Weiße

Weiße

Weiße, 1) Christian Felix, Dichter und Schriftsteller, geb. 28. Jan. 1726 in Annaberg, gest. 16. Dez. 1804 in Leipzig, studierte seit 1745 Theologie und Philologie in Leipzig, wo Lessing, mit dem er die Leidenschaft für das werdende deutsche Theater teilte, sein Studiengenosse war, und wurde 1750 Hofmeister eines in Leipzig studierenden Grafen Geyersberg. Mit Ekhof, Rabener, Gellert nahe bekannt geworden, gab er die Theologie auf, widmete sich hauptsächlich philologischen und schönwissenschaftlichen Studien und schrieb fleißig für die Kochsche Schauspielergesellschaft. Schon sein Erstlingswerk, das Lustspiel »Die Matrone von Ephesus«, war beifällig aufgenommen worden; ein nach dem Englischen bearbeitetes Singspiel: »Der Teufel ist los«, verwickelte ihn mit Gottsched in einen Streit, der dessen bereits erschütterte Autorität in bezug auf das Theater vollends brach. Der von Nicolai ausgeschriebene Preis für das beste deutsche Trauerspiel, den Cronegk davontrug (1757), rief auch W. zu einem Versuch in der Tragödie auf. Er verfaßte für das zweite Preisausschreiben (1759) seinen »Eduard III.«, dem bald ein »Richard III.« (Neudruck, Berl. 1904) folgte. Die von ihm auf Nicolais Wunsch übernommene Fortsetzung von dessen »Bibliothek der schönen Wissenschaften« wurde bald nach dem Erscheinen des 5. Bandes durch eine Reise unterbrochen, die W. 1759 mit seinem Zögling nach Paris machen mußte, wo ihn eifriger Theaterbesuch zu erneuter dramatischer Produktion reizte. Nach seiner Heimkehr zu Ostern 1760 löste sich das Verhältnis zu seinem Zögling. Der Dichter verweilte zunächst eine Zeitlang als Gesellschafter des Grafen Schulenburg zu Burgscheidungen in Thüringen und trat dann 1761 die ihm durch vornehme Gönnerschaft erwirkte Stelle eines Kreissteuereinnehmers in Leipzig an, in der er bis zu seinem Tode verblieb. Während seines Aufenthalts bei dem Grafen Schulenburg waren die Tragödien: »Crispus«, »Mustapha und Zeangir«, »Rosamunde«, die Lustspiele: »Die Haushälterin«, »Der Mißtrauische gegen sich selbst« und die »Neue Weiberschule« sowie die »Amazonenlieder« (1760) entstanden. Nach Antritt seines Steueramtes verfaßte W. noch eine Reihe von Komödien und Tragödien, z. B. »Romeo und Julia«, worin er Shakespeares Werk im Sinne des bürgerlichen Rührstücks verflachte, sowie die von Hiller komponierten und zu ihrer Zeit sehr beliebten Singspiele: »Lottchen am Hof«, »Die Jagd«, »Die Liebe auf dem Land«, »Der Erntekranz« u. a., zum größten Teil nach französischen Mustern (vollständig gesammelt 1777, 3 Bde.). Außerordentlichen Beifall fanden seine »Lieder für Kinder« (1765) und seine pädagogische Zeitschrift: »Der Kinderfreund« (1776–82, 24 Bde.), der sich der »Briefwechsel der Familie des Kinderfreunds« (1783–92, 12 Bde.) anschloß. Seit 1790 wohnte W. auf dem ihm als Erbteil zugefallenen Rittergut Stötteritz bei Leipzig. W. folgte auf dem Gebiete des Dramas als ein schreibfertiger Anempfinder zunächst Gottsched, nahm dann einige Anregungen von Lessing auf (so bediente er sich, wie Brawe, des fünffüßigen Jambus bereits etliche Jahre vor dem Erscheinen des »Nathan«) und lehnte sich schließlich auch an gewisse Erscheinungen der Geniezeit an, die er jedoch nur äußerlich erfaßte. Seine Lyrik ist bei aller Gewandtheit trivial, am meisten die einst hoch gerühmten »Kinderlieder«, deren Altklugheit mit echter Kinderpoesie nichts gemein hat. Minder verfehlt sind die pädagogischen Schriften des Dichters, und nicht ohne Grund hat Weißes »Kinderfreund« sowie dessen Fortsetzung lange Zeit hindurch sich populär erhalten. Seine »Selbstbiographie« erschien Leipzig 1807. Vgl. Minor, Chr. F. W. und seine Beziehungen zur deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts (Innsbr. 1880).

2) Christian Hermann, Philosoph, Enkel des vorigen, geb. 10. Aug. 1801 in Leipzig, gest. daselbst 19. Sept. 1866, studierte in Leipzig, schloß sich der Hegelschen Philosophie an, die er später mit dem theistischen Element der Schellingschen positiven Philosophie versetzte, und war mit I. H. Fichte (s. d. 2) einer der Gründer des neuen spekulativen Theismus und bekämpfte den pantheistischen Idealismus Hegels. 1846 wurde er ordentlicher Professor der Philosophie an der Universität seiner Vaterstadt. Seine sehr zahlreichen Arbeiten erstreckten sich vornehmlich auf das ästhetische und religionsphilosophische, die spätesten auch auf das Gebiet der Evangelienkritik. Zu den erstern gehören sein der dialektischen Form nach streng im Hegelschen Geist entwickeltes, dem theistisch gefärbten Inhalt nach von ihm sich losmachendes »System der Ästhetik als Wissenschaft von der Idee der Schönheit« (Leipz. 1830, 2 Bde.; das 1872 von Seydel unter demselben Titel herausgegebene Buch enthält Weißes letzte Kollegienhefte) und die nach seinem Tode von R. Seydel gesammelten, teilweise höchst geistreichen »Kleinen Schriften zur Ästhetik« (das. 1867) sowie die »Kritik und Erläuterung des Goetheschen Faust« (das. 1837). Seine religionsphilosophischen Ideen entwickelte W. in den Schriften: »Die Idee der Gottheit« (Dresd. 1833); »Die philosophische Geheimlehre von der Unsterblichkeit des menschlichen Individuums« (das. 1834); »Theodicee in deutschen Reimen von Nikodemus« (das. 1834); »Grundzüge der Metaphysik« (Hamb. 1835); »Die evangelische Geschichte, kritisch und philosophisch bearbeitet« (Leipz. 1838, 2 Bde.); »Philosophische Dogmatik oder Philosophie des Christentums« (das. 1855–62, 3 Bde.); »Die Evangelienfrage« (das. 1856) und »Psychologie und Unsterblichkeitslehre« (hrsg. von Seydel, das. 1869). Vgl. Seydel, Christian Hermann W. (Leipz. 1866).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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