- Cobden
Cobden, Richard, berühmter Vertreter des Freihandels, geb. 3. Juni 1804 in Dunford bei Midhurst in Sussex als Sohn eines kleinen Grundeigentümers, gest. 2. April 1865 in London. Nachdem er in seiner Jugend hatte Schafe hüten müssen, verließ er früh das elterliche Haus und fand Beschäftigung in London in der Kattunfabrik eines Verwandten, schwang sich zum auswärtigen Agenten für sein Haus empor, als welcher er Nordamerika und einen großen Teil von Europa bereiste, und wurde dann Teilhaber eines Kattungeschäfts in Manchester, das er bald durch Herstellung besserer Waren und Dessins zuhoher Blüte brachte. Die Aufmerksamkeit des Publikums zog er zuerst durch zwei Flugschriften: »England, Irland und Amerika« und »Rußland«, auf sich. Die letztere war bestimmt, den Glauben an die unermeßlichen Hilfsquellen Rußlands zu beseitigen und nachzuweisen, daß die große nordische Macht zur Freundin Englands nur durch Herstellung freien Verkehrs zwischen beiden Ländern zu machen sei. Auch die erstere Schrift entwickelte ein System des Friedens und verwarf den alten Lehrsatz von dem Gleichgewichte der Mächte. Den Einfluß, den beide Schriften dem Verfasser bei der industriellen Aristokratie Lancashires eintrugen, benutzte er 1835 zur Gründung des Athenäums, eines der geistigen und sittlichen Ausbildung der in den Fabriken und Kontoren Manchesters beschäftigten jungen Leute gewidmeten Instituts. Auch brachte er es dahin, daß der Lord of the manor, der damals noch die Jurisdiktion in Manchester hatte, einem Gemeinderat Platz machte, in den er selbst als Alderman gewählt wurde. Kurz darauf ward er auch Präsident der Handelskammer. Inzwischen hatte er auf einer Reise nach den Vereinigten Staaten die dortigen industriellen Zustände studiert, besuchte dann Ägypten, die Türkei, Griechenland und 1838 Deutschland. Hier faßte er die Idee eines Vereins zum Schutz der Interessen des Mittelstandes gegen die Übergriffe der Aristokratie, die zur Gründung der Anti-Cornlaw-League (s.d.) führte. Schon 1838 forderte er bei Gelegenheit einer Beratung der Handelskammer über eine Modifikation der Korngesetze gänzliche Abschaffung derselben. Die 13. Dez. 1838 an das Parlament gerichtete Vorstellung fand in den industriellen Kreisen großen Anklang, und zahllose Petitionen schlossen sich an. Von der Stadt Stockport 1841 in das Parlament gewählt, ergriff er das Wort fast nur in der Frage des freien Handels und namentlich der Aufhebung der Kornzölle. So setzte er in der Session von 1843 bei dem Antrag auf Untersuchung des Notstandes im Land in meisterhafter Rede die Verschiedenheit des Interesses der Bodenaristokratie von dem des eigentlichen Landmanns in klares Licht und entwarf ein erschütterndes Gemälde der Leiden des Volkes im Norden von England. Den Bestrebungen der League kamen 1845 die Aussichten auf eine sehr geringe Ernte zu statten, infolge deren der Unwille der Mittelklassen gegen die Korngesetze so bedenklich stieg, daß der begabteste Staatsmann der gegnerischen Seite, Sir Robert Peel, die Notwendigkeit erkannte, dem gewaltigen Druck von außen nachzugeben. C. aber erklärte sich, als Peel Anfang 1846 seinen Plan zur Abschaffung der Kornzölle vorgelegt hatte, gegen die hierfür festgesetzte dreijährige Frist und drang auf vollständige Aufhebung dieser Zölle. Erkrankung hielt ihn lange von dem Parlament fern, und erst in den letzten Sitzungen der sogen. Monsterdebatte über die Peelsche Bill und den von der Toryseite gestellten Antrag auf Verwerfung derselben war er wieder gegenwärtig. Als mit der Annahme der Peelschen Korngesetzbill in beiden Häusern des Parlaments der Sieg der League entschieden war, beantragte C. ihre Auflösung. Die siebenjährige Agitation hatte nicht nur Cobdens Gesundheit, sondern auch seinem Vermögen große Nachteile gebracht. Die Erkenntlichkeit seines Volkes suchte ihn durch Eröffnung einer Subskription, die 100,000 Pfd. Sterl. eintrug, zu entschädigen, so daß er eine Erholungsreise nach dem Kontinent unternehmen konnte. Von dem Wahlkreis York (Westriding) ins Parlament gewählt, gab er sein Geschäft auf und widmete sich ganz der Politik. Unter seiner Mitwirkung erfolgte 1849 die Aufhebung der Navigationsakte. Seine Bestrebungen galten fortan der Einführung zweckmäßiger Ersparungen in der Staatsverwaltung und der Ausdehnung des parlamentarischen Stimmrechts. Zugleich bewies er sich als Beförderer der Friedensgesellschaften, anderen Versammlungen er sich eifrig beteiligte. Von dieser Tendenz war auch sein dem Parlament vorgelegter Antrag auf Einführung eines internationalen Schiedsgerichts, der zwar 1849 durchfiel, aber, 1851 erneuert, die Erklärung Lord Palmerstons hervorrief, daß er die Grundsätze desselben gutheiße und möglichst anzuwenden suchen werde. In seiner Flugschrift »1793 and 1853« suchte er zu beweisen, daß die ganze Schuld des Revolutionskrieges von 1793 vielmehr England und seinen Verbündeten, als dem Pariser Konvent zuzuschreiben seien. Seine Parteinahme für Rußland während des russisch-türkischen Krieges sowie das von ihm 1857 beantragte Tadelsvotum gegen Sir John Bowrings kriegerisches Verhalten in China, das eine Niederlage Palmerstons und die Auflösung des Parlaments zur Folge hatte, entzogen ihm einen Teil seiner Popularität. Nachdem er einige Zeit in Amerika zugebracht, ward er nach seiner Rückkehr von Rochdale wieder ins Parlament gewählt, wo er sich als schlagfertiger Gegner jeder Kriegs- und Einmischungspolitik hervortat. 1860 nahm er in Paris am Abschluß des englisch-französischen Handelsvertrags tätigen Anteil. Außer in seinem Vaterland wurde ihm auch in Verviers ein Standbild gesetzt. Zum Andenken an ihn ist ein Cobden-Klub gestiftet worden, der die Herausgabe und Verbreitung freihändlerischer Schriften bezweckt. Cobdens Schriften und Reden erschienen gesammelt als »Political writings« (2. Aufl., Lond. 1867, 2 Bde., in 1 Bd. 1886) und »Speeches on questions of public policy« (hrsg. von I. Bright und Rogers, das. 1870, 2 Bde.). Vgl. F. v. Holtzendorf, Richard C. (3. Aufl., Berl. 1874); Mad. Salis-Schwabe, Richard C. Notes sur ses voyages, correspondances, etc. (Par. 1879; engl. Ausgabe u. d. T.: »Reminiscences of R. C.«, Lond. 1895); John Morley, Life of Richard C. (2. Aufl., Lond. 1896; 1902); Walcker, R. Cobdens volkswirtschaftliche und politische Ansichten (Hamb. 1885); Dunckley, R. C. and the jubilee of Free trade (Lond. 1896).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.