Teufel [1]

Teufel [1]

Teufel (griech. Diabolos, »Verleumder«; hebr. Satan, soviel wie Widersacher), das personifizierte Prinzip des Bösen. Die bereits in den niedern Religionen begegnende Unterscheidung wohltätiger und unheilvoller göttlicher Wesen, wie sie durch die Erfahrung sei es freundlicher und förderlicher, sei es beängstigender und schädigender Wirkungen der Geister und Naturkräfte nahegelegt war, gestaltete sich mit zunehmender Versittlichung der Religion einerseits zu einer Überordnung der als Vertreter des Guten aufgefaßten Götter über die Dämonen, anderseits zu einer dualistischen Gegenüberstellung der Macht des Guten und der Macht des Bösen und des Übels. Am ausgebildetsten trat ein solcher Dualismus im alten Persien auf. Von da drang die Lehre von einem persönlichen Haupte des Reiches des Bösen in das Judentum ein, und erst jetzt wurde der Satan, der im Buch Hiob noch als ein übelwollender, aber Gott untergeordneter und in seinem Dienst handelnder Unglücksengel erscheint, zum eigentlichen T., neben dem und unter dem in der spätjüdischen Literatur noch andre Dämonen als Plagegeister der Menschen erscheinen. Dieselbe dämonologische Vorstellungswelt ist in voller Stärke dann auch in die neutestamentlichen Schriften übergegangen, wie schon die große Rolle beweist, welche die »Besessenen« (s. d.) in den Evangelien spielen. Wenn dann auch noch in den spätern Lehrschriften des Neuen Testaments Christus als Sieger erscheint über den »Fürsten dieser Welt«, d. h. den mit landesüblichen Ausdrücken auch Beelzebub (s. d.) oder Beelzebul, eine Form des Baal, und Belial oder Beliar (ursprünglich wohl ein Gott der Unterwelt) genannten Satan, so tritt damit die mit Hölle und T. sich befassende Vorstellung vor allem in den Dienst der Vertiefung der religiösen Ideen und Motive. Der Glaube an die Überwindung des Teufels durch Christus trug wesentlich dazu bei, der Lehre vom Messias einen sittlichen Gehalt zu geben und alle Energie der sittlichen Kräfte in den Gläubigen zum Kampfe wider die Gewalt des Argen ins Feld zu rufen. Aber auch, als die sittliche Begeisterung abgekühlt war, erhielt sich die Vorstellung vom T., der seither in der christlichen Dogmatik den persönlichen Repräsentanten der Sünde bildet, den Widersacher des göttlichen Reiches, den Urheber des Sündenfalls, den allzeit geschäftigen Veranlasser böser Lüfte und unfrommer Gedanken in den Gläubigen. Im Gegensatz zu den Schutzengeln und guten Geistern galten in der alten Kirche die Dämonen oder bösen Engel als geschaffene, aber freiwillig abgefallene Geister, welche die Heidenwelt beherrschen, Gegenstand des heidnischen Kultus sind, Christenverfolgungen veranlassen und die Ausbreitung der Kirche hindern. Ihr Haupt Lucifer (s. d.) hat sich gleich nach der Schöpfung aus Neid oder Hochmut von Gott losgesagt; seine endliche Bekehrung, die einzelne Lehrer in Aussicht stellten (s. Apokatastase), wurde schon von Irenäus und seit Augustin von der ganzen Rechtgläubigkeit geleugnet. Dagegen war man der Ansicht, daß infolge des Sieges Christi über Tod und Hölle die Sakramente und das Gebet, ebenso Weihwasser, Kreuzeszeichen u. dgl. erfolgreiche Mittel seien, den Versuchungen des Teufels zu begegnen. Das Volk gab dem T. eine schreckhafte Gestalt, und besonders im germanischen Volksglauben spielte er von jeher eine große Rolle, teils allerdings auch humoristisch im Märchen, meistens aber schauerlich im Glauben an Hexerei und Zauberei. Die Theologen und Juristen, die seit dem 15. Jahrh. die Theorie und Praxis der Hexenprozesse kultivierten, haben auch die genauere Naturgeschichte des Teufels festgestellt. Selbst die Reformation hat den Teufelsglauben als unentbehrlichen Artikel mit in den Kauf genommen, Luther voran, der sein lebelang wider den »alt' bösen Feind« zu Felde lag. Erschüttert wurde die Lehre erst im Zusammenhang mit den Hexenprozessen, und infolge der kritischen Richtung, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. die protestantische Theologie erfaßte, singen selbst die offenbarungsgläubigen Theologen an, die Lehre vom Satan zu mildern, während die Rationalisten ihn ganz aus dem christlichen Glauben verwiesen, indem sie die biblischen Äußerungen auf Akkommodation zurückführten. Ebenso ersetzt die moderne Theologie die Satansvorstellung durch den Gedanken einer über den Einzelnen stehenden Macht der menschlichen Gesamtsünde. Die neuere Orthodoxie dagegen hat sich des Teufels wieder mit Vorliebe angenommen, und im Volksglauben spielt er noch immer eine große Rolle; selbst die Meinung, daß man durch Zaubersprüche den T. und seine Geister herbeirufen und unter gewissen Bedingungen sich dienstbar machen könne (Teufelsbeschwörung), steht noch vielfach in Blüte. Vorgestellt wird er nach altväterlicher Weise schwarz und behaart, mit Bocks- oder Pferdefüßen, Krallen, Hörnern, einem Kuhschwanz, häßlichem Gesicht und langer Habichtsnase und bei seinem Verschwinden einen argen Gestank hinterlassend. Überdies hat er im Volksglauben noch viel von dem Wesen, den Gestalten und den Namen der alten Gottheiten beibehalten, und die meisten Sagen, die vom T. handeln, sind auf die ehemaligen Götter zu beziehen. Daher spukt der T. hauptsächlich an Stätten, die im Heidentum heilig waren, heischt dieselben Opfer, die einst die Götter empfingen, erscheint häufig als grüner Jäger oder in Tiergestalt. Mitunter sind auch Züge von den Riesen auf ihn übergegangen, und deshalb werden nicht nur uralte Bauten, Fußspuren in Felsen und Pflanzen nach ihm benannt, sondern auch viele Sagen von ihm erzählt, in denen er, wie einst die Riesen von Helden, von Menschen überlistet wird. Die Kunst pflegt den T. allegorisch, namentlich unter den biblischen Bildern einer Schlange oder eines Drachen, darzustellen. Vgl. Roskoff, Geschichte des Teufels (Leipz. 1869, 2 Bde.); Wessely, Die Gestalten des Todes und des Teufels in der darstellenden Kunst (Leipz. 1875); Längin, Die biblischen Vorstellungen vom T. (das. 1890); Osborn, Die Teufelliteratur des 16. Jahrhunderts (Berl. 1893); Carus, The history of the devil (Chicago u. Lond. 1900); Lancelin, Histoire mythique de Shatan (Par. 1903); Wünsche, Der Sagenkreis vom geprellten T. (Wien 1905).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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