Wespen

Wespen

Wespen (Vespariae Latr), Familie der Hautflügler, den Bienen nahestehende Insekten mit schlankerm, fast nacktem, meist gelb, auch weiß geflecktem Körper, meist deutlich gebrochenen und nickenden Fühlern, nierenförmigen, innen stark ausgeschnittenen Augen, deutlichen Nebenaugen, hervorstehenden Oberkiefern, mehr oder weniger verlängerten Unterkiefern und Unterlippe, an den Hinterbeinen mit einfacher Schiene und Metatarsus. Die Weibchen und, wo sie vorkommen, die verkümmerten Weibchen besitzen einen Wehrstachel. Sie nähren sich von Süßigkeiten, die sie mit der meist kurzen Zunge auflecken, Obst, Fleisch, füttern die Larven aber mit Insekten, die in zerkauten Bissen verabreicht werden. Von den Schmarotzerwespen (Masaridae) gibt es nur zwei südeuropäische Arten. Von den Mauerwespen (Solitariae), von denen es nur Männchen und Weibchen gibt, ist die Mauerlehmwespe (Odynerus parietum L., s. Tafel »Hautflügler II«, Fig. 9) 6,5–13 mm lang, schwarz, an den Hinterleibsringen und am Vorderrande des Thorax gelb gesäumt, am Kopfe gelb gefleckt und an den Beinen von der Hinterhälfte der Schenkel an gelb; sie erscheint Ende Mai, gräbt in einer alten Lehmwand oder in der Wand einer Lehmgrube eine etwa 10 cm tiefe Röhre und bildet aus dem mit Speichel befeuchteten und zu Klümpchen geballten Lehm vor dem Eingang der Wohnung ein sich herabneigendes Rohr. Sie trägt dann Larven von Blattkäfern, kleine Schmetterlingsraupen etc. ein, die durch einen Stich gelähmt und willenlos werden, legt in die gefüllte Röhre ein Ei und verschließt die Öffnung mit Lehm. Die nach wenigen Tagen ausgeschlüpfte Larve nährt sich von dem vorgefundenen Futter, ist nach 3 Wochen erwachsen, überwintert in einem braunen, ziemlich festen Gespinst, verpuppt sich im Mai und schlüpft bald darauf aus. Die geselligen W. (Faltenwespen, Sociales) bauen einfache, mit den Öffnungen der Zellen nach unten gerichtete, papierartige Waben aus durchkanten und reichlich mit Speichel gemischten Pflanzenteilen. Bauplan und Anheftungsweise der Nester sind höchst mannigfaltig, und die in größern Gesellschaften beisammenwohnenden Arten (Männchen, Weibchen, Arbeiter) umschließen in der Regel ihre Waben mit einer Hülle. Zur Gattung Vespa L. mit wenigen bei uns heimischen Arten von sehr übereinstimmender Form und Farbenzeichnung und zahlreichern Arten in den gemäßigten und kältern Gegenden Amerikas, auch in Asien, gehört die Hornisse (V. crabro L., s. Tafel »Hautflügler II«, Fig. 6), 22–26 mm lang, schwarz, mit rostrotem Kopfe, rot gezeichnetem Thorax und bräunlichem Hinterleib, dessen Ringe breit gelb gerandet sind. Das überwinterte Weibchen beginnt im Mai den Bau des Nestes an einem Balken, in einem hohlen Baumstamm etc. und benutzt als Baumaterial grüne Rinde (s. Tafel »Tierwohnungen II«, Fig. 7). Die deutsche Wespe (V. germanica Fabr.), 16 mm lang, schwarz mit gelben Zeichnungen am Kopf, Mittel- und Hinterleib, und die sehr ähnliche gemeine Wespe (V. vulgaris L.) bauen ihr graues, papierartiges Nest in verlassenen Mäuse- und Maulwurfslöchern und werden schädlich durch Beschädigung von Obst, Trauben etc. und lästig durch große Zudringlichkeit. Die W. bauen sechsseitige, nach unten offene Zellen und eine den ganzen Bau umgebende Hülle. Nach Vollendung weniger Zellen legt das Weibchen in jede ein Ei und trägt für die nach 5 Tagen ausschlüpfende Larve Futterbrei aus zerkauten Insekten ein, den sie gleichmäßig unter die Larven verteilt. Nach weitern 9 Tagen ist die Larve erwachsen, schließt die Zelle mit einem halbkugeligen Gespinst, umgibt sich mit einem glasartigen Gewebe und verpuppt sich. Nach 14 Tagen schlüpft dann die junge Wespe aus. Die zuerst erscheinenden Hornissen sind Arbeiterinnen, die sich eifrig am Bau des Nestes beteiligen, so daß dieses einen Umfang von ca. 0,5 m erreicht und dann aus mehreren Etagen besteht, die durch Säulchen miteinander verbunden sind. Die Tafeln flehen etwa um eine Zellenlänge voneinander ab, und der ganze Bau ist nahezu kugelförmig, unten und seitlich ein Mantel mit einer Öffnung zum Aus- und Einfliegen, an der Wachen stehen, um bei drohender Gefahr die Einwohner zu benachrichtigen, die sich mit Wut auf den Angreifer stürzen und sehr empfindlich stechen. Im Herbst erscheinen auch Männchen und fruchtbare Weibchen, und nachdem dann die Pärchen sich zusammengefunden, wird die noch vorhandene Brut herausgerissen, und die Gesellschaft zerstreut sich und geht zugrunde bis auf die befruchteten überwinternden Weibchen. Andre Arten derselben Gattung bauen ihre Nester unter der Erde, wieder andre im Laube der Bäume und Sträucher. Die französische Papierwespe (Polistes gallica L., s. Tafel »Hautflügler II«, Fig. 8), 13 mm lang, mattschwarz, am ganzen Körper reichlich, aber veränderlich gelb gezeichnet, fliegt in Südeuropa und Deutschland und baut in einem Busch oder unter einem Mauervorsprung ein aus wenigen Zellen, die zuletzt eine hüllenlose Rosette bilden, bestehendes Nest. Die Männchen entstehen, wie bei den Bienen, durch Parthenogenesis aus unbefruchteten Eiern. Vgl. de Saussure, Études sur la famille des Vespides (Par. 1852–1857, 3 Bde.); Möbius, Die Nester der geselligen W. (Hamb. 1856); G. u. E. Peckham, Instinkt und Gewohnheiten der solitären W. (deutsch, Berl. 1904).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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