Pergamentpapier

Pergamentpapier

Pergamentpapier (vegetabilisches Pergament, Papyrin), ein der tierischen Membran (daher Membranoid) in vieler Hinsicht ähnliches Papier, das durch Einwirkung von Schwefelsäure auf Papier entsteht. Zu seiner Herstellung (Pergamentieren) leitet man ungeleimtes, füllstofffreies Papier (gewöhnlich aus Sulfitstoff) in Rollen auf der Pergamentiermaschine in einen mit Schwefelsäure von 60° Baumé, die eine Temperatur von 10° nicht überschreiten soll, seltener mit konzentrierter Lösung von Chlorzink gefüllten Bleibehälter, in dem es, durch eine Glaswalze untergetaucht, 3–12 Sekunden verweilt, und läßt es dann zum Auspressen der Schwefelsäure erst durch Glaswalzen, dann durch Kautschukwalzen gehen. Von hier gelangt es, von drei Glaswalzen geführt, durch einen Kasten mit Wasser, darauf über sechs Holzwalzen, um mit Wasser bespritzt zu werden, dann durch eine Kautschukpresse, durch einen Trog mit einem Alkalibad zum Neutralisieren der zurückgehaltenen Schwefelsäure, durch einen zweiten Spritzwaschapparat, eine letzte Walzenpresse und endlich zum Trocknen über eine mit Dampf geheizte Trommel sowie durch cm Glättwalzenpaar zur Aufwickelwalze, die zugleich das Papier durch sämtliche Apparate zieht. P. ist hornartig durchscheinend, steif, 3–4mal fester als das Papier, aus dem es hergestellt wurde, erweicht in Wasser, ohne an Festigkeit zu verlieren, und gleicht dann der tierischen Blase. Es läßt Flüssigkeiten nur endosmotisch hindurch, wird durch kochendes Wasser nicht verändert, fault nicht und wird nicht von Insekten angegriffen. Es widersteht kochenden Ätzlaugen, löst sich aber allmählich in heißer konzentrierter Salzsäure und Schwefelsäure. Läßt man es zehn Minuten in konzentrierter Salpetersäure liegen und wäscht es dann aus, so zeigt es nach dem Trocknen viel größere Dicke, Festigkeit und Zähigkeit, ist gegen Säuren sehr widerstandsfähig und wird, wenn man es einige Minuten in Schwefelsäure taucht, glashell und durchsichtig. Bei der Vereitung schwindet unter Verdickung des Blattes das Flächenmaß um 10–30 Proz. ohne Gewichtsveränderung. Nach dem Eintauchen in Säure kann man zwei Bahnen miteinander vereinigen, indem man sie auseinander durch die Presse laufen läßt, da das durch die Schwefelsäure gebildete Amyloid eine Verklebung herbeiführt. Um P. zu leimen, erweicht man es mit starkem Branntwein, legt es noch feucht auf das mit starkem Leim bestrichene Material und reibt es an. Auch eine Lösung von Zellulose in Kupferoxydammoniak eignet sich zum Verleimen. P. dient als Surrogat der tierischen Blase, zum Verpacken von Schokolade, Konserven, Fleischspeisen (künstliche Wurstdärme aus P.) etc., zum Verbinden von Einmachebüchsen, zum Auslegen von Fässern, als Surrogat des Pergaments für Urkunden, Dokumente, zum Durchzeichnen, zur Anfertigung von Patronenhülsen etc. Man kann weißes P. mit Teerfarben färben, aber auch Buntpapier in P. verwandeln und dies mit Reliefdruck versehen. So erhält man ein sehr schönes Material für Portefeuille-, Galanterie- und Buchbinderarbeiten, für künstliche Blumen etc. In der Chirurgie dient P. als Ersatz der Leinwand, des Wachstuchs und der Guttapercha. Im Laboratorium und namentlich in der Zuckerfabrikation benutzt man es zu dialytischen Zwecken (Osmosepapier). P. wurde zuerst 1853 von Gaine in England dargestellt. Warren de la Rue gründete 1861 die erste Pergamentpapierfabrik in England und 1862 Brandegger in Ellwangen. Brandegger erfand auch die künstlichen Wurstdärme aus P.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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