Olmütz

Olmütz

Olmütz (tschech. Olomouc), Stadt mit eignem Statut und zweite Hauptstadt von Mähren, früher (bis 1886) Festung, liegt 221 m ü. M., am rechten Ufer der March und an den Linien Böhmisch-Trübau-O. der Österreichisch-Ungarischen Staatseisenbahn, O.-Jägerndorf- Troppau und O.-Kosteletz der Österreichischen Staatsbahnen, Brünn-Sternberg und O.-Prerau der Nordbahn.

Wappen von Olmütz.
Wappen von Olmütz.

An der Stelle der ehemaligen Festungsmauer sind Spaziergänge und ein Stadtpark mit einem Kursalon angelegt worden. O. hat 2 schöne Plätze (den Oberring mit einer 40 m hohen Dreifaltigkeitssäule und den Niederring). Bemerkenswerte Gebäude sind unter den acht Kirchen der gotische, neuestens restaurierte Dom St. Wenzel (aus dem 14. Jahrh.), die Mauritiuskirche (aus dem 11. und 12. Jahrh.) mit großer Orgel, die Dominikaner- und die Michaelskirche mit drei Kuppeln, die evangelische Kirche und der israelitische Tempel; ferner das erzbischöfliche Residenzschloß, die Domdechantei, das Rathaus mit schönem Portal, einer restaurierten Kapelle (jetzt historisches Museum), einem 78 m hohen Turm und einer astronomischen Uhr (s. Tafel »Astronomische Kunstuhren« bei Artikel »Uhr«), das Gemeindehaus, die Studienbibliothek, das Oberrealschulgebäude (mit dem Gewerbemuseum) etc. O. zählt (1900) mit der 3632 Mann starken Garnison 21,707 Einw. (13,982 Deutsche, 6798 Tschechen). An industriellen Unternehmungen bestehen 2 Bierbrauereien, mehrere Malzfabriken, eine Dampfmühle, sodann Fabriken für Metallwaren, Blech- und Drahtwaren, Klaviere, chemische Präparate, Zuckerwaren und Schokolade, Spirituosen, Leder, Steinbearbeitung etc. Von Bedeutung ist auch der Handel, insbes. mit Getreide, Malz, Zucker, Vieh und Käse (»Olmützer Quargel«). O. ist Sitz einer Bezirkshauptmannschaft (O.-Umgebung), eines Kreisgerichts, einer Finanzbezirksdirektion, einer Staatsbahndirektion, eines Truppendivisionskommandos sowie eines Fürsterzbischofs und eines Domkapitels; es hat eine theologische Fakultät (200 Studierende) als Rest der 1581 gegründeten, 1855 aufgehobenen Universität, ein deutsches und ein tschechisches Obergymnasium, eine Oberrealschule, eine Lehrerbildungsanstalt, 2 Lehrerinnenbildungsanstalten, eine Handelsakademie, eine Handelsschule für Mädchen, eine Hebammenschule, ein Gewerbe- und ein historisches Museum, eine Studienbibliothek mit 80,000 Bänden, 2500 Handschriften und 1000 Inkunabeln, eine Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank, eine Handels- und Gewerbekammer, eine Kreditbank, eine Sparkasse, eine Landeskranken- und Gebäranstalt, ein Theater, Kasino, elektrische Beleuchtung und Stadtbahn, Wasserleitung etc. Nordöstlich von O. liegt das Dorf Kloster-Hradisch mit ehemaligem Prämonstratenserkloster (jetzt Garnisonspital), Ackerbauschule, Malzfabrik und 639 tschech. Einwohnern, dann der Heilige Berg mit Prämonstratenserabtei und großer Wallfahrtskirche; südwestlich der Vorort Neugasse, Stadt mit 5197 deutschen und tschech. Einwohnern. – Die Stadt, deren Namen bald vom keltischen Kelemancia, bald vom slawischen Eigennamen Olomunt, am richtigsten aber vom altdeutschen Namen Ala-munt abgeleitet wird, ruht, wie die Funde beweisen, auf uraltem Kulturboden, tritt historisch aber erst um die Mitte des 11. Jahrh. (1055) als Sitz eines mährischen Teilfürstentums der Przemysliden hervor. 1063 wurde das dortige Bistum begründet, im 12. Jahrh. erhält es deutsche Ansiedler, welche Markgraf Wladislaw (1197–1222) mit Magdeburger Recht bewidmete. 1241 litt es durch den Mongoleneinbruch. Unter Przemysl Ottokar II. wurde O. königliche Stadt und mit verschiedenen Privilegien bedacht. Hier ward der letzte Przemyslide, König Wenzel III., 1306 ermordet. In den Hussitenkämpfen war O. eine Stütze der Katholiken und König Siegmunds; ebenso stand es an der Spitze des Katholischen Bundes der mährischen Städte gegen König Georg Podiebrad; sein Gegner Matthias Corvinus wurde hier (3. Mai 1468) zum böhmischen König ausgerufen. Im 16. Jahrh. breitete sich der Protestantismus auch hier ungemein stark aus, bis die Einführung der Jesuiten (1566) das katholische Element stärkte. Lange Zeit galt O. als Hauptort Mährens und Sitz der Regierung, bis diese 1640 nach Brünn verlegt wurde; 1642 wurde die Stadt von den Schweden unter Torstensson erobert; 1742 besetzten sie die Preußen. Nach dem Friedensschluß wurde O. befestigt und leistete der von den Preußen 10. Juni 1758 mit großem Nachdruck begonnenen Belagerung so lange Widerstand, bis es durch Dann entsetzt wurde. 1778 verlor es die aus der Jesuitenschule entstandene Universität, die nach Brünn verlegt wurde, erhielt sie 1827 wieder, doch wurde sie 1855 bis auf die theologische Fakultät aufgehoben. Am 2. Dez. 1848 entsagte hier Kaiser Ferdinand der Regierung. Am 28. und 29. Nov. 1850 fanden in O. Konferenzen zwischen dem preußischen Minister v. Manteuffel, dem österreichischen, Fürsten Schwarzenberg, und dem russischen Gesandten am österreichischen Hofe, Grafen Meyendorf, statt, die zur Feststellung der für Preußen so demütigenden Olmützer Punktationen in bezug auf die friedliche Schlichtung der deutschen Wirren führten. 1866 war es vom Mai bis Juni Sitz des österreichischen Generalstabs, hier sammelte sich auch das bei Königgrätz geschlagene Heer, wich aber vor dem andringenden Feinde zurück. 1888 wurden die Festungswerke aufgehoben und werden jetzt zur Stadterweiterung benutzt. Vgl. J. W. Fischer, Geschichte der königlichen Haupt- und Grenzfestung O. (Olmütz 1808–11, 2 Bde.); W. Müller, Geschichte der königlichen Hauptstadt O. (Wien 1882); F. Bischoff, Deutsches Recht in O. (Olmütz 1885); W. Saliger, Über das Olmützer Stadtbuch des Wenzel von Iglau (Brünn 1882); A. Fischel, Die Olmützer Gerichts ordnung (das. 1903).

