Solothurn [2]

Solothurn [2]

Solothurn, Hauptstadt des gleichnamigen Kantons (s. oben), breitet sich an beiden Seiten der Aare, 426 m ü. M., aus, als »Vorstadt« oder Neu-S. auf dem linken, als Alt-S. oder eigentliche Stadt auf dem rechten Ufer und ist Knotenpunkt der Bahnlinien Herzogenbuchsee-Biel, Olten-Lyß, S.-Langnau und S.-Moutier. S. hat (1900) 10,095 vorherrschend kath. Einwohner und ist Sitz des Bischofs von Basel. Als Sehenswürdigkeiten sind zu nennen: das Ursusmünster, schönster Hochrenaissancebau der Schweiz (1762–73, von Pisoni erbaut), das Zeughaus mit kostbarer Waffensammlung (Zelt Karls des Kühnen), der Zeitglockenturm, 4 öffentliche Brunnen (16. Jahrhundert), das 1900 vollendete städtische Museum mit naturhistorischen, antiquarischen Gemäldesammlungen (Madonna von Holbein).

Wappen von Solothurn (Kanton und Stadt).
Wappen von Solothurn (Kanton und Stadt).

Von den 1667–1727 errichteten Festungswerken ist nur ein Teil erhalten. In den Steinbrüchen liegt die Einsiedelei St. Verena, Gletscherfeld. Über der Stadt die Kurhäuser Weißenstein (1287 m) mit großartiger Fernsicht u. Ober-Balmberg (1060 m); in der Nähe Zuchwil mit dem Grab von Kosziuszko. Nach W. Dorf Selzach mit Passionsspiel seit 1893. Vgl. Fiala, Geschichtliches über die Schule von S. (St. Gallen 1875–79, 4 Tle.); »Führer von S.« (hrsg. vom Verkehrsverein, 1906).

