- Pflanzenpflege
Pflanzenpflege, alle Maßnahmen, die notwendig sind, um der Pflanze die günstigsten Bedingungen für ihr Gedeihen und für die Erreichung des Endzweckes der Kultur zu bieten. Das beim Begießen den Gewächsen zugeführte Wasser löst die im Boden befindlichen Nährstoffe und macht sie dadurch für die Wurzeln aufnahmefähig. In der Zeit lebhaften Wachstums müssen Topfgewächse gegossen werden, sobald die Oberfläche der Erde trocken geworden ist, und zwar jedesmal so gründlich, daß der ganze Ballen durchziehen kann. Dabei muß der Abzug des etwa überflüssigen Wassers durch das Bodenloch im Topfe durch eine Scherben lage gesichert sein, und wegen des Luftbedürfnisses der Wurzeln benutzt man stets Gefäße mit porösen Wänden. Bei heißem, trocknem Wetter sucht man durch mehrfaches Spritzen der Pflanzen und deren Umgebung die Wasserverdunstung durch die Blätter möglichst einzuschränken. Gefährlich ist starkes Austrocknen besonders bei Pflanzen in Moor- oder Heideerde, weil diese, einmal trocken geworden, sehr schwer wieder Wasser annehmen, ebenso wie sie, einmal zu naß geworden, das überschüssige Wasser sehr la nosam wieder abgeben. Das schlaffe Hängen des Laubes bei Trockenheit des Wurzelballens tritt oft auch ein, wenn die Wurzeln in folge von stagnieren der Nässe schlecht geworden sind und kein Wasser mehr aufnehmen (Cyklamen u.a.). Die Pflanzen sind dann meist nur durch rasches Verpflanzen in frische Erde und Anwendung von Bodenwärme zur Begünstigung der Neubildung von Wurzeln zu retten. In der Ruheperiode ist der Wasserbedarf aller Gewächse geringer. Man erfährt das Trockenwerden des Ballens durch Klopfen an die Topfwand, das bei Wassermangel hohl und hell, bei genügender Feuchtigkeit dumpf und voll klingt. Man verwendet am besten möglichst reines, besonders kalkfreies Wasser, Regen- oder Flußwasser. Frischverpflanzte Gewächse gießt man anfangs vorsichtig mittels der Brause, weil ein Teil der Wurzeln noch nicht aufnahmefähig ist, und damit die Oberfläche der Erde nicht aufgerührt wird. Vgl. Verpflanzen. Das Behacken und Behäufeln der Pflanzen bewirkt die Offenhaltung des Bodens und verhindert die besonders auf schwereren Boden nach Verwendung von Chilisalpeter leicht eintretende Schollen- und Krustenbildung. Die Arbeit fördert das Wachstum der Pflanzen außerordentlich und ist daher bei allen wertvollen Produkten, je nach der Bindigkeit des Bodens, aller vier Wochen etwa zu wiederholen. Bei flachwurzelnden Pflanzen, wo das Behacken nicht ausführbar ist, erhält man die Lockerheit der Bodenoberfläche durch Bedecken mit einer dünnen Schicht Laubkompost, verrottetem Dünger, Lohe etc. Amerika liefert sehr geeignete kleine Stoßpflüge (Panet jr. – Maschinen) zum Anhäufeln und Lockern.
