Berberei

Berberei

Berberei, der nordwestliche Teil von Afrika zwischen Mittelmeer und Sahara (s. Karte »Algerien etc.«), begreift Marokko, Algerien, Tunis und Tripolis (s. diese Artikel) und trägt seinen Namen von den das Land vorwiegend bewohnenden Berbern (s. Berber). Im Mittelalter nannte man diese Staaten, insbes. die drei letzten, Barbareskenstaaten und Barbarei; ihre Bewohner hielten als gefürchtete Seeräuber das ganze Mittelmeer in Schrecken und schleppten zahlreiche Christen in die Gefangenschaft.

Geschichte. Zu den hamitischen, »äthiopischen« Berbern kamen früh die semitischen Phöniker, die eine Reihe von Kolonien, darunter Karthago (um 800 v. Chr.), anlegten, sich z. T. mit den Einwohnern vermischten (»Libyphöniker«) und von den Syrten bis zur Meerenge von Gibraltar die Küste beherrschten, während das Binnenland seine Unabhängigkeit bewahrte. Die Römer faßten in Nordafrika seit dem zweiten Punischen Kriege Fuß; aber erst nach der Zerstörung Karthagos (146 v. Chr.) ward Africa römische Provinz. Westlich davon lagen die berberischen Reiche Numidien (Masinissa) und Mauretanien. Numidien östlich vom Fluß Ampsaga (Wedel-Kebir) wurde 46 v. Chr., Mauretanien 42 n. Chr. zur römischen Provinz gemacht. Unter Konstantin ward Nordafrika in sechs Provinzen geteilt, deren östlichste, Kyrenaika, bei der Teilung 395 dem oströmischen Reiche zufiel, während die übrigen Provinzen dem weströmischen verblieben. Um diese Zeit verbreitete sich das Christentum in Nordafrika so schnell, daß es in kurzem über 160 Bistümer gab; bedeutende Kirchenlehrer, wie Cyprian, Tertullian, Augustin, wirkten hier. 429 wurde die B. die Beute der Vandalen; Belisar gewann die Provinzen dem oströmischen Kaisertum 534 zurück. Bei Ostroms Schwäche wurden die Eingebornen im Innern wieder Meister des Landes und bemächtigten sich selbst des Küstenstrichs der Mauretania Tingitana; die byzantinische Herrschaft beschränkte sich auf Karthago und einige Küstenpunkte. 648 besiegte der arabische Feldherr Abdalla den Statthalter Gregorius von Karthago; die Eroberungen wurden fortgesetzt durch Okba, der Kairuan gründete, aber 683 von den vereinten Byzantinern und Berbern geschlagen ward. Dasselbe Schicksal widerfuhr 696 dem Araber Hasan ibn Noman; doch 699 eroberte Musa ibn Noseir Karthago. Die Einwohner nahmen den Islam an und verschmolzen allmählich mit ihren Besiegern. Residenz der Statthalter war Kairuan; an die Stelle Karthagos trat für Handel und Verkehr Tunis. Die Abhängigkeit von den Abbasiden in Bagdad hörte auf, als um 790 in Mauretanien und, ses (seit 806) die Dynastie der Edrisiden, um 800 in Kairuan und Tunis die Aghlabiden selbständige Kalifate bildeten. Auf die Aghlabiden folgten 908 die Fatemiden, die 986 auch die Länder der Edrisiden unterwarfen, aber selbst von den Zeiriten verdrängt wurden; letztere wiederum wurden um 1060 von den Almoraviden gestürzt, welche die Herrschaft 1149 an die Almohaden verloren. Die Dynastie der Almohaden wurde jedoch durch die Niederlagen, die sie im 13. Jahrh. in Spanien (1212 Tolosa) erlitt, sowie durch innere Kämpfe so erschüttert, daß in Tunis seit 1206 die Hafiden, in Tlemsen seit 1248 die Zi(z)aniden (Zioniten) und in Marokko 1269 die Meriniden aufkamen. Während die Expedition Ludwigs IX. von Frankreich gegen Tunis 1270 ohne Erfolg war, wurden die Mauren nach und nach aus Spanien vertrieben und wandten sich nach den nordafrikanischen Küstenstädten. Hierher wandte sich auch ein großer Teil der 1492 aus Spanien und 1495 aus Portugal vertriebenen Juden. Wegen der beginnenden Seeräuberei landeten die Spanier mehrmals in Afrika, bemächtigten sich der Häfen Ceuta, Melilla, Oran, Budschia (Bougie) und der Insel vor Algier, nahmen 1509 Tripolis und machten Tlemsen und Tunis zinsbar. Doch die Bedrängten riefen die Piraten Horuk und Chaireddin (s. Barbarossa 1 und 2) zu Hilfe; diese stürzten die arabischen Dynastien in Algier, Tunis und Tripolis und besetzten die B. für die Pforte; nur auf kurze Zeit entriß ihnen Karl V. 1535 Tunis. Seitdem herrschten in Algier türkische Paschas und seit 1600 von den Soldaten gewählte Deis, in Tunis bis 1576 Paschas, von da an Deis und von 1694 an ein erblicher Beg (Bei), der jedoch an Algier Tribut zahlte. Tripolis blieb noch eine Zeitlang in den Händen der Christen, ward ihnen aber 1551 von Dragut abgenommen; seitdem herrschten hier Paschas, die nach Konstantinopel Tribut zahlten. Seit der Besitznahme dieser Länder durch die Türken kam der Name B. und Barbaresken für ihre Bewohner auf (s. oben). Der Hauptsitz des Barbareskenwesens war Algier (s. d.), bis es 1830 von den Franzosen erobert wurde. Auch Tunis und Tripolis wurden genötigt, die Seeräuberei aufzugeben, und 1835 zu türkischen Provinzen gemacht; Tunis wurde 1881 von den Franzosen besetzt. Dagegen behauptete Marokko seine von der Pforte unabhängige Stellung untereiner 1546 von dem Scherif Mehemed, einem Abkömmling des Propheten, gegründeten Dynastie. Vgl. Ibn Chaldun, Histoire des Berbères (franz. Übersetzung von Slane, Par. 1852–56, 4 Bde.); Fournel, Les Berbers. Étude sur la conquête de l'Afrique par les Arabes (das. 1875–81, 2 Bde.); Mercier, Histoire de l'Afrique septentrionale jusqu'à la conquête française (das. 1888–90, 3 Bde.); Rinn, Les origines berbères, études linguistiques et ethnologiques (Algier 1889); Winckler und Schurtz im 3. und 4. Bande von Helmolts »Weltgeschichte« (Leipz. 1900 u. 1901).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Berberei — bezeichnete vom 16. bis zum frühen 19. Jahrhundert die nordafrikanischen Territorien des Maghreb zwischen Marokko und Ägypten.[1] Im Zuge der Kolonialisierung dieser Gebiete durch europäische Mächte (z. B. Frankreich) setzten sich die Bezeichnung …   Deutsch Wikipedia

  • Berberei — Berberei, nördlichster Theil Afrikas, zwischen dem Atlantischen u. Mittelmeere (bisweilen Barbarisches Meer genannt), Ägypten u. der Sahara, umfaßt bei einem Flächengehalt von 32,000 QM. die Reiche Marokko, Algier, Tunis, Tripolis. Der Name B.… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Berberei — Berberei, der vorwiegend von Berbern bevölkerte nordwestl. Teil von Afrika zwischen dem Mittelmeer und der Sahara: Marokko, Algerien, Tunesien, Tripolis. Als im 16. Jahrh. die Osmanen diese Gebiete unterworfen und den Seeraub vollständig… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Berberei — Berberei, die Küstenstaaten des nördl. Afrika mit Ausschluß Aegyptens, vom Mittelmeere bis an die Sahara reichend. Sie ist von dem Atlas in mehrfachen Längenzügen von West nach Ost durchzogen, diese selbst durch viele Querthäler gespalten, so daß …   Herders Conversations-Lexikon

  • Berberei — Ber|be|rei, die; (alter Name für die Küstenländer im westlichen Nordafrika) …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Afrika [1] — Afrika (gesch. Geogr.) I. In der alten Zeit wurde der Erdtheil, welcher jetzt A. heißt, nach der Eintheilung der Erde in 2 Erdtheile bald zu Europa, bald zu Asien gerechnet, u. gewöhnlich der Nil als die Grenze angenommen. Der Name A. kam erst… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Mauren — Mauren, eines der den Nordrand Afrikas (die Berberei) bewohnenden Völker, die ihren Namen von den alten Mauren od. Maurusiern, den Bewohnern des alten Mauritanien (s.d.), übernommen haben, ohne deren echte Nachkommen zu sein. Denn während die… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Tunis [1] — Tunis, 1) Staat der Berberei in Afrika, grenzt nördlich u. östlich an das Mittelmeer, westlich an Algier, südlich an Tripolis; hat 125 Meilen Küste u. 3700 QM. Flächengehalt. Die Beschaffenheit des Küstensaumes ist östlich vorherrschend stach,… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Barbaresken — Barbaresken, Einwohner der Berberei; die die Berberei bildenden Staaten heißen Barbareskenflaaten u. sind Algier, Tunis u. Tripolis …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Löwe [1] — Löwe (Felis leo L.), Raubtier aus der Familie und der Gattung der Katzen, hat einen kurzen, gedrungenen Körper, kurze, glatt anliegende, einfarbige Behaarung, eine ansehnliche Mähne um Hals und Vorderbrust des männlichen Tieres, breites Gesicht… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”