Chateaubriand

Chateaubriand

Chateaubriand (spr. schatobrisáng), François René (nicht Auguste), Vicomte de, berühmter franz. Schriftsteller und Staatsmann, geb. 4. Sept. 1768 zu St.-Malo in der Bretagne, gest. 4. Juli 1848 in Paris, stammte aus altadliger Familie, besuchte die Collèges zu Dol, Dinan, Rennes und wurde erst zum Seedienst, dann zum geistlichen Stand bestimmt, trat schließlich aber als Leutnant in das Regiment Navarra. Nach dem Tode seines Vaters (1786) ging er nach Paris, trat in Verbindung mit Parny, Ginguené, Le Brun, Chamfort u. a., unter deren Einfluß er Freidenker wurde, und schiffte sich 1791, um die nordwestliche Durchfahrt aufzufinden, nach Nordamerika ein, wo er fünf Monate blieb. Zurückgekehrt, trat er nach seiner schleunigen Vermählung mit einer reichen Erbin in das Emigrantenheer, wurde bei Thionville verwundet und floh 1793 nach London, wo er in großer Not lebte. Hier entstand sein »Essai sur les révolutions, etc.« (Lond. 1797, 2 Bde.), ein unreifes Gemisch von Vorurteilen, religiösen Zweifeln und philosophischen Betrachtungen nach J. I. Rousseau. Die Nachricht von dem Tode seiner Mutter (1798) bewirkte in ihm eine Umkehr zum positiven Christentum. In dieser Stimmung verfaßte er sein »Génie du christianisme« (1802, 5 Bde., u. ö.; deutsch von Schneller, Freiburg 1856–57), eine glänzende Apologie des Christentums, die weder historisch noch dogmatisch, sondern lediglich poetisch und ästhetisch ist; sie erfuhr vielfache Angriffe, auch von theologischer Seite, und wurde von der Kirche auf den Index gesetzt. Ein Jahr vorher hatte er im »Mercure de France« daraus die Episode »Atala« veröffentlicht, welche die majestätische Schönheit der amerikanischen Natur mit der herben, entsagungsvollen Strenge des Christentums vereinigte und zwar mit solcher Pracht und Üppigkeit der Diktion, daß alle Welt entzückt war. Ähnlichen Erfolg hatte »René, ou les effets des passions«, eine Episode, die C. erst 1807 aus dem Hauptwerk loslöste, eine Art christlichen Werthers mit Byronschem Weltschmerz und Faustscher Genußsucht, das Abbild der Persönlichkeit des Autors selbst. Den Schluß zu »René« bilden »Les Natchez«, die 1825 im Druck erschienen. Als C. 1800 nach Frankreich zurückkehrte, schloß er sich ernstlich dem Konsulat an und ging 1803 als Gesandter nach Rom; doch ward er dieser Stellung bald überdrüssig, und der am Herzog von Enghien (1804) verübte Justizmord bot ihm die erwünschte Gelegenheit, sein Amt niederzulegen. 1806 trat er seine bekannte Reise nach dem Orient an; er besuchte Griechenland, Palästina, Afrika und Spanien. Früchte derselben waren das große religiöse Epos in Prosa: »Les Martyrs« (1809, 2 Bde.; deutsch von Fesenmair, Münch. 1864), an dem er seit 1802 arbeitete, sodann das »Itinéraire de Paris à Jérusalem« (1811, 3 Bde.; deutsch von Haßler, Freiburg 1817), Schilderungen der Örtlichkeiten, auf denen die »Martyrs« sich abspielen, beides Meisterwerke sorgfältiger Ausführung und harmonischen Stils. 1811 wurde C. in die Akademie gewählt an die Stelle M. I. Chéniers, des Revolutionärs und scharfen Kritikers seines »Génie du christianisme«. Da er aber statt der üblichen Lobrede eine höchst abfällige Beurteilung seines Vorgängers vorlegte, so verbot der Kaiser, die Rede zu halten. C. tritt nun in Opposition zu Napoleon und wird eine politische Persönlichkeit. Sein Haß macht sich am schärfsten geltend in dem unwürdigen Pamphlet »De Buonaparte, des Bourbons etc.«, das 1814 nach dem Sturze des Kaisers erschien und für Ludwig XVIII. »eine Armee wert« gewesen ist. Während der Hundert Tage wurde er Minister, dann Pair von Frankreich; als solcher saß er auf der äußersten Rechten und war royalistischer als der König selbst, wie seine Schriften: »Réflexions politiques« (1814) und »De la monarchie selon la charte« (1816) beweisen. Seine Unbesonnenheit erregte den heftigsten Unwillen des Königs; erst seine »Mémoires, lettres et pièces authentiques touchant la vie et la mort du duc de Berri« (1820) brachten eine Versöhnung zustande. C. wurde 1820 Gesandter in Berlin, dann Minister, Gesandter in London, Bevollmächtigter auf dem Kongreß zu Verona und 28. Dez. 1822 Minister des Auswärtigen und als solcher Haupturheber des spanischen Krieges, der dieses unglückliche Land härter als je in Fesseln