die allgemeine Dienstaufsicht von der Landesjustizverwaltung übertragen. Nur für diejenigen Fälle, in denen die A. als Strafgerichte zu urteilen haben, ist das einzelrichterliche Prinzip aufgegeben, und entscheiden die Schöffengerichte (s. d.), bestehend aus dem Amtsrichter als Vorsitzendem und zwei aus dem Volke gewählten Schöffen. Vor die A. gehören: 1) auf dem Gebiete des Zivilprozesses, soweit nicht die Landgerichte (s. d.) ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes zuständig sind, diejenigen vermögensrichterlichen Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 300 Mk. nicht übersteigt. Ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes gehören nach § 23 des Gerichtsverfassungsgesetzes vor die A. eine Menge von Streitigkeiten, die ein besonders schleuniges Verfahren oder eine besondere Vertrautheit mit gewissen Lebensverhältnissen voraussetzen, insbes. gewisse Streitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern, zwischen Dienstherrschaft und Gesinde oder Arbeitgebern und Arbeitern, Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirten, Fuhrleuten etc., ferner Streitigkeiten wegen Viehmängel sowie solche wegen Wildschadens oder aus einem außerehelichen Beischlaf. Ferner erstreckt sich die sachliche Zuständigkeit der A. auf das Aufgebotsverfahren, das Entmündigungsverfahren, das Mahnverfahren, das Sühneverfahren, auch ist das Amtsgericht Konkursgericht und Vollstreckungsgericht. Endlich ist das Amtsgericht in gewissen Fällen auch neben den Landgerichten bezüglich gewisser Maßregeln zuständig, so für Arreste und einstweilige Verfügungen und für die Beweisaufnahme zur Sicherung des Beweises (s. d.). Vgl. Zivilprozeßordnung, § 486, 510, 609, 689, 764, 919, 942, und Konkursordnung, § 71. 2) In Strafsachen ist der Amtsrichter Vorsitzender des Schöffengerichts (s. d.) und erläßt an dessen Stelle die außerhalb des Hauptverfahrens erforderlichen Entscheidungen, auch darf er in gewissen einfachen Fällen ohne Zuziehung von Schöffen verhandeln und Strafbefehle (s. d.) erlassen. Ferner hat er im Vorbereitungsverfahren und im Untersuchungsverfahren sowie bei der Vollstreckung der Urteile mitzuwirken. Vgl. Gerichtsverfassungsgesetz, § 26, 39; Strafprozeßordnung, § 31, 157, 160, 163, 164, 183 ff., 197 ff., 200, 211, 447 ff., 453 ff., 463. 3) Außerdem sind die A. in weitem Umfang mit der freiwilligen Gerichtsbarkeit befaßt. Ihnen liegt fast überall die Führung des Grundbuches (als Grundbuchamt) ob. Auch sind sie die Vormundschaftsgerichte und Nachlaßgerichte. Ferner steht ihnen die Bestätigung der Annahme an Kindes Statt zu, auch haben sie die Güterrechtsregister, Handelsregister, Genossenschaftsregister, Musterregister und die Schiffsregister zu führen und liegt ihnen die gerichtliche Beurkundung von Rechtsgeschäften sowie die gerichtliche Beglaubigung von Handzeichen ob. Vgl. die Grundbuchordnung vom 20. Mai 1898, § 1 und 100, sowie das Reichsgesetz, betreffend die freiwillige Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898, § 35, 65, 69, 72, 125, 145, 149 und 167. Vgl. Ebert, Das amtsgerichtliche Dezernat (5. Aufl., Bresl. 1901). Weiteres s. Gericht.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.