[Geschichte.] Das Kastell S. (Salodurum) war zur Römerzeit ein Knotenpunkt der großen Heerstraßen Helvetiens. Im Mittelalter Sitz eines angesehenen Chorherrenstifts des heil. Ursus, war S. im neuburgundischen Reiche eine königliche Burg, weshalb Heinrich III. der Salier dort 1038 zum König von Burgund gekrönt wurde. Mit dem Rektorat über Burgund fiel es an die Zähringer, nach deren Erloschen (1218) es eine Reichsstadt wurde. 1295 schloß es mit Bern ein Bündnis und hatte 1318 eine Belagerung durch Herzog Leopold auszustehen, weil es Friedrich den Schönen nicht als König anerkannte. Ein Versuch des Grafen Rudolf von Habsburg-Kyburg, sich der Stadt durch Verrat zu bemächtigen, wurde vereitelt (Solothurner Mordnacht, 10. Nov. 1382) und führte zu dem Kyburger Krieg, in dem Bern und S. das Grafenhaus zugrunde richteten. Als treue Verbündete Berns nahm S. an den Schicksalen der Eidgenossen schon seit dem 14. Jahrh. Anteil, wurde aber infolge des Widerstandes der »Länder« erst 22. Dez. 1481 gleichzeitig mit Freiburg in den Bund aufgenommen, nachdem es sich durch Kauf den größten Teil des heutigen Kantons als Untertanenland erworben. Gegen die Reformation verhielt sich S. eine Zeitlang schwankend; aber nach der Schlacht von Kappel waren die Katholiken im Begriff, die reformierte Minderheit mit den Waffen zu vernichten, als der katholische Schultheiß Wengi sich vor die Mündung der Kanonen stellte und durch seine Dazwischenkunft den blutigen Zusammenstoß verhütete. Doch blieb S. der Reformation verloren und schloß sich 1586 dem Borromeischen Bund an. Dagegen hielt es sich fern von dem Bunde der übrigen katholischen Orte mit Spanien (1587), vornehmlich aus Ergebenheit gegen Frankreich, dessen Ambassadoren S. zu ihrer regelmäßigen Residenz erwählt hatten. Auch in S. bildete sich ein erbliches Patriziat aus, das im französischen Kriegs- und Hofdienst eine Hauptquelle seines Wohlstands hatte, dessen Regiment aber 1798 mit dem Einrücken der Franzosen ein Ende nahm (1. März). Die Mediationsakte erhob 1803 S. zu einem der sechs Direktorialkantone mit einer Repräsentativverfassung. Nach dem Einrücken der Österreicher bemächtigten sich die noch lebenden Mitglieder der alten patrizischen Räte in der Nacht vom 8. zum 9. Jan. 1814 des Rathauses, erklärten sich für die rechtmäßige Regierung und schlugen eine Erhebung der Landschaft mit bernischer Hilfe nieder; nur ein Drittel des Großen Rates wurde dieser zugestanden. 1828 wurde S. durch ein Konkordat der Kantone Bern, Luzern, Zug, S., Aargau und Thurgau zum Sitz des neugegründeten Bistums Basel erhoben. 1830 gab der Große Rat dem stürmischen Verlangen der Landschaft nach Rechtsgleichheit nach und vereinbarte zu Balsthal mit den Ausschüssen derselben eine neue Verfassung, die, obwohl sie der Hauptstadt noch 37 Vertreter auf 109 gewährte, 13. Jan. 1831 mit großer Mehrheit angenommen wurde. 1841 wurde durch eine Verfassungsrevision, die das Wahlvorrecht der Stadt beseitigte, das seit 1830 bestehende liberale Regiment befestigt. Daher hielt sich der Kanton trotz seiner katholischen Bevölkerung zu den entschiedensten Gegnern des Sonderbundes und nahm die neue Bundesverfassung 1848 mit großer Mehrheit an. Durch zwei Verfassungsrevisionen (1851 und 1856) ward das lange festgehaltene System der indirekten Wahlen beseitigt. Nachdem 1869 Referendum und Initiative eingeführt worden waren, wurde 1875 die gesamte Verfassung revidiert. Inzwischen war der Konflikt der Baseler Diözesanstände gegen den in S. residierenden Bischof Lachat ausgebrochen, in dem S. sich der Mehrheit anschloß und den Bischof nötigte, nach seiner Entsetzung seine Amtswohnung zu räumen. Zugleich strengte die Regierung namens der Stände einen Prozeß gegen Lachat wegen stiftungswidriger Verwendung von bedeutenden Legaten an, der 1877 vom Obergericht zu ihren Gunsten entschieden wurde. Eine Folge dieses Konflikts war die Aufhebung einer Anzahl kirchlicher Stiftungen, deren ca. 4 Mill. Fr. betragendes Vermögen zu Schul- und Krankenfonds verwendet wurde (18. Sept. 1874). Auch fand das christkatholische Bistum staatliche Anerkennung in S., doch vermieden sowohl die Regierung als die römisch-katholische Geistlichkeit einen offenen Bruch, und die letztere unterwarf sich 1879 der in der Verfassung vorgesehenen periodischen Wiederwahl durch die Gemeinden. 1885 wurde der Friede mit der Kurie durch Wiedererrichtung des Bistums Basel und des Domkapitels in S. hergestellt, wo der neue Bischof Fiala seinen Sitz nahm. Am 23. Okt. 1887 beschloß das Volk eine neue Verfassung, die bei der Bestellung sämtlicher Staatsbehörden Berücksichtigung der Minderheiten vorschrieb und die Volkswahl für die Regierung festsetzte. Durch eine Partialrevision vom 17. März 1895 wurde die Volksinitiative für Verfassungsänderungen, das proportionale Wahlverfahren und eine direkte Staatssteuer eingeführt. Vgl. Strohmeier, Der Kanton S. historisch, geographisch, statistisch (St. Gallen 1836); Amiet, S. im Bunde der Eidgenossen (Soloth. 1881); Meisterhans, Älteste Geschichte des Kantons S. (das. 1890); Rahn, Die mittelalterlichen Kunstdenkmäler des Kantons S. (Zürich 1895); Schuppli, Geschichte der Stadtverfassung von S. (Basel 1897); Tatarinoff, Die Beteiligung Solothurns am Schwabenkriege (Soloth. 1899); Schmidlin, Solothurns Glaubenskampf und Reformation im 16. Jahrhundert (das. 1904).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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