Bibelgesellschaften

Bibelgesellschaften

Bibelgesellschaften, Vereine, die sich die Verbreitung der Bibel unter allen Klassen und Schichten der Gesellschaft zum Zweck setzen. Der Baron Hildebrand v. Canstein, ein Freund Speners, errichtete unter Franckes Mitwirkung 1710 in Halle eine Bibelanstalt zu dem Zwecke, die Bibel möglichst wohlfeil herzustellen (vgl. Canstein). Auch in England und Schottland entstanden verschiedene Gesellschaften zur Verbreitung der Vibel und christlicher Erbauungsschriften. 1802 wandte sich der Prediger Thomas Charles zu Bala in Nordwales an die Londoner Traktatgesellschaft behufs Gründung einer Gesellschaft zur Verbreitung der Bibel in Wales. Der Gedanke wurde mit Begeisterung aufgenommen und auf Großbritannien, dann auf die bewohnte Erde ausgedehnt. So entstand 7. März 1804 die Britische und ausländische Bibelgesellschaft (the British and Foreign Bible Society). Die Gesellschaft verbreitet, der mündlichen Predigt der Missionare nachgehend, Bibeln ohne Apokryphen und Erklärungen in mehr als 100, das Neue Testament und Teile in etwa 330 Sprachen. Mitglied derselben ist, wer einen festen jährlichen Beitrag von einer Guinee zahlt. Heimische Hilfsgesellschaften (über 1100), auswärtige gegen 200 und 20 große Agenturen fördern die Einnahmen und die Verbreitung der Bibel. Fremde B. sind, bis eigne Kraft es unnötig machte, von der britischen unterstützt worden. Die Einnahme, die im ersten Jahr sich auf nur 619 Pfd. Sterl. belief, betrug 1900: 4,229,368 Mark, die Verbreitung 5,047,792 Exemplare. Im abgelaufenen Jahrhundert wurden insgesamt 165,057,186 Bibeln und Teile ausgegeben. Nach dem Muster der britischen Gesellschaft traten in den meisten christlichen Staaten ähnliche zusammen, namentlich in Rußland, Schweden, Norwegen, Dänemark, Deutschland, Holland, Frankreich und in der Schweiz. Mit der Macht einer ersten Liebe arbeitete unter dem Schutz Alexanders I., gefördert von griechisch-katholischen Bischöfen und vom Adel, die russische Bibelgesellschaft zu Petersburg, 1812 durch Paterson und Pinkerton gegründet, die, durch 289 Tochteranstalten in allen Teilen Rußlands unterstützt, 704,831 Bibeln und Teile der Bibel bis zu ihrer 1826 durch Nikolaus I. erfolgenden plötzlichen Aufhebung verbreitete. Die Bibelgesellschaft wurde dem Heiligen Synod unterstellt, ihre Beziehungen zu England beseitigt. 1831 erhielt sie bestätigte neue Statuten und arbeitet als »Evangelische Bibelgesellschaft in Rußland« mit etwa 20 Hilfsgesellschaften. Das ihr 1826 genommene Vermögen erhielt sie nicht wieder. Seit Jahrzehnten verbreiten englische und amerikanische Gesellschaften Bibeln unter allen Klassen der russischen Bevölkerung, auch hindert die griechische Kirche die Bibelverbreitung nicht. Für das protestantische Deutschland gründete der Kaufmann Kiesling 1804 die Nürnberger Bibelgesellschaft, die nachher nach Basel verlegt wurde. Katholische B. entstanden in Regensburg 1805 und in Heiligenstadt 1815. Jene wurde 1817 von Pius VII., diese zwar niemals förmlich aufgehoben, doch zogen sich die Katholiken seit 1826 zurück. Aus der 1806 durch den Prediger Jänike gestifteten Berliner Bibelgesellschaft ging die Preußische Hauptbibelgesellschaft (2. Aug. 1811) hervor, mit der 187 Hilfsgesellschaften verbunden sind, und die unter den deutschen B. den ersten Platz einnimmt. Sie verbreitete bis 1900 gegen 4 Mill. Heilige Schriften. Andre Gesellschaften bestehen in Stuttgart (Württembergische privilegierte Bibelanstalt, seit 1812, mit 47 Hilfsvereinen), in Dresden (Sächsische Hauptbibelgesellschaft, seit 1814, mit 42 Hilfsvereinen), Hannover, in den Hansestädten, Elberfeld, Nürnberg (Zentralverein für das protestantische Bayern), Baden, Schleswig, Straßburg u. a. In der Schweiz bestehen B. in Basel, Bern u. a. O., in Frankreich zwei zu Paris, in Schweden und Norwegen zu Stockholm, Gotenburg und Christiania, in Dänemark zu Kopenhagen, in den Niederlanden zu Amsterdam. Die große amerikanische Bibelgesellschaft endlich zählt über 1000 Tochteranstalten und vollbrachte das Riesenwerk, Nordamerika zweimal durchkolportieren zu lassen. Sie druckt in 34 Sprachen, in 8 indianischen Dialekten und führt Blindenbibeln. Seit ihrer Gründung (1816) hat sie über 60 Mill. Exemplare abgesetzt. Die Zahl der seit 1800 auf der ganzen Erde verbreiteten Bibeln wird auf 200 Mill. geschätzt. In Deutschland allein sind 1900 mehr als 700,000 Exemplare durch B. verbreitet worden. Sicher ist die Bibel gerade durch die B. ein wirksames Mittel zur Vermehrung allgemein menschlicher und christlicher Bildung geworden, des Nutzens für die linguistischen Studien, der aus diesen Bemühungen hervorgeht, nicht zu gedenken.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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