Béranger

Béranger

Béranger (spr. -rangschē), Pierre Jean de, berühmter franz. Liederdichter, geb. 19. Aug. 1780 in Paris von armen Eltern, gest. daselbst 16. Juli 1857, wurde von seinem Großvater, einem armen Schneider, erzogen und nach, dem Sturm auf die Bastille (1789) zu einer Tante gegeben, die ein Wirtshaus in Péronne hielt. In seinem 14. Jahr trat er bei einem Buchdrucker in die Lehre, lernte hier in kurzer Zeit orthographisch schreiben und gewann an André Chéniers Gedichten, die er zu setzen hatte, die ersten Begriffe von Stil und Versbau. 1797 kehrte er nach Paris zu seinen Eltern zurück und plante größere Dichtungen, die nicht zur Vollendung kamen. Sein Vater hatte durch verfehlte Spekulationen und royalistische Konspirationen sich zu Grunde gerichtet; die Familie lebte in der größten Dürftigkeit, und schon faßte der junge B. die Idee, als Soldat nach Ägypten zu gehen, als seine lyrischen Versuche dem damaligen Senator Lucian Bonaparte vor Augen kamen (1803), der dem jugendlichen Dichter den eignen, ihm als Mitglied des Instituts zukommenden Jahresgehalt anwies. 1809 erhielt er auf Arnaults Empfehlung eine Sekretärstelle an der Universität mit 1000, später 1200 Frank Gehalt, die er bis 1821 verwaltete. Das genügte, um dem Dichter seine Sorglosigkeit und seinen Frohsinn wiederzugeben. In diese Zeit (1810–14) fallen einige seiner leichtesten und lustigsten Lieder. 1813 wurde er in die fröhliche Genossenschaft des »Caveau« aufgenommen, deren Präsident Désaugiers war, und dichtete die freilich sehr harmlose Satire auf Napoleon: »Le roi d'Yvetot«. Die erste Sammlung seiner Lieder: »Chansons morales et autres« (Par. 1815), in denen die Politik noch unberührt blieb, wurde mit Begeisterung aufgenommen, trug ihm aber eine Rüge von seiten der vorgesetzten Behörde ein. Unbekümmert darum sang B. weiter, gab aber an demselben Tag, an dem die zweite Sammlung erschien, seine Stellung auf (1821). In der Zwischenzeit war nämlich in ihm eine Wandlung vorgegangen. Teilnahmlos hatte er 1814 das Empire fallen und die Restauration einziehen sehen; das ihm während der Hundert Tage angetragene Amt eines Zensors hatte er ausgeschlagen. Aber je mehr die Reaktion um sich griff, je unverhüllter die Pläne der »Junker und Pfaffen« zutage traten, um so heftiger wurde Bérangers Opposition. Schon waren 11,000 Exemplare verkauft, als die Regierung die übrigen mit Beschlag belegte und den Dichter vor Gericht zog, das B. zu dreimonatiger Gefängnisstrafe und 500 Fr. Geldbuße verurteilte. Eine dritte Sammlung: »Chansons nouvelles«, erschien 1825, eine vierte: »Chansons inédites«, folgte 1828; sie trug dem Dichter einen neuen Prozeß, neun Monate Gefängnis und 10,000 Fr. Geldbuße ein, die sofort durch eine von seinen Freunden (Laffitte u. a.) eröffnete Subskription gedeckt wurde. So erreichte die Regierung ihren Zweck nicht; der Dichter ging ruhig ins Gefängnis und besang weiter »die Feinde des Fortschritts und der Freiheit«. In welchem Maß diese Lieder der Julirevolution vorgearbeitet haben, läßt sich am besten aus der 1833 herausgegebenen letzten Liedersammlung erkennen. Aber die ihm angebotenen Ämter und Würden lehnte er standhaft ab, ebenso wie den Sitz in der Akademie, einen Platz als Deputierter nach der Februarrevolution und das Kreuz des zweiten Kaiserreichs. 1833 hatte er seinem Verleger Perrotin alle seine Werke für eine Leibrente von 800 Fr. verkauft; seitdem lebte er meist auf dem Land, in Passy, erst seit 1852 wieder in Paris. Als er 1857 starb (in der jetzt nach ihm benannten Straße), übernahm der Staat die Kosten der Bestattung; er wurde begraben mit den Chren eines Marschalls von Frankreich, obgleich er nur den Leichenwagen der Armen für sich begehrt hatte. Seine Geliebte, Judith Frère, ist neben ihm beigesetzt. In Paris ist ihm ein Denkmal errichtet. Seine »Œuvres complètes«, mit und ohne Illustrationen, haben zahlreiche Auflagen erlebt; auch die Melodien (La musique) zu den Liedern wurden gedruckt, z. B. von Casadeus (Par. 1899). Eine treffliche Übersetzung der sämtlichen Gedichte hat Seeger geliefert (2. Aufl., Stuttg. 1859), einzelne haben Chamisso und Gaudy in ihre Sammlungen aufgenommen. Zu erwähnen sind außerdem die Übersetzungen von Laun (2. Aufl., Norden 1889) und von G. Weber (Kiel 1881) sowie die Sammlung von Schrutz (Halle 1890). Bérangers Lieder sind zum Teil zu wirklichen Volksliedern geworden, wie »Le Dieu des bonnes gens«, oder »Les hirondelles« (Captif au rivage des Maures); »Les deux grenadiers« ist bekanntlich von Heine nachgeahmt. Bérangers Briefwechsel, herausgegeben von Boiteau (1859–60, 4 Bde.), erregte große Streitigkeiten in der Presse. Vgl. Arnould, Béranger, ses amis, ses ennemis et ses critiques (Par. 1864, 2 Bde.); Janin, B. et son temps (das. 1866); Brivois, Bibliographie de l'œuvre de B. (das. 1876)


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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