Das Erzbistum O. ward als Bistum 1063 gegründet. Während früher der Bischof vom Landesfürsten, dem böhmischen König, mit Zustimmung des Volkes und Klerus ernannt, vom Mainzer Metropoliten geweiht und vom deutschen König investiert worden war, erhielt 1206 das Kapitel das Recht der freien Wahl, was Papst Innozenz III. 8. Jan. 1207 bestätigte. Einer der bedeutendsten Bischöfe des 13. Jahrh. war Bruno von Schaumburg-Holstein (s. Bruno 6), auf den die Kolonisierung des Gebietes und die Einführung des Lehenssystems zurückzuführen ist. Unter Kaiser Karl IV. erhielten die Bischöfe von O. den Titel »comes regalis capelle Boemie« und »princeps«, und diese fürstliche Würde wurde ihnen 1588 unter Bischof Stanislaus Pawlowsky von Kaiser Rudolf II. erneuert und bestätigt. 1777 ward das Bistum zum Erzbistum erhoben. Die zu dem Erzbistum gehörigen Herrschaften und Lehnsgüter, für die seit Bischof Bruno, dem Minister König Ottokars II., ein förmlicher Lehnshof bestand, werden auf 5,100,000 Gulden geschätzt, die Lehnsgüter allein auf 2 Mill. Gulden. Der Erzbischof ist der einzige in Österreich, dessen Wahl vom Domkapitel abhängt, das zur Belohnung seiner 1619 und 1620 dem Kaiser bewiesenen Treue den Titel das »getreue« führt. Das Ernennungsrecht am Kapitel ist derart zwischen Kaiser und Kapitel geteilt, daß Erledigungen, die in ungeraden Monaten eintreten, vom Kaiser wiederbesetzt, solche in geraden Monaten vom Kapitel durch Wahl ergänzt werden. Der Kaiser kann Adlige und Nichtadlige ernennen, das Domkapitel dagegen ist nach den Statuten gehalten, bei der Wahl »auf die adligen Kandidaten oder wenigstens auf die des Ritterstandes zu reflektieren«. Vgl. F. X. Richter, Augustini Olomucensis episcoporum Olomucensium series (Olmütz 1831); d'Elvert, Zur Geschichte des Erzbistums O. (Brünn 1895); »Catalogus venerabilis cleri archidioeceseos Olomucensis« (Olmütz 1906, erscheint jährlich).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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