- Prärīen
Prärīen (franz., »Wiesen«), Bezeichnung der baumlosen Grasgegenden Nordamerikas, besonders im Gebiete der ursprünglich französischen Besiedelung, wie im Lorenzstrombecken und im Becken des Ohio und westlich vom Mississippi. Als zusammenhängende Landschaft erstrecken sich die P. vom Michigansee und Mississippi bis an den Ostfuß des Felsengebirges und vom Golf von Mexiko bis an den Nordsaskatchewan in einer Länge von 3600, einer Breite von 400–1200 km und mit einer Gesamtfläche von gegen 1,8 Mill. qkm. Im östlichen Teile, wo die Niederschläge besonders im Frühsommer noch reichlich sind (Kansas City mit 909 mm Jahresniederschlägen), ist der Graswuchs entlang den Flußläufen sowie auf hügeligem Boden mit günstigem Grundwasserstande vielfach von Baum- und Strauchbeständen durchsetzt, so daß man hier von Buschprärien redet. Den weitesten Raum nimmt aber die reine Gras- oder Wiesenprärie ein, die von Natur eine ausgezeichnete Weide, nicht minder aber sehr gute Bedingungen für die Kultur von Getreidegräsern und an vielen Orten auch für Baum- und Obstpflanzungen bietet. Die Regenmenge beträgt hier noch über 500 mm. Westlich vom 98.° westl. L., wo Coolidge am Arkansas nur noch 355 mm, North Platte 442 mm, Pierre 420 mm und Bismarck 444 mm Jahresniederschlag verzeichnen, liegen dann die sogen. Plains, in denen der Wuchs von Steppengräsern, Kräutern und Stauden spärlich ist und Flugsandstrecken, sogen. Badlands, und förmliche Wüsten weite Räume einnehmen, die Viehzucht nur nomadisch und Acker- und Gartenbau nur durch künstliche Bewässerung betrieben werden kann. Hierzu gehören namentlich auch die Llanos Estacados (s. d.) und das »Coteau du Missouri« (s. d.). Der Bodengestalt nach bilden die P. eine von O. nach W. sanft aufsteigende Tafel, die am Ostrande nur 200–350 m, am Westrande aber 1000–1800 m ü. M. liegt, es fehlt darin aber nicht an höhern Rücken mit bizarren Erosionsformen und wilden Schluchten, und auf ausgedehnten Strecken, besonders im W., sind die P. stark hügelig (rolling prairie). Einen deutlichen Stufenabsatz hat die steppen- und wüstenhafte westliche Hochprärie gegenüber der tiefer liegenden östlichen Gras- und Buschprärie entlang dem Missouri-Coteau und dem Llano Estacado (s. d.). Den Untergrund setzen am Ostrande Kalk- und Sandsteine der Kohlen- und Silurformation zusammen, im übrigen Mergel und Sandstein der Kreide- und Tertiärformation, die oberflächliche Bodenschicht besteht aber aus Schotter-, Kies-, Sand- und Lößablagerungen jüngern Alters, und besonders letztere sind im O. stark von halbverwesten Pflanzenstoffen durchsetzt, so daß sie eine dem russischen Tschernosem verwandte, äußerst fruchtbare Schwarzerde bilden. Nördlich vom Missouri sind glaziale Bildungen, vor allem Geschiebelehm und Schlammboden quartärer Riesenseen (Lake Agassiz u. a.), hervorragend an der Zusammensetzung der Oberfläche beteiligt. Bodenschätze sind im O. (bei Topeka, Kansas City) paläozoische Kohlen, die freilich ziemlich tief liegen, im W. (bei Denver, am Kleinen Missouri etc.) tertiäre und kretazeïsche Kohlen, ferner Steinsalz und Salzquellen (bei Hutchinson im Kansas, am texanischen Colorado) und Gipslager. Die Flüsse durchströmen die P. vielfach in engen Kassonschluchten, besonders im W., vorwiegend haben sie aber schwach eingegrabene Betten, ausgesprochene Neigung zu Laufspaltung und Insel bildung und breite Überschwemmungsebenen, die bei den größern (im O.) von hohen Bluffs eingerahmt sind. Ihre Wasserführung wechselt sehr stark, und während ihre Hochfluten im Frühsommer häufig furchtbaren Schaden anrichten (bei Kansas City 1903 für 25 Mill. Doll.), trocknen die meisten, darunter der Arkansas und Platte, im Spätsommer streckenweise vollständig aus. Bei den Furten der Ströme ist an vielen Stellen Triebsand gefährlich, an andern Stellen fehlt es nicht an Sümpfen (sogen. Swales und Sloughs). Die Gebiete der großen Ströme, die in die P. fallen, bieten übrigens das brauchbarste Gliederungsmoment, so daß man am besten die Red River-Prärie oder texanische Prärie, die Arkansas-Prärie, die Missouri-Prärie und die Saskatchewan-Prärie unterscheidet, die hinsichtlich des Klimas und des Pflanzenkleides nicht unerheblich voneinander abweichen. Das Klima ist in einem noch höhern Grad als andre nordamerikanische Landschaften von starken Extremen beherrscht. Im Sommer sind 40–44° Hitze, im Winter 40–47° Kalle keine seltene Erscheinung, auf monatelange Dürrezeiten folgen wolkenbruchartige Regengüsse, und vollkommene Windstille wechselt mit den heftigsten Stürmen. Besonders treten plötzliche Temperaturstürze von 25–35° ungemein häufig auf, im Sommer versengen heiße Glutwinde die Saaten, im Winter toben ungeach; et des geringen durchschnittlichen Schneefalles die wi;desten Blizzards, und im Frühjahr sind die P. der eigentliche Tummelplatz der berüchtigten Tornados. Starke Windbewegung ist den P. überhaupt viel mehr charakteristisch als Windstille, dergestalt, daß Amarillo, Sioux City u. a. O. fast ebenso viele jährliche Windmeilen verzeichnen wie sturmumbrauste Küstenpunkte. Die Nächte sind taulos. Staubfrei ist die Luft der P. nur nach stärkern Regengüssen, dagegen sind Staubstürme (black blizzards) eine schlimme Geisel der Gegend. Die schönste Jahreszeit ist auch in den P. der Herbst sowie der Indianersommer. Die Pflanzenwelt zeigt dieselbe Gleichartigkeit und Einförmigkeit wie die der südamerikanischen Llanos und Pampas. Allen voran steht die Formation der Gräser mit den typischen Arten: Bulbilis dactyloides (Büffelgras), das südlich vom Missouri das wichtigste Weidegras bildet, Bouteloua oligostachya, Festuca scabrella, Hilaria mutica, Unicola spicata, Spartina patens, Hierochlóa fragrans, Sesleria dactyloides, Agropyrum repens, letztere mitunter 2 m Höhe erreichend; weiter charakteristisch sind Artemisia tridentata, Opuntien, vor allem Opuntia missouriensis, Mamillarien. Durch die beiden letzten werden die Steppen des Missouri hauptsächlich neben der Yucca angustifolia charakterisiert. Weiter aufwärts am Missouri erscheint, etwa unter 42° nördl. Br., als Präriestrauch die Büffel- und Silberbeere mit silberfarbigem Laube (die Eläagnazeen: Shepherdia argentea und Elaeagnus argentea). Unter dem 47.° beginnt der Wacholder (Juniperus repens und communis). Oberhalb der Mündung des Yellowstone tritt eine Halophyte mit fleischigem Laub, der Saftdorn (Sarcobatus vermicularis, engl. Pulpy-thorn), auf, bis zu den Felsengebirgen sich überall mit der Artemisia mischend, neben denen Salsolazeen, wie die weißfilzige Eurotia lanata, Atriplex- und Suaeda-Arten eine Rolle spielen. In Arizona, New Mexico und Texas finden sich die typischen Formen der Mezquitesträucher (die Mimoseen Prosopis glandulosa, pubescens u. a.). Die den P. eingestreuten Waldungen bestehen aus Pappeln, Weiden, Ulmen, Celtis-Arten (C. occidentalis) und aus Unterholz von den Gattungen Rosa, Cornus, Ribes, Shepherdia, Prunus, Amorpha, Rhus, Amelanchier u. a., vielfach durchwunden von Lianen, von Vitis cordifolia, Clematis cordata, Celastrus scandens und Humulus. Nur selten finden sich Koniferenbestände, bestehend aus Juniperus barbadensis oder Pinus flexilis. Unter den heimischen Kulturgewächsen, die den eingebornen Stämmen zeitweilig als Nahrung dienen, sind der Wasserreis (Zizania aquatica), einige Bohnenarten (Phaseolus) und der Topinambur (Helianthus tuberosus) zu nennen. Für die Tierwelt der P., die zur zentralen Subregion der nearktischen Region gehören, war einst charakteristisch der fast völlig ausgerottete amerikanische Büffel (Bison americanus), jetzt sind es noch der den Murmeltieren verwandte Präriehund (Cynomys), der Präriewolf (Canis latrans), die Golulantilope und unter den Vögeln Präriehühner und wilde Truthühner. Auch Klapperschlangen sind zahlreich. Über die Entstehung der P. ist viel gestritten worden. Während einige (wie Whitney) den Mangel an Bäumen der staubartigen Beschaffenheit des Bodens zuschreiben, in dem Bäume keine Wurzel fassen können, erklärt ihn Lesquereux durch den Säuregehalt des in Humus umgewandelten Torfbodens, und J. D. Dana sucht den Grund in klimatischen Bedingungen, vornehmlich in dem Mangel an Feuchtigkeit. Es steht indes fest, daß die in den Präriestaaten angelegten Baumpflanzungen stellenweise kräftig gedeihen. Vgl. R. v. Schlagintweit, Die P. des amerikanischen Westens (Leipz. 1876); Berthault, Les Prairies (Par. 1895–1905, 4 Bde.; Bd. 1 in 2. Aufl. 1901).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.