Ostergebräuche

Ostergebräuche

Ostergebräuche. Gleich dem Weihnachtsfest gilt Ostern (s. d.) als ein Freudenfest, besonders für die Jugend, weshalb die Kirche eine Reihe alter Gebräuche, z. B. das von der Kanzel erzählte Ostermärchen und die Ostergelächter, die diesem Scherze folgten, mehr oder weniger in Verbindung mit oder innerhalb der kirchlichen Feier hat fortbestehen lassen (vgl. Osterspiele), obwohl sie zum guten Teil ursprünglich wohl einer Frühlingsgöttin Ostara gewidmet waren. Man begrüßte ehemals das Fest der neuerstandenen Sonne mit Tänzen, Aufzügen, dramatischen Spielen und Freudenfeuern; man stellte dabei bildlich den Sieg über den Winter durch den Kampf gegen eine Puppe dar, deren Steinigung, Ersäufung oder Verbrennung den Schlußeffekt des Festes bildete. Die hierzu in Nordwestdeutschland bis nach Holland, im Norden bis nach Dänemark und im Süden bis Thüringen und Hessen üblichen Osterfeuer, in die man ein Eichhörnchen als Opfertier, ein Bockshorn, in Thüringen einen Pferdekopf warf, mußten mit »neuem Feuer« (s. Notfeuer) entzündet werden und bildeten den Mittelpunkt eines gemeinschaftlichen, auf bestimmten Bergen (Oster- oder Paskebergen) der Gegend gefeierten, der Ackerfruchtbarkeit und Viehgesundheit gewidmeten Kultes. Das Osterfeuer wurde in veränderter Gestalt in den Kultus der russischen Kirche aufgenommen, wo man mit Lichtern zur Kirche geht, und am Heiligen Grabe zu Jerusalem führte das angeblich sich von selbst entzündende Osterfeuer wiederholt und noch 1895 zu blutigen Kämpfen in der Kapelle, weil die Religionsparteien einander den ersten Zutritt zum Osterfeuer streitig machen. In Deutschland ist der Gebrauch der Osterfeuer vielfach auf den Sonntag Invokavit (s. Funkensonntag) verlegt, ebenso wie die Vertreibung des Winters und das sogen. Todaustragen oft mit dem Maifest (s. d.) verbunden wurden. Dagegen haben sich die symbolischen Speisen des alten Frühlingsfestes (Osterfladen, Osterei, Osterhase), die meist Symbole der Auferstehung und Fruchtbarkeit waren, bis heute erhalten, und namentlich die bunt gefärbten Ostereier geben Veranlassung zu zahlreichen Wettläufen und Spielen (Eierfeste), wobei sie die Preise oder Gewinne darstellen. Der einst der Frühlingsgöttin heilige Osterhase, der meist in Kuchenform gebacken und verzehrt wird, ist heute ein ziemlich unverständliches Symbol geworden; teilweise wird er durch das Osterlamm ersetzt, das hier und da, aus Butter oder Kuchenteig geformt, wie Eier, Mehl, Salz etc., in katholischen Ländern noch heute in der Kirche zu Ostern eingesegnet wird. An die Stelle der alten Feuerweihe ist meist die kirchliche Einsegnung grüner Reiser und Sträuße aus »Weidenpalmen«, Stechginster und andern immergrünen Zweigen getreten. Diese Palmenweihe, die in vielen Gegenden irrtümlich auf den Palmsonntag verlegt wird, gehört ebenfalls zu den heidnischen Ostergebräuchen, denn die geweihten Zweige sollten nicht nur das Haus bis zur nächsten Erneuerung vor Blitz und Feuersgefahr schützen, sondern sie werden auch mit den Schalen der Ostereier und den Kohlen der Osterfeuer in den Ecken der Felder eingesteckt oder vergraben, um diese fruchtbar zu machen. Anderseits werden grüne getriebene Baumzweige namentlich im östlichen Deutschland als Symbol der Fruchtbarkeit und des Gedeihens, geradeso wie in Altindien und Rom (wo namentlich auch das Vieh mit den ersten grünen Zweigen [den Lebensruten] geschlagen wurde) zum Stäupen (Ostersliepe, Kindleinstreichen) derjenigen gebraucht, denen man Gutes wünscht. Früh am Ostermontag (an andern Orten auch am Palmsonntag, selbst am Stephans- oder Pfefferleinstag, s. Pfeffern) suchen sich Eltern und Kinder gegenseitig in den Betten zu überraschen, um die gesundheitbringenden Rutenstreiche einander applizieren zu können. Die Kinder oder Bediensteten erhalten dafür ein besonderes Geschenk in Geld oder Leckereien (Schmack- oder Schmeckostern). Als ein ähnliches Überbleibsel aus der Heidenzeit erscheint das Schöpfen des Osterwassers beim Ausgang der nach dem Volksglauben dreimal vor Freuden aufhüpfenden Ostersonne an einer gegen Morgen fließenden Quelle, ohne daß dabei ein Wort gesprochen wird; das hier und da in der Kirche eingesegnete Osterwasser, mit dem sich die jungen Leute gegenseitig begießen, soll sich dann das ganze Jahr frisch erhalten, heilbringend und verschönernd wirken. An den Osterfeiertagen werden in verschiedenen Gegenden bestimmte Osterspiele ausgeführt, in Süddeutschland vorzugsweise Eierspiele, in der Mark, Westfalen und England das Osterballspiel, was früher selbst in den Kirchen geübt wurde, wie Beleth (1165) aus Frankreich berichtet. Der Ball scheint das Symbol der steigenden Sonne gewesen zu sein und wurde meist in Verbindung mit dem jüngsten Ehepaar gedacht, das die Kosten des Ballspiels bestritt, weshalb der Osterball auch Brautball hieß. In den slawischen Ländern und Griechenland feiert man Ostern mit feierlichen Reigentänzen, in Siebenbürgen mit Hahnenschlagspielen, in Rußland mit allgemeinen Volksbelustigungen auf dem Anger, woselbst sich ein vollkommenes Jahrmarktstreiben und ein Heiratsmarkt (Krasnaja-Gorka) entwickelt. Vgl. Freybe, Ostern in deutscher Sage, Sitte und Dichtung (Gütersl. 1893); Weiteres s. Ostern und Osterspiele.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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