- Spinnen [2]
Spinnen (hierzu Tafel »Spinnereimaschinen I u. II« mit Text), aus kurzen Fasern durch Zusammendrehen beliebig lange Fäden (Gespinst, Garn, s. d.) erzeugen.
Damit das Garn die größte Gleichmäßigkeit und Festigkeit bekommt, müssen die Fasern von allen Verunreinigungen sowie kurzen Härchen befreit, gleichmäßig verteilt und in eine parallele Lage gebracht, demnach gewissen Vorbereitungsarbeiten unterworfen werden, bevor das eigentliche S. stattfinden kann. Je nachdem alle diese Arbeiten von der Hand mit einfachen Werkzeugen oder von mechanischen Vorrichtungen ausgeführt werden, unterscheidet man Hand- und Maschinenspinnerei.
1) Die Handspinnerei.
wird nur noch von den Landbewohnern zum S. des Flachses und der Wolle benutzt und wird nach der ältesten Methode mittels der Handspindel (Fig. 1), nach der viel später eingeführten Methode mit dem Spinnrad ausgeführt. Bei der Benutzung der Handspindel windet man den Spinnstoff (gehechelten Flachs oder gekratzte Wolle) um einen hölzernen Stock (Rocken) a, den die Spinnerin neben sich aufstellt oder in den Gürtel steckt. Das Ordnen der Fasern bewirkt sie durch Ausziehen mit der einen Hand, während sie mit der andern die Spindel am obern Ende dreht, an dem der Faden mit einer Schlinge in einem Häkchen oder einem schraubenförmigen Einschnitt so befestigt ist, daß die Drehung auf ihn übertragen wird. Diese Spindel b besteht aus einem hölzernen (selten elfenbeinernen oder bronzenen) Stäbchen von 20–30 cm Länge, das etwa 8 cm vom untern Ende 8–15 mm Dicke hat und sich von da aus nach beiden Enden zuspitzt. Hier befindet sich eine Schwungmasse c (Wirtel) aus Zinn oder Horn, in den ältesten Zeiten aus einem durchbohrten Stein, durch welche die Drehung der Spindel länger erhalten wird, wenn sie losgelassen, an dem sich bildenden Faden hängend, allmählich zur Erde sinkt.
Ist dies geschehen, so wird der Faden vom obern Ende der Spindel abgelöst, aufgewickelt und von neuem festgehakt, die Spindel gedreht etc. Viel nutzbringender ist das S. mit dem Spinnrad, durch das die beiden Operationen des Drehens und Aufwickelns der Hand abgenommen werden, während nur das Ordnen der Fasern (Ausziehen) ihr überlassen bleibt. Bei dem Handrad (Fig. 2) wird die frei schwebende Spindel a durch das von der rechten Hand an der Kurbel b gedrehte Rad c mittels Schnur ohne Ende in Umdrehung versetzt, während man in der linken das Spinnmaterial (meist Wolle) hält und in geeigneter Menge durch die Finger gleiten läßt. Zunächst wird der Faden gedreht, indem man ihn in der Richtung 1, d. h. unter stumpfem Winkel, gegen die Spindel hält und sich allmählich mit der linken Hand von der Spindel entfernt; hierauf bringt man ihn in die Richtung 2, wodurch er aufgewickelt wird.
Bei dem Trittrad (Fig. 3) ist eine Spindel xy an beiden Enden gelagert und bei y mit einem sogen. Kopfe versehen, welcher der Länge nach eine Durchbohrung mit einem Seitenloch sowie zwei Flügel a, a besitzt. Auf der Spindel befindet sich eine hölzerne Spule b zum Aufwickeln des Garnes i, i. Die Spindel xy erhält nun durch die Schnurrolle r (Wirtel) und die Schnur s, die Spule b durch die Schnurrolle u und die Schnur t, beide von dem durch den Fußtritt f, Schubstange e und Kurbel d in Umdrehung versetzten Schwungrad e aus eine Drehbewegung. Der bei y durch den Kopf gehende, von dem Spinnrocken kommende Faden i wird zunächst durch diese Bewegung gedreht, dann aber über kleine Häkchen des Flügels auf die Spule b geleitet, die einen kleinern oder größern Wirtel u hat als die Spindel, also mehr oder weniger Umdrehungen als diese macht und dadurch das Garn aufwickelt. Um hierbei ein regelmäßiges Bewickeln der Spule zu bewirken, wird der Faden der Reihe nach über andre Häkchen geleitet. Vgl. Rettich, Spinnradtypen (Wien 1895).
