Zuständigkeit

Zuständigkeit

Zuständigkeit (Geschäftskreis, Kompetenz, Ressort), der einer Behörde gesetzte Kreis für ihre Wirksamkeit und ihre hiernach sich bestimmende amtliche Befugnis. Diese Z. ist zunächst sachlich begrenzt je nach der Verschiedenartigkeit der Amtstätigkeit der Behörden. Innerhalb dieser verschiedenen Berufssphären kann dann die Z. wiederum sachlich abgegrenzt sein. So gehören z. B. Übertretungen und leichte Vergehen vor die Schöffengerichte, schwere Verbrechen vor die Schwurgerichte. Dazu kommt die räumliche Abgrenzung der Amtsbezirke und das Verhältnis der Über- und Unterordnung, in dem die Behörden zueinander stehen (Instanzenzug). Die Z. der Gerichte (s. d.) ist durch verschiedene Gesetze genau geregelt (vgl. auch Gerichtsbarkeit und Gerichtsverfassung). Ist die Frage, welches Gericht im einzelnen Jalle zuständig (kompetent) sei, zwischen verschiedenen Gerichten streitig, so spricht man von einem Kompetenzkonflikt. In solchen Fällen ist (auch nach der österreichischen Jurisdiktionsnorm, s. d.) die Entscheidung des betreffenden Obergerichts maßgebend. Schwieriger gestaltet sich die Frage, wenn es streitig ist, ob eine Angelegenheit vor die Verwaltungsbehörden, oder ob sie vor die Gerichte gehöre, ob sie also eine Justiz- oder eine Verwaltungssache sei (s. Verwaltung). Nach dem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz (§ 17) haben bei Kompetenzkonflikten der letztern Art grundsätzlich die Gerichte über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden. Die Landesgesetzgebung kann jedoch die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten über die Zulässigkeit des Rechtsweges besondern Behörden nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen übertragen: 1) Die Mitglieder eines Kompetenzgerichtshofs werden für die Dauer des zur Zeit ihrer Ernennung von ihnen bekleideten Amtes oder, falls sie zu dieser Zeit kein Amt bekleiden, auf Lebenszeit ernannt. Eine Enthebung vom Amt kann nur unter denselben Voraussetzungen wie bei den Mitgliedern des Reichsgerichts stattfinden. 2) Mindestens die Hälfte der Mitglieder muß dem Reichsgericht oder dem obersten Landesgericht oder einem Oberlandesgericht angehören. Bei Entscheidungen dürfen Mitglieder nur in der gesetzlich bestimmten Anzahl mitwirken. Diese Anzahl muß eine ungerade sein und mindestens fünf betragen. 3) Das Verfahren ist gesetzlich zu regeln. Die Entscheidung erfolgt in öffentlicher Sitzung nach Ladung der Parteien. 4) Sofern die Zulässigkeit des Rechtsweges durch rechtskräftiges Urteil des Gerichts feststeht, ohne daß zuvor auf die Entscheidung der besondern Behörde angetragen war, bleibt die Entscheidung des Gerichts maßgebend.

In vielen Staaten sind für die Entscheidung der Kompetenzkonflikte zwischen Gerichts- und Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten besondere Gerichtshöfe eingerichtet, die teils aus richterlichen, teils aus Verwaltungsbeamten zusammengesetzt sind; soz. B. in Preußen der Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, der nach der Verordnung vom 1. Aug. 1879 aus elf vom König auf Vorschlag des Staatsministeriums ernannten Mitgliedern besteht, wovon sechs Mitglieder des Kammergerichts und fünf für den höhern Verwaltungsdienst oder zum Richteramt befähigt sein müssen. Zur »Erhebung des Kompetenzkonflikts« sind nur die Zentral- und Provinzialbehörden befugt. Haben sich sowohl die Gerichte als die Verwaltungs- oder Verwaltungsgerichts-Behörden für unzuständig erklärt, so entscheidet der Kompetenzgerichtshof auf Antrag einer beteiligten Partei. Ganz ähnlich ist die Sache in Bayern geregelt durch Gesetz vom 18. Aug. 1879. In Baden werden die Kompetenzkonflikte durch das Staatsministerium unter Ausschluß des beteiligten Fachministers und unter Zuziehung von drei Mitgliedern der Gerichtshöfe entschieden, in Hessen durch den Verwaltungsgerichtshof. In Frankreich steht die Entscheidung dem Staatsrat, in England den Reichsgerichten, in Holland und Belgien dem Kassationshof, in Nordamerika den Justizbehörden, in Italien und Spanien dem Staatsrat und in den meisten schweizerischen Kantonen dem Großen Rat zu. In Österreich entscheidet Kompetenzkonflikte das Reichsgericht und Kompetenzkonflikte zwischen dem letztern und dem Verwaltungsgerichtshof ein aus je vier Mitgliedern beider Gerichtshöfe zusammengesetzter Senat unter dem Vorsitz des Präsidenten des obersten Gerichtshofs oder seines Stellvertreters. Im Deutschen Reiche kann die Entscheidung der Kompetenzkonflikte auf Antrag eines Bundesstaats und mit Zustimmung des Bundesrats auch dem Reichsgericht durch kaiserliche Verordnung überwiesen werden. Kompetenzstreitigkeiten zwischen Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten werden in Preußen vom Oberverwaltungsgericht, in Württemberg vom Kompetenzgerichtshof und in Bayern von einem besondern Senat des Verwaltungsgerichtshofs entschieden, der sich aus höhern Verwaltungsbeamten und Mitgliedern des obersten Verwaltungsgerichtshofs zusammensetzt. Auch die Kompetenzfrage in Ansehung der richterlichen und der gesetzgebenden Gewalt ist vielfach erörtert worden; die Ansicht, daß der Richter zwar nicht über die Rechtmäßigkeit eines Gesetzes, d. h. über die verfassungsmäßige Entstehung desselben, unmittelbar entscheiden, wohl aber in einem gegebenen Fall ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit seiner Entstehung oder Verkündigung für unanwendbar erklären und somit mittelbar über dessen Gültigkeit erkennen könne, ist jetzt als die herrschende zu bezeichnen. Vgl. Pfeiffer, Praktische Ausführungen, Bd. 3, S. 182–632; Bd. 5, S. 201 ff.; Bd. 6, S. 1–124 (Hannov. 1831–41); Baasel und Harnisch, Die Z. der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichts-Behörden (Düsseld. 1889); weitere Literatur beim Artikel »Verwaltung«.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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