Der Gehalt der besten Acker- oder Gartenerde an Pflanzennährstoffen wird bei längerer Verwendung in der Topfkultur sehr bald erschöpft durch Auszehrung durch die Wurzeln und durch Auslaugung durch überschüssiges Gießwasser. Um die Pflanzen in lebhaftem Wachstum zu erhalten, ist wiederholtes Verpflanzen in größere Töpfe und frische Erde oder Düngung erforderlich. Starke Beimischung von Hornmehl, Poudrette, Blutmehl, getrocknetem Rinderdünger zur Erde ist nicht empfehlenswert, besser benutzt man gegorne Aufgüsse von Kuhmist, Guano etc., am besten aber sind Düngesalzmischungen, die eine genaue Dosierung gestatten und alsbald von den Wurzeln aufgenommen werden. Eine genaue Regulierung der Nährstoffzufuhr ist besonders bei manchen Pflanzen erfordert ich, bei denen, wie z. B. bei Azaleen, Eriken etc., der Knospenansatz durch Stickstoffdüngung zur unrechten Zeit hintertrieben wird. Die käuflichen Blumendünger bestehen meist aus schwefelsaurem Ammoniak, phosphorsaurem Kali, zweibasisch phosphorsaurem Kalk, Chlorkalium etc. Chilisalpeter enthält oft schädliche Beimischungen (Perchlorate etc.). Kalk steigert die Tendenz zur Frühreife der Organe und befordert die Blütenanlage, Phosphorsäure begünstigt die Aus bild ung der Früchte und Samen, des Aromas und des Zuckers der Früchte. Man gibt die Düngesalze am besten in Lösungen von 1 pro Mille im Gießwasser, bei Topfgewächsen nur in der Vegetationszeit etwa wöchentlich zweimal. Empfindliche Pflanzen vertragen diese vorsichtigen Düngungen etwa nur 6–8 Wochen lang in der Zeit regsten Wachstums (Erica, Azalea, Cyclamen, Primula), andre können im Sommer, im Freien stehend, während der ganzen Wachstumsperiode täglich gedüngt werden (Chrysanthemum, Fuchsia, Petunia, Pelargonium u.a.). Die ältern organischen Dungmittel sollte man gar nicht mehr direkt, sondern nur noch zur Kompostierung verwenden, wobei sie die denkbar beste Ausnutzung finden. Bei Verwendung der Düngesalze rechnet man mit einem ausreichenden Humusgehalt des Bodens; andernfalls muß der Humus in Gestalt von Mist, Laub, Torfmull etc. beschafft werden, weil ohne ihn auch die chemischen Düngesalze nicht zur vollen Wirkung kommen. Die unter der Kontrolle von landwirtschaftlichen Versuchsstationen und ähnlichen Instituten arbeitenden Dungmittelhändler stellen für die verschiedensten Kulturpflanzen nach Rezepten von Wagner in Darmstadt und andern Forschern Spezialdüngergemische her, die das Vertrauen des Publikums verdienen.
Bei gärtnerischen Kulturen, besonders in Gewächshäusern, aber auch im Zimmer und im Freien, ist eine Beschattung der Gewächse nötig. Viele Kulturpflanzen, besonders in Überwinterungsräumen verzärtelte Pflanzen, spezifische Schattengewächse und solche, die eine hohe Luftfeuchtigkeit verlangen, müssen in unserm kontinentalen Klima schon von Ende April ab vor den Strahlen der Sonne mehr oder weniger geschützt werden, bez. können ihnen nur nach sehr vorsichtiger Gewöhnung völlig ausgesetzt werden. Im Freien baut man hohe Lattengestelle, über die man Bohnenstangen, Rohrmatten oder Jutegewebe legt. Die Gewächshäuser werden mit aufrollbaren Decken aus Lättchen oder Stäbchen schattiert, auch mit Jutegeweben und Flechtwerk aus Kokosstricken. Das Bestreichen der Glasflächen mit Kalkmilch dunkelt bei bedecktem Himmel zu sehr und verhindert bei heiterm Himmel nicht die zu starke Steigerung der Temperatur im Haus. Alle Schattendecken wirken auf Gewächshäusern um so besser, je höher die Luftschicht zwischen Glas und Decke ist. Bei übertriebener Beschattung vergeilen und verweichlichen die Pflanzen, und Krankheiten aller Art sind die Folge. Je öfter und stärker gelüstet wird, um so härter werden die Pflanzen und um so geringer das Schattenbedürfnis.
Die große Mehrzahl der holzartigen Gewächse verlangt regelmäßig wiederholtes Beschneiden; die jungen Pflanzen, um bald Blüten und Früchte bringen zu können und um eine bestimmte, erwünschte Form zu erhalten; die alten, um blüh- und tragfähig zu bleiben und zur Entfernung alten, nicht mehr leistungsfähigen Holzes. Beim Beschneiden ist die Wachstumsart der betreffenden Pflanze genau zu berücksichtigen. Blütensträucher, mit Blütenknospen an der Spitze der Jahrestriebe, dürfen nicht geschnitten werden, wenn man Blüten sehen will. Man entfernt nur das alte, nicht mehr tragfähige Holz, das man oft an den vorjährigen Fruchtständen erkennt (Flieder, Schneeball, Spiraea, Him beere, Windrose etc.). Innen kahl oder zu hoch gewordene Gehölze werden durch sehr energisches Beschneiden verjüngt, indem man sie einkürzt, soweit man noch jüngere Seitenzweige und Triebe findet, die das Weiterwachsen des alten Stammes verbürgen. Gesunde alte Exemplare von Pappeln, Weiden, Linden, Platanen, Roßkastanien etc. vertragen in sehr hohem Alter solche Verjüngung und lohnen die Arbeit. Die dabei entstehenden großen Schnittflächen werden mit Steinkohlenteer verstrichen, da sie sonst die Eintrittspforte für holzzerstörende Pilze und Insekten bilden. Der Schnitt der Kulturvarietäten der Rose muß damit rechnen, daß sie je nach ihrer Abstammung von verschiedenen Arten auch an verschieden geartetem Holze blühen. Mehrmals blühende Rosen werden gleich nach der Blüte um die Hälfte oder ein Drittel der Haupttriebe zurückgeschnitten, wobei schwache Nebenzweige ganz entfernt werden. Über den Schnitt der Obstbäume s. Obstbau.
Von holzartigen Topfpflanzen entnimmt man nach der Überwinterung beim Verpflanzen die nötigen Stecklinge zur Vermehrung (s. d.), entfernt das geile, im Winter etwa gebildete, unbrauchbare Holz und gibt dem Bäumchen die erwünschte Form. Alle im Freien nicht ohne weiteres ausdauernden Gewächse bedürfen eines Winterschutzes. Pflanzen der Alpen und der arktischen Zone müssen gegen das öftere Auftauen und die damit verbundene Anreizung zum Treiben durch die Wintersonne geschützt werden, wo nicht genug Schnee fällt, durch Aufhäufen von Schnee oder Reisig. Die Zwiebel und Knollengewächse, die unsre Winterkälte vertragen, sind sehr oft empfindlich gegen die Nässe mit der Winter und müssen gegen das Tauwasser geschützt werden durch Überdecken mit hohlen Gefäßen, die bei trocknem, mildem Wetter zu lüften sind. Nicht ganz winterharte Zwiebeln, Knollen, Stauden beschüttet man mit trocknem, schlecht wärmeleitendem Material, wie Torfmull, Mist, Laub, das man mit Reisig belegt, um es festzuhalten. Immergrüne, holzartige Gewächse, die einige Kältegrade (-6°) vertragen, überbaut man mit Hütten aus Brettern, die man mit Sägespänen, Laub, Mist, Lohe. oder ähnlichen schlechten Wärmeleitern beschüttet. Laubabwerfende, nicht ganz winterharte Gehölze sowie viele frischgepflanzte, sonst harte Arten erhalten einen Wurzelschutz aus Laub oder trocknem Dünger, der zur Befestigung mit Reisig besteckt wird, und werden außerdem nach dem ersten strengern Frost mit Stroh, Rohr, Fichtenreisig u. dgl. eingebunden oder mit Holzkasten oder Körben bedeckt, die man mit Laub oder Nadelstreu ausfüllen kann. Das Laub und die Nadeln gedeckter Gewächse leiden sehr oft infolge des Licht- und Luftabschlusses erst im Frühjahr, wenn nach dem Abdecken die starke Frühjahrssonne und austrocknender Ostwind darauf einwirken. Man muß daher das Laub im Frühjahr erst allmählich wieder aus Licht und an die starke Wasserverdunstung gewöhnen, zumal im Boden oft noch Frost steckt, so daß ein Ersatz des verdunsteten Wassers aus dem Wurzelballen nicht möglich ist. Mehrmaliges Gießen mit warmem Wasser hilft neben Beschatten der Pflanze in den wärmsten Tagesstunden. Alle empfindlichern Gewächse müssen in Räumen untergebracht werden, die mindestens frostfrei und trocken sind. Das Gießen der Topf- und Kübelpflanzen geschieht vom Spätherbst ab immer seltener und nur, wenn die Gefäße beim Beklopfen mit dem Finger hohl klingen. Die Wurzeln der meisten hierher gehörigen Gewächse sind in dieser Zeit empfindlich gegen Nässe und faulen sehr leicht. Für die P. in den Gewächshäusern erübrigt der Hinweis, daß Licht und Wärme den heimischen Wärmeverhältnissen der betreffenden Gewächse angepaßt werden müssen, bez. daß jedes Gewächs in dasjenige Haus gebracht werden muß, das durch seine speziellen Einrichtungen (s. Gewächshäuser) die richtigen Verhältnisse bietet. Wichtig ist, daß bei Nacht zur Zeit, da die Pflanzen nicht assimilieren, die Temperaturen nicht höher sind als bei To ge. Wesentlich ist auch ein reger Luftwechsel und eine gewisse Bewegung der Luft durch richtig funktionierende Boden- und Dachlüftungen. Vgl. Allendorf, Kulturpraxis (Berl. 1893); Jaeger, Der Hausgarten (2. Aufl., Weim. 1888); Gaerd, Gärtnerische Düngerlehre (3. Aufl., Frankf. a. O. 1901); Wagner, Anwendung künstlicher Düngemittel (3. Aufl., Berl. 1903).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.