schlug. Seine unermeßliche Eitelkeit brachte ihn jedoch bald in Differenzen mit Villèle; er wurde ungnädigst entlassen, trat aus Wut in die liberale Opposition und bekämpfte als Pair mit allen Mitteln der entfesselten Presse die Villèleschen Institutionen. Er schrieb nun in dem »Journal des Débats« seine glänzenden Artikel für Preßfreiheit und gegen die Zensur, für die Wiederherstellung GriechenlandsNote sur la Grèce«) etc. und nahm unter dem liberalen Ministerium Martignac 1828 den Gesandtschaftsposten in Rom an, den er aber 1829 niederlegte, als der Herzog von Polignac Minister wurde. Mit der Julirevolution, an der er keinen Anteil nahm, trat er in die dritte Periode seines politischen Wirkens: er verweigerte dem Bürgerkönig den Eid der Treue, schied aus der Pairskammer und blieb den Bourbonen treu, unterhielt aber zu gleicher Zeit Verbindungen mit den Republikanern, besonders mit Carrel und Béranger. Die letzten bedeutenden Aktionen seines Lebens waren seine Reisen im Interesse der Bourbonen (1831 nach Prag, 1843 nach Belgrave Square); die übrige Zeit blieb er ruhig in der Abbaye-aux-Bois, mit der Abfassung seiner Memoiren beschäftigt, in der Nähe seiner Freundin Mad. Récamier, der er 20 Jahre lang treu geblieben ist, und in deren Salon er der Mittelpunkt und Abgott des jungen Frankreich war. Er wurde über einem Felsvorsprung (le Grand-Bé) bei St.-Malo begraben; in der Stadt ließ ihm die Nation ein Denkmal errichten (von Millet). Von seinen Werken sind noch zu nennen: »Les aventures du dernier des Abencérages« (1826), die Erzählung eines Abenteuers in der Alhambra auf seiner Reise durch Spanien. vielleicht sein vollendetstes Werk (mit »Atala« und »René« übersetzt von M. v. Andechs, Hildburgh. 1866); »Etudes ou discours historiques« (1831, 4 Bde.); »Voyages en Amérique, en France et en Italie« (1827, 2 Bde.); »Essai sur la littérature anglaise« (1836, 2 Bde.); eine Übersetzung von Miltons »Paradise lost« (1836); »Mémoires d'outretombe«, an denen er 1811–33 geschrieben hat. Wegen der vielen persönlichen Anspielungen, die das Werk enthielt, sollte es erst lange nach seinem Tode veröffentlicht werden; aber die Geldnot, in der sich C. immer befand, zwang ihn, das Manuskript um einen hohen Preis zu verkaufen, und noch bevor erdie Augen geschlossen, begann der Verleger den Abdruck als Feuilleton in der »Presse«, dann in 12 Bänden (1849 bis 1850). Die Enttäuschung war allgemein; man fand einen Wust von Widersprüchen und falschen Behauptungen und ärgerte sich über die lächerliche Eitelkeit des Autors und über die ungerechten Urteile; doch verleugnet sich Chateaubriands geistvolle Art keineswegs. Ein Meister der Sprache, ein Dichter durch seinen Reichtum an schöpferischer Phantasie, obwohl er fast nur in Prosa geschrieben und vieles aus ältern Reisebeschreibungen entlehnt hat, steht er mit Recht an der Spitze des 19. Jahrhunderts. Er ist zugleich Vorkämpfer und oberstes Haupt der Romantik in Frankreich. Nicht zu vergessen ist, daß ihm für die literarischen Werke Fontanes, für die politischen der ältere Bertin als Berater zur Seite standen. Unter den zahlreichen Ausgaben seiner »Œuvres complètes« sind die von C. selbst besorgte (1826–31, 31 Bde.) und die von Sainte-Beuve (1859–61, 12 Bde.) hervorzuheben; eine deutsche Gesamtausgabe erschien in 66 Bänden (Freiburg i. Br. 1827–28). Die einzelnen Werke sind oft aufgelegt worden, z. B. »Atala« 1862, mit Zeichnungen von G. Doré; die »Mémoires« 1856 (in 8 Bdn.), 1898–1900 (von Biré, in 6 Bdn.). Vgl. Villemain, C., sa vie, ses écrits (Par. 1858, 2 Bde.); Sainte-Beuve, C. et son groupe littéraire sous l'empire (das. 1860, 2 Bde., 3. Aufl. 1873); de Lescure, C. (das. 1892); Pailhès, C., sa femme et ses amis (Bord. 1896); Maurel, Essai sur C. (Par. 1898); G. Bertrin, La sincérité religieuse de C. (das. 1899); Biré, Les dernières annés de C., 1830–1848 (das. 1902); Lady Blennerhassett, C. (Mainz 1902).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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  • chateaubriand — [sha tō΄brē än′] n. [after CHATEAUBRIAND Vicomte François René de] a thick beef fillet cut from the center of the tenderloin, usually grilled and served with a sauce …   English World dictionary

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