Notariāt

Notariāt

Notariāt (lat.), die Gesamtheit der von der Staatsgewalt zur Aufnahme und Beglaubigung von Rechtsakten ermächtigten Personen (Notare, lat. Notarii, franz. Notaires), auch die Summe der denselben übertragenen Befugnisse; Notariatsurkunden (Notariatsinstrumente), die von einem Notar in amtlicher Eigenschaft aufgenommenen Urkunden, notarielle Schulddokumente, die vom Notar beurkundeten Schuldverschreibungen, auf Grund deren nach französischem Rechte die sofortige gerichtliche Zwangsvollstreckung statuiert wird, ein System, das auch die deutsche Zivilprozeßordnung (§ 794, Ziff. 5) angenommen hat; Notariatsordnungen, ausführliche Gesetze zur Normierung des gesamten Notariatswesens. Die heutigen Notare haben von den Notarii der Römer (»Geschwindschreiber«, von »notae«, d.h. abkürzende Schriftzeichen) nur den Namen. Ihre eigentlichen Vorgänger waren vielmehr die römischen Tabelliones, die, wie man dies in Italien noch jetzt zuweilen findet, auf öffentlichen Plätzen ein Geschäft daraus machten, dem Publikum durch die Abfassung schriftlicher Aufsätze und Eingaben an Behörden u. dgl. dienstbar zu sein. Dadurch, daß man dieselben zur Beurkundung gerichtlicher Akte zuzog und den von ihnen aufgenommenen Urkunden öffentlichen Glauben beilegte, entwickelte sich im Mittelalter in Italien das heutige N., das in Deutschland namentlich durch die Notariatsordnung Kaiser Maximillans von 1512 gesetzlich geregelt wurde. Besonders ausgebildet wurde das N. in Frankreich, wo nahezu die gesamte freiwillige Gerichtsbarkeit den Notaren übertragen ist, also namentlich die Aufnahme von Verträgen, besonders Ehekontrakten, und von Testamenten, ferner öffentliche Versteigerungen, Erbteilungen etc. Ein großer Übelstand ist dort aber die Käuflichkeit der Notariatsstellen, die zur