- Belgrad
Belgrad, 1) (serb. Beograd, »weiße Burg«, ungar. Nandor-Fejérvár) befestigte Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Serbien, 73 m ü. M., an der Vereinigung von Donau und Save und an der von Budapest nach Konstantinopel, bez. Salonichi führenden Eisenbahn, so daß sie die Wasser- und Landverbindungen nach allen vier Himmelsrichtungen hin beherrscht. Die gut armierte Festung zerfällt in die obere Festung mit Kommandantur (früher Residenz des Paschas), einigen Kasernen, Militärhospital und bombenfesten Kasematten, in denen Sträflinge untergebracht sind, und in die untere Festung mit großen Magazinen und Kasernen. Hart an der Donau steht der Turm Nebojse. Zwischen Festung und Stadt liegt der gegen 200 m breite Kalimejdan, ein früher wüster, jetzt in einen schönen Park umgewandelter Raum. B. wird in sechs Bezirke eingeteilt. Das alte Türkenviertel Dortschol ist fast ganz verschwunden; gerade Straßen durchkreuzen es. B. war bis 1862 mit Wällen umgeben, durch die fünf Tore in die eigentliche Stadt führten. Unweit des schönsten dieser Tore, des 1868 niedergerissenen Stambul Kapu, steht das 1871 eröffnete Nationaltheater und ihm gegenüber seit 1882 das eherne Denkmal des Fürsten Michael Obrenowić III. Außer einer alten Kirche in der obern Festung hat B. noch 4 griechisch-katholische und eine evang. Kirche, eine kath. Kapelle, 2 Synagogen und eine Moschee. Die Zahl der Einwohner beträgt (1900) 69,097, davon 39,659 Männer und nur 29,438 Frauen. Die Industrie ist ganz unbedeutend, dagegen ist B. Sitz des Handels zwischen Serbien und Österreich-Ungarn und vermittelt den lebhaften Transitverkehr zwischen Österreich und der Türkei. Zum Aufschwunge des Handels tragen viel die privilegierte serbische Nationalbank und die Kreditbank bei. Die Donaudampfschiffahrtsgesellschaft, die Österreichische Staatseisenbahngesellschaft und eine serbische Dampfschiffahrtsgesellschaft haben ihre Agenturen in B. An Lehranstalten bestehen: eine Universität, ein theologisches Seminar, 3 Gymnasien, eine Realschule, eine Lehrerbildungsanstalt und eine höhere Mädchenschule. In der Universität sind die Nationalbibliothek und das Museum (mit einer reichen Münzsammlung) untergebracht. B. ist Sitz eines deutschen Berufskonsuls. Zur leichtern Verbindung der entfernten Stadtteile dient die 1892 eröffnete Pferdebahn (jetzt elektrischer Betrieb) einer französisch-serbischen Gesellschaft, die auch die elektrische Beleuchtung der Stadt durchgeführt hat. 5 km westlich von B. die Eisenbahnstation Toptschider mit königlicher Sommerresidenz, schönen Parkanlagen und einem Wildgarten.
In letzterm wurde 1868 der Fürst Michael Obrenović III. ermordet. – B. steht an der Stelle des alten Singidunum, schon unter Augustus ein festet Platz der Römer. In den Kämpfen der Bulgaren, Griechen und Ungarn mehrmals zerstört, ward es 1343 vom serbischen Zaren Stephan Duschan ale Zwingburg wieder aufgebaut; bald nachher wurde die Festung von den Ungarn erobert und kam erst 1382 an die Serben zurück. Georg Branković, Fürst von Serbien, trat 1426 B. an Sigismund von Ungarn ab, der die Festungswerke verstärkte. Nachden B. von den Türken wiederholt belagert worden war (1440 von Murad II., 1456 von Mohammed II. gegen den Joh. Hunyadi B. durch den Sieg vom 24 Juni 1456 verteidigte), fiel es 29. Aug. 1521 in di; Hände Suleimans II. und gehörke von da an 167 Jahre lang zum türkischen Reich. Am 11. Aug. 1688 wurde B. von dem Kurfürsten Maximilian von Bayern mit 53,000 Mann kaiserlichen und Reichstruppen eingeschlossen und 6. Sept. erstürmt, aber schon 18. Okt. 1690 vom Großwesir Mustafa Köprülü zurückerobert. Prinz Eugen belagerte B. seit 16. Juli 1717 und zwang es, nachdem das türkische Entsatzheer 16. Aug. in der glänzenden Schlacht bei B. unter dem Großwesir Chalil Pascha zurückgeschlagen worden war, 18. (22.) Aug. zur Übergabe. Im Frieden von Poicharewatz (21. Juli 1718) blieb es den Österreichern, die es zu einem blühenden Handelsplatz umschufen; aber nach der Niederlage der Österreicher bei Krotzka wurde B. im Belgrader Frieden (18. Sept. 1739) nebst Schabatz und Orsova an die Türken abgetreten. Im österreichisch-türkischen Kriege 1788–91 wurde B. wieder (7. Okt. 1789) von dem österreichischen General Laudon erobert, fiel aber im Frieden von 1791 von neuem an die Türkei zurück. Als sich 1804 die Serben empörten, wurde B. von ihnen wiederholt belagert, 13. Dez. 1806 die umschanzte Stadt mit Sturm genommen und 30. Dez. die Festungsbesatzung, die im Januar 1807 abzog, zur Übergabe gezwungen. Die Stadt wurde hierauf Sitz der serbischen Regierung, geriet jedoch, als diese im Bukarester Frieden (28. Mai 1812) von den Russen preisgegeben worden var, nebst den übrigen serbischen Festungen abermals in die Gewalt der Türken, welche die Festung auch behaupteten, als sie 1834 die Unabhängigkeit Serbiens anerkannten. Erst 18. April 1867 wurde die von den türkischen Truppen geräumte Festung feierlich dem serbischen Fürsten Michael Obrenović III. übergeben. 2) Stadt, s. Karlsburg 1).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.