2) Die Maschinenspinnerei
bildet jetzt die Regel. Hierbei wird das Fasermaterial zur Reinigung, gleichmäßigen Verteilung und parallelen Lagerung der Fasern durch eine Reihe von Maschinen (Beschreibung und Abbildung derselben s. Tafel I u. II) geführt, die es als ein zusammenhängendes Band (Vorgarn) abliefern, das durch Verfeinerung und Drehung in Garn (Feingarn) verwandelt wird. Die Reinigung wird nur bei Wolle durch Waschen (Entschweißen) ausgeführt. Die andern Fasern werden durch Schlagen oder Auszupfen auf Öffnern, Wölfen, Teufeln und Schlagmaschinen (Batteur, Flackmaschine) in Verbindung mit Siebwerken oder fortgesetztes Hecheln (s. Flachs) so voneinander getrennt, daß die eingeschlossenen Verunreinigungen (bei Flachs Holzteilchen) Gelegenheit finden, sich von der Fasermasse zu trennen. Die Öffner zerfallen in Schlag- und Reißwölfe und dienen zum Öffnen (Wolfen) der Baumwolle, Wolle und Abfallfasern (Kunstwolle, Hede etc.), während die Schlagmaschine nur für Baumwolle und Hecheln nur für die Bastfasern (Flachs u. a.) brauchbar sind. Die gleichmäßige Verteilung der Fasern bezweckt, daß im Garn überall eine gleiche Anzahl Fasern parallel nebeneinander zu liegen kommt, und erfolgt unter gleichzeitiger Vereinigung zu einem langen Band (Locke) durch die Arbeit des Kratzens (Streichen, Krempeln, Kardätschen, Kardieren) auf Kratzmaschinen (Kratzen, Krempel-, Streichmaschinen) und durch Strecken mit Duplieren (Laminieren) auf den Streckmaschinen (Strecken, Streckstühlen, Laminierstühlen). Beim Kratzen zieht man das Spinnmaterial (Baumwolle, Werg, Streichwolle) mittels zahlreicher kleiner Zähne (Kratzenzähne) auseinander, vereinigt es wieder zu einer möglichst gleichmäßigen Schicht (Vlies) und verwandelt diese Schicht durch Zusammenziehen mittels eines Trichters in ein einziges Band oder durch Teilung des Vlieses in mehrere Bänder von etwa 10 mm Breite. Für die Bildung eines guten regelmäßigen Garnes ist möglichst gleiche Länge der gleichzeitig zu verspinnenden Fasern erforderlich, weshalb man Fasern von sehr verschiedener Länge zur Abscheidung kurzer Fasern einem Auskämmen (Kämmen) auf Kämmaschinen unterwirft, das immer mit Kammwolle (s. Wolle), mitunter mit Baumwolle vorgenommen wird und die Fasern ebenfalls in der Form eines Bandes liefert. Eine weitere Arbeit hat den Zweck, die Fasern in den Bändern von der Kratze, Kämmaschine etc. parallel zu legen und auf das gleichmäßigste zu verteilen. Hierzu dient das Strecken und Doppeln (Laminieren, Duplieren) auf den Streckmaschinen (Strecken, Streckstühlen, Laminierstühlen). Man benutzt dazu zwei oder mehrere Walzenpaare (Streckwalzen) mit zunehmender Drehgeschwindigkeit, so daß das Faserbündel nach dem Verhältnis dieser Zunahme verlängert wird (Verzug). Durch Zusammenlegen (Duplieren) mehrerer dieser durch das Strecken verdünnter Bänder werden die Unregelmäßigkeiten in den Bandern ausgeglichen und die Bänder wieder entsprechend dicker, um wiederholt gestreckt und dupliert zu