- Pergamon
Pergamon, im Altertum berühmte Stadt in Mysien, in der Landschaft Teuthrania, war ursprünglich nur eine starke, auf der Höhe eines steil über der Kaikosebene sich erhebenden Berges angelegte Burg. Die Bewohner waren einheimischen Stammes, doch war schon in der Perserzeit auch das griechische Element stark vertreten. König Lysimachos von Thrakien bewahrte in der Burg seine Schätze auf (9000 Talente = ca. 32 Mill. Mk.) unter der Obhut des Kommandanten Philetairos. Dieser behielt nach dem Falle seines Herrn (282 v. Chr.) das Geld für sich und legte damit den Grund zur Macht seines Hauses. Aus der Burg entwickelte sich die Hauptstadt des von bescheidener lokaler Herrschaft allmählich zur Großmacht aufwachsenden Pergamenischen Reiches (s. d.). Am meisten vergrößert und verschönert wurde die Stadt durch König Eumenes II. (197–159). Er zog den ganzen Abhang des Berges bis zu seinem Fuß in den Mauerkreis hinein. Ob er oder schon sein Vater Attalos I. die berühmte Bibliothek gründete, die mit der alexandrinischen wetteiferte, ist nicht sicher. Beide Fürsten förderten auch die bildende Kunst durch großartige Aufgaben (s. Bildhauerkunst, S. 865). Erzeugnisse pergamenischen Gewerbfleißes waren Salben, irdene Becher und Pergament (charta pergamena). Auch nach der Einverleibung des pergamenischen Reiches in das römische (133 v. Chr.) blieb P. die blühende Hauptstadt der Provinz Asia. Sie dehnte sich sogar in dieser Zeit bedeutend in die Ebene aus. Die Reste sehr stattlicher Gebäude sind hier noch erhalten.
Bei der zunehmenden Unsicherheit des Reiches in der spätern Kaiserzeit zogen sich dann die Bewohner wieder den Berg hinauf, und in byzantinischer Zeit nahm das Städtchen etwa den Platz der alten Burg auf der Höhe ein. P. war Vaterstadt des Rhetors Apollodoros, des Lehrers des jungen Octavian, und des Arztes Galenos, auch war es einer der ersten Sitze einer christlichen Gemeinde. Die heutige Stadt Bergama (s. d.) liegt wieder an der Stelle der römischen in der Ebene.
In den Vordergrund des Interesses ist P. durch die von der preußischen Regierung 1878–86 auf Anregung Humanns (s. d. 2) unter seiner und Conzes Leitung dort veranstalteten, so erfolgreichen Ausgrabungen getreten. Sie werden seit 1900 im Namen des kaiserlichen deutschen archäologischen Instituts von Conze und Dörpfeld fortgesetzt. Galten die frühern Grabungen besonders den wichtigen Anlagen auf der Höhe des Stadtberges, so wird jetzt die eumenische Stadt am Abhang aufgedeckt. Ein herrliches Bild einer hellenistischen Großstadt wird uns so erschlossen. Wir betreten sie wieder durch das am Südfuße des Berges freigelegte Haupttor in der Mauer des Eumenes. Eine gepflasterte Straße führt in großen Kehren den Abhang hinaus. Bald erreichen wir eine äußerst stattliche Marktanlage, in deren Nähe auch die Reste palastähnlicher Privathäuser herausgekommen sind. Weiter hinauf, vorbei an dem großen Brunnengebäude der Stadt, gelangen wir zu dem auf drei übereinander ansteigenden Terrassen errichteten Gymnasium. Über ihm folgt der ältere Markt der Oberstadt (s. Plan, S. 583) mit einem kleinen Tempel des Dionysos. Weiterhin sichtbar erhob sich darüber der große, von Eumenes II. dem Zeus (und der Athene?) errichtete Altar mit dem berühmten Skulpturenschmuck. Wieder eine weitere Steigung führt uns zur Kuppe des Berges, zu dem von mächtigen Türmen gedeckten Eingange der königlichen Residenz, der ehemaligen Burg. Rechts liegen die Reste eines ältern und eines jüngern, von Eumenes II. erbauten Palastes, links das Heiligtum der Athene. Der Tempel, das älteste uns bekannte Gebäude der Stadt (aus dem 4. Jahrh.), erhob sich auf freiem Platze, der im N. und O. von einer zweigeschossigen Halle begrenzt war. Reliefdarstellungen aufgehäufter Waffen und Kriegsgeräte schmückten die Brüstungen des obern Geschosses. Hinter der nördlichen Halle lagen die Räume der Bibliothek. An der Westseite des Heiligtums blicken wir hinab in das Theater mit der vorgelegten großen Wandelterrasse, an deren Ende sich der ionische Tempel des Dionysos Kathegemon erhob. Noch etwas höher als der Bezirk der Athene war an beherrschender Stelle nahe dem höchsten Plateau auf mächtigen Unterbauten das Heiligtum des Kaisers Trajan erbaut, wieder ein Tempel auf einem großen, von drei Seiten mit Hallen umgebenen Platze. Von allen diesen Bauten sind höchst lehrreiche architektonische Ausschnitte im neuerrichteten Pergamon-Museum in Berlin wieder aufgebaut worden, vor allem aber ist dort der große Altar mit seinem mächtigen, den Kampf der Götter gegen die Giganten schildernden Sockelfries (s. Tafel »Bildhauerkunst IV«, Fig. 7 u. 9) aus den bedeutenden Resten zu voller Wirkung wiederhergestellt. Auch der kleinere, an der Innenseite des Altars angebrachte Telephosfries, der von der mythischen Vergangenheit der Landschaft erzählte, ist, soweit möglich, daselbst wieder zusammengestellt. Vgl. »Die Ergebnisse der Ausgrabungen zu P.«, drei vorläufige Berichte von Conze, Humann, Bohn u.a. (Berl. 1880, 1882, 1888); das im amtlichen Auftrag bearbeitete Werk »Altertümer von P.« (bisher Bd. 2–5 u. 8, das. 1885 ff.) geht seinem Abschluß entgegen; »Beschreibung der Skulpturen aus P., I: Gigantomachie« (von Puchstein, das. 1904); »Führer durch das Pergamon-Museum« (das.); »Führer durch die Ruinen von P.« (das.); Collignon und Pontremoli, »Pergame, restauration et description des monuments de l'Acropole« (Par. 1900); Ussing, Pergamos, seine Geschichte und Monumente (Berl. 1899); Dörpfeld, Das südliche Stadttor von P. (in den »Abhandlungen der Berliner Akademie der Wissenschaften«, 1901); Conze, Kleinfunde von P. (ebenda 1903); Gelzer, P. unter Byzantinern und Osmanen (das. 1903); Cardinali, Il regno di Pergamo (Rom 1905). Regelmäßige Berichte über die neuen Grabungen erscheinen in den »Mitteilungen des Archäologischen Instituts zu Athen«.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.