werden. Man wiederholt z. B. in der Baumwollspinnerei oft ein sechsfaches Strecken und sechsfaches Duplieren, wodurch 6.6.6.6.6.6 = 46,656 Bänder vereinigt werden. Die verschiedenen Ausführungen der Streckwerke sind wesentlich durch die verschiedene Beschaffenheit der Spinnfasern bedingt. Das gestreckte und duplierte Band wird dann auf Vorspinnmaschinen ohne Duplieren weiter gestreckt und mittels einer vorübergehenden oder bleibenden Drehung in Vorgarn verwandelt, indem dasselbe zwischen zwei unter starkem Druck hin und her gehenden Lederriemen oder Walzen zusammen gewürgelt (genietschelt) oder auf besondern Spinnmaschinen (Spindelbank, Flyer) schwach zusammengedreht wird. Um die für das Fertigspinnen erforderliche Feinheit des Vorgarns zu bekommen, werden in der Regel mehrere Flyer mit immer kleiner werdenden Spindeln (Vor-, Mittel-, Fein-, Feinsein- etc. Flyer) hintereinander angewendet.
Zur endlichen Fertigstellung des Garnes unterwirft man das Vorgarn dem letzten Streckungs- und Drehungsprozeß durch das Feinspinnen auf den Feinspinnmaschinen, die in Watermaschinen (Drosselmaschinen) und Mulemaschinen zerfallen, je nachdem sie den aus Strecken, Drehen und Aufwickeln bestehenden Prozeß ununterbrochen oder unterbrochen, d. h. in der Weise durchführen, daß in einer Zeitperiode gestreckt und gedreht und in einer zweiten Periode das fertige Garn aufgewickelt wird.
A. Baumwollspinnerei. Die zum Verspinnen bestimmte Baumwolle kommt in sehr stark zusammengepreßten Ballen in die Spinnerei und wird mit der Hand oder mit Ballenbrechern zerpflückt und dann gemischt Die Mischung wird zuerst im Öffner aufgelockert und vorgereinigt, dann in der Schlagmaschine durch weiteres Schlagen oder in der Expreßkarde durch weiteres Auszupfen und Absieben weiter gereinigt und aufgelockert. Bei Verlassen dieser Maschinen wird die Fasermasse als breite zusammenhängende Schicht (Watte, Vlies, Fell, Pelz) auf einer sich drehenden Walze zu einem Wickel aufgewickelt. In der Regel passiert die Baumwolle zwei Schlagmaschinen, die Putzmaschine und die Wattenmaschine. Da bei legt man zum Zwecke des Duplierens mehrere Wickel (2–4) der ersten Schlagmaschine auf das Speisetuch der zweiten. Der Abschluß der Reinigung und Auflockerung erfolgt sodann durch das Kratzen auf der Karde, die zweimal hintereinander als Vorkarde und Feinkarde zur Verwendung kommt und die Baumwolle in Gestalt einer äußerst dünnen Wat te abliefert, die sofort durch einen Trichter in ein Band verwandelt und in einen Topf (Kanne) geleitet wird. Zwischen Vorkarde und Feinkarde ist noch eine Maschine einzuschalten (Dupliermaschine, Lappingmaschine), welche Bänder der Vorkarde zu einem Wickel vereinigt, dessen Länge gleich der Breite der Feinkarde ist. Die Bänder der Feinkarde gelangen sodann zum Strecken und Duplieren auf die Streckmaschine, die den Fasern eine außerordentlich regelmäßige Verteilung und eine parallele Lage gibt, so daß das Streckband durch weitere Streckung und Drehung in Garn übergeführt werden kann. Der großen Lockerheit halber muß man dem Bande zunächst nur eine Festigkeit geben, die das Weiterstrecken nicht hindert, und erhält so das Vorgarn (Vorgespinst). Zur Erzeugung desselben dient der Differentialflyer, der die früher üblichen Vorspinnmaschinen (Röhrchen-, Eklipsmaschine, Spulenmaschine, Jackmaschine etc.) sowie dse Preßscheiben (Moletten) vollständig verdrängt hat. Der Flyer, der in mehreren Größenabstufungen (Grob-, Mittel-, Fein-, Feinsein- und Doppelfeinflyer) nacheinander in Verwendung kommt, erhält zuerst das Band aus den Kannen der Streckmaschinen, wickelt aber das Vorgarn auf Spulen, so daß vom Grobflyer abwärts das Garn auf Spulen gewickelt in dse Maschine gelangt. – Nachdem das Vorgarn den letzten (Fein-) Fluer etwa in der Dicke eines gewöhnlichen Bindfadens verlassen hat, empfängt dasselbe die endgültige Streckung und Drehung zur Verwandlung in Garn auf den Feinspinnmaschinen, und zwar auf Watermaschinen oder Mulemaschinen. Die erstern in ihrer ursprünglichen Anordnung mit Flügelspindeln werden immer mehr durch die Ringspindelbänke verdrängt, die sich zu einer Leistungsfähigkeit gesteigert haben, daß sie selbst anstatt der Mulemaschinen in Aufnahme kommen.
B. Flachsspinnerei, mit der die Hanfspinnerei im wesentlichen übereinstimmt. Der Flachs gelangt als Schwing- oder Hechelflachs in die Spinnereien und unterliegt zuerst einem oft 5–6 mal wiederhol len Hecheln auf Handhecheln oder Hechelmaschinen (s. Flachs, S. 650), bis ein der Feinheit des zu spinnenden Garn es entsprechender Zustand erreicht ist. Aus den gewonnenen Bündeln (Risten) erzeugt man auf der ersten Streckmaschine (Anlegemaschine) ein grobes Band, das auf weitern Streckmaschinen (Durchzüge, Flachsstrecken) unter gleichzeitigem Duplieren in immer feineres Band (1., 2., 3. Durchzug) verwandelt wird. Vom letzten Durchzug gelangt das Band auf einen Differentialflyer, um in grobes Vorgespinst verwandelt zu werden, das gewöhnlich auf zwei weitern Flyern verfeinert zum Feinspinnen vorbereitet wird. – Die Flachsstreck- und Vorspinnmaschinen sollen nebst dem Strecken auch noch zur Verfeinerung der Fasern dienen und sind deshalb sämtlich mit Hechelvorrichtungen ausgestattet. – Zum Feinspinnen dienen Watermaschinen, vorwiegend mit Einrichtungen zum Heißnaßspinnen, wobei das Garn vor der Drehung durch einen Trog mit etwa 80° warmem Wasser lauft, wodurch es zugleich ein glattes Ansehen erhält. Nachdem müssen die Flachsgarne sofort abgehaspelt und getrocknet werden.
C. Bei der Hede-(Werg-)Spinnerei wird die beim Hecheln des Flachses oder Hauses abfallende Hede mittels Schlagens oder Schüttelns auf Hedereinigungsmaschinen von Schäbe etc. gereinigt, auf groben Walzenkratzen verfeinert und in Bänder verwandelt. Die Verwandlung der Bänder in Vorgarn und Garn erfolgt nach Art der Flachsspinnerei auf Durchzügen (Strecken), das Vorspinnen auf Differentialflyern und das Feinspinnen auf Watermaschinen trocken oder mit heißem Wasser.
D. Jutespinnerei. Die Jute gelangt als Risten (s. Jute) in Ballen stark zusammengepreßt in die Spinnereien und wird hier zuerst auf Öffnern mit stacheligen Walzen aufgelöst. Dann besprengt man die aufgestapelten Risten mit Wasser und Tran, um sie einzuweichen (Einweichprozeß), und quetscht sie in einer Maschine, in der 20–40 Paar grob geriffelte Walzen auf einem horizontalen oder zylindrischen Gestell nebeneinander liegen und infolge einer drehenden Bewegung die Interisten durchziehen, die dabei derart geknetet werden, daß sie diese Quetschmaschine weich und geschmeidig verlassen. Nur die Wurzelen den bleiben mitunter hart und müssen abgerissen werden, was durch Abhauen mit Beilen oder Schnippmaschinen geschieht, die mit einem Reißwolf Ähnlichkeit haben, an dem man die Risten in der Achsenrichtung vorüberführt. Die Weiterverarbeitung findet nach zwei Methoden statt. Nach der englischen werden die 2–3 m langen Nisten in kürzere, 760 mm lange Teile zerschnitten und dann wie Flachs verarbeitet. Diese vorwiegend für feinere Garne gebrauchte Methode liefert das gehechelte oder Jute-Hechel-, Jute-Linen-Garn und verarbeitet nur ausgesuchte Fasern. Nach der zweiten Methode, die in Deutschland und Österreich allgemein eingeführt ist und das sogen. kardierte oder Jute-Werggarn, Towgarn liefert, werden die langen Fasern auf sehr kräftigen Karden in kurze Fasern (Hede, Werg, Tow) von etwa 25–35 cm Lange zerrissen und in Bau der verwandelt, deren Umwandlung in Feingarn wie beim Flachs erfolgt.
E. Wollspinnerei umfaßt die Herstellung von Streichgarn, Kammgarn und Halbkammgarn aus Wolle von verschiedener Beschaffenheit, die zunächst gewaschen, gespült und getrocknet wird. Die Streichwolle erfährt sodann eine gründliche Auflockerung im Schlag- und Reißwolf. Nach dem Wolfen (Maschinieren) oder während desselben wird die Streichwolle mit Olivenöl oder Petroleumrückständen gefettet, damit sie geschmeidig wird (Schmälzen, Fetten). In diesem Zustand gelangt sie zum Krempeln, Kardätschen oder Streichen auf die Kratzmaschine (Krempel). Die Erzeugung eines möglichst gleichmäßigen Fadens wird in der Streichwollspinnerei dadurch vorbereitet, daß man das Produkt der ersten Krempel (Blies oder Band) vielfach dupliert auf die nächste Krempel bringt. Zu dem Zwecke bildet man mit Hilfe eines Pelzapparats einen langen Pelz aus 40–60 Lagen eines sehr dünnen, von der ersten Krempel abgenommenen Flors und legt diesen Pelz auf die nächste Krempel. Niel vollkommener noch erfolgt die Verteilung, wenn die Vliese vor dem Aufwickeln auf die Walze quer übereinander geschichtet werden, z. B. zur Überführung der Vliese von der zweiten auf die dritte Krempel. Dazu ist das Vliesquerleger bestimmt, dessen wesentliche Einrichtung aus Fig. 4 zu erkennen ist. Der von der Kammwalze K durch den Hacker k abgenommene Flor f gelangt auf das in der Pfeilrichtung sich bewegende Abführtuch a und wird in seiner ganzen Breite von dem Walzenpaar b auf ein zweites Lattentuch c gelegt, daß sich unter a in derselben Richtung hin und her bewegt, zugleich aber auch eine Längsbewegung e besitzt. Infolge dieser Doppelbewegung legt sich der Flor auf e in Lagen auseinander (täfeln) und gelangt als langes ins Kreuz gelegtes Vlies auf die Wickelwalze d. Zum Krempeln dienen ausschließlich Walzenkratzen, 2–4mal hintereinander, deren letzte mit Florteiler verbunden sind, die das vom Hacker abgenommene Vlies in Bänder teilen. Zur Verwandlung dieser Bänder in Vorgarn dienen fast ausschließlich Würgel- oder Nitschelapparate, die sich unmittelbar an die Krempel (Vorspinnkrempel) anschließen. Das Vorgarn wird auf Mulemaschinen oder Ringspindelbänken versponnen.
Die Kammwolle wird nach dem Entschweißen gekämmt, um die Wollhaare parallel zu lagern, parallele kurze Haare (Kämmlinge) auszuscheiden und ein Band (Kammzug) zu bilden. Man benutzt dazu entweder ein Paar heißgemachte Handkämme (Wollkämme), indem man eine Portion wenig geölter Wolle in einen der Kämme einschlägt, mit dem zweiten kämmt und dann mit der Hand auszieht, dieselbe zugleich in ein kurzes Band verwandelnd, das mit andern vereinigt wird, oder die Kämmaschine.
Das aus einzelnen kurzen Zügen gebildete Band erhält eine weitere Gleichförmigkeit durch Strecken und Duplieren auf Igelstrecken. Zur Entkräuselung und Entölung passieren die Bänder dann in einer Plättmaschine eine Seifenlösung und eine Reihe heißer Walzen. Die Streckbänder werden auf dem Flyer oder einer Strecke mit Würgelzeug in Vorgarn verwandelt, worauf man das Feingarn auf Water- oder Mulemaschinen oder auf der Ringspindelbank herstellt. Die Halbkammgarnspinnerei, die hauptsächlich mittellange Wollen verarbeitet und große Ähnlichkeit mit der Streichwollspinnerei hat, benutzt zum Anordnen der Fasern die Krempel und die Igelstrecken, zum Vorspinnen die Strecke mit Würgelzeug und Flyer und zum Feinspinnen die Watermaschine.
F. Seidenspinnerei beschränkt sich auf die Verarbeitung von Seidenabfall und heißt demgemäß auch Florettspinnerei. Die Abfälle (Strusi, Bourrette, Flockseide etc.) werden zur Zerstörung des Seidenleims 3–7 Tage in Wasser von 60–70° mazeriert, dann mit warmem Wasser in einem Stampfwerk gewaschen, in einer Zentrifuge ausgeschleudert und in lustigen, warmen Räumen getrocknet. Zur weitern Verarbeitung feuchtet man die Masse mit Seifenwasser schwach an, öffnet sie in einer Art Reißwolf oder zerreißt sie auf Öffnern (Fillingmaschinen) und kämmt sie zur Abscheidung kurzer uno zur Parallellegung der langen Fasern. Die letztern werden auf einer Anlege gemischt und in Vliese verwandelt, die vermittelst einer Wattenmaschine (einer Art Nadelstabstrecke) zu Bandern verzogen werden, die nunmehr auf Nadelstabstrecken weitere Streckung und Duplierung erhalten, um auf einer Spindelbank mit Nadelstäben in Vorgarn überzugehen, das auf Water- oder Ringspinnmaschinen zu Florettgarn fertig gesponnen wird. Der größte Teil der Florettgarne kommt gezwirnt in den Handel (Weiteres s. Garn).
Geschichtliches.
Das S. gehört zu den ältesten Handbeschäftigungen. Wollengewebe und somit-Gespinste nahmen im Altertum unter allen Gespinsten den ersten Rang ein, denn unmittelbar auf die Bekleidung mit Tierfellen folgt jene mit Geweben aus Wollengarn. Zum S. bediente man sich des noch heutzutage bei vielen Völkern anzutreffenden Wockens oder Rockens und der Spindel, wie aus alten Vasenbildern (Fig. 5) und Wandgemälden zu entnehmen ist. Als Erfinderin der Wollarbeit galt Athene und als Ort der Erfindung Athen. Auch die Zubereitung des Flachses war im Altertum bekannt. 1530 erfand Joh. Jürgen in Watenbüttel bei Braunschweig das Trittrad, das langsam Verbreitung fand. Im 18. Jahrh. tauchten die ersten Bemühungen auf, das Verspinnen der Baumwolle mittels Maschinen zu vollziehen. Die wichtigste Erfindung, die der Streckwalzen, wurde 1738 in England von Wyatt gemacht, aber erst später Lewis Paul patentiert, der sie mit Flügelspindeln des Spinnrades in Verbindung brachte und so die erste Spinnmaschine 1741, die zweite mit 250 Spindeln 1743 durch Esel in Bewegung setzte.
Diese Maschine wurde von Arkwright in vielen Teilen verbessert, sodann durch noch andre Vorbereitungsmaschinen, Kratzmaschine (1771) mit Bandabgabe, Streckmaschine mit Duplierung und eine Vorspinnmaschine, ergänzt und 1769 durch Wasserkraft betrieben, woher ihre Bezeichnung Watermaschine rührt. Um dieselbe Zeit (1767) erfand Hargreaves in Standhill die nach seiner Tochter genannte Jennymaschine, die statt der Streckwalzen die Presse (zwei zusammengepreßte horizontale Latten) besaß, die das Band festhielt, während die nach Art des Handrades konstruierten Spindel vertikal auf einem bewegten Wagen standen, das Ausziehen und Drehen besorgten und beim Rückwärtsfahren das gedrehte Produkt aufwickelten. 1784 endlich vereinigte Crompton in Firnwood das Streckwerk der Watermaschine mit dem Spinnwerk der Jennymaschine zu der Mule-Jenny oder Mule (Maulesel, als Bastard zwischen der Water- und Jennymaschine), die später, namentlich von Roberts in Manchester 1825, als Selfactor ausgebildet, als die größte Erfindung auf dem Gebiete der Spinnerei zu gelten hat, da sie das S. der feinsten Garne gestattet, wozu die Watermaschine ungeeignet ist. Um 1830 erfand Jenks in Amerika die Ringspindel, die Grundlage der immer mehr in Aufnahme kommenden Ringspindelbank. Erst nachdem die mechanische Baumwollspinnerei zu hoher Entwickelung gekommen war, vollzog sich ein ähnlicher Prozeß in der Flachs- und Wollspinnerei, wenn auch viel langsamer, weil die Beschaffenheit dieser Materialien bezüglich der mechanischen Verarbeitung bedeutend größere Schwierigkeiten bietet. Girardin Parts erhielt 1810 ein Patent auf eine Flachsfeinspinnmaschine, die in der Anwendung von Hechelkämmen zum Ausziehen und in der Benutzung von Wasser (Naßspinnen) die Lösung des Problems darbot und in der Grundlage beibehalten ist, nur daß 1825 von Kay warmes Wasser eingeführt wurde. In der Kammwollspinnerei war die Erfindung der Kämmaschine epochemachend, die nach unzähligen Versuchen erst 1829 von Opelt in Hartau und Wieck in Schlema brauchbare Gestalt annahm, bis einerseits Lister und Donisthorpe (1850), anderseits Heilmann und Schlumberger in Mülhausen (1851) die schwierige Aufgabe des Maschinenkämmens auf zwei verschiedenen Wegen glänzend lösten. In der Streichgarnspinnerei war die Erfindung des Florteilers von Geßner 1861 bedeutungsvoll. Vgl. Johannsen, Handbuch der Baumwollspinnerei, Rohweißweberei und Fabrik anlagen (3. Aufl. von Nieß, Die Baumwollspinnerei, Leipz. 1902); Marshall, Der praktische Flachsspinner (deutsch, das. 1333); Pfuhl, Die Jute und ihre Berarbeitung (Berl. 1338–91, 3 Bde.); Hoyer, Spinnerei und Weberei (4. Aufl., Wiesbad. 1907); Hentschel, Lehrbuch der Kammgarnspinnerei (2. Aufl., Stuttg. 1900); Nasmith, Modern cotton spinning (Manchester 1890); E. Müller, Handbuch der Spinnerei (Leipz. 1892); Hennig, Streichgarn- und Kunstwollspinnerei (Berl. 1894); Reiser, Lehrbuch der Spinnerei, Weberei und Appretur (4. Aufl. des Grotheschen Katechismus, Leipz. 1901); Zipser, Technologie der Spinnerei (2. Aufl., Wien 1904); Haußner, Mechanische Technologie der Faserstoffe (Leipz. 1906); Brüggemann, Theorie und Praris der rationellen Spinnerei (Stuttg. 1897–1903, 3 Tle.) und Die Spinnerei (Leipz.); Fritz, Führung der Baumwollspinnerei (3. Aufl., Chur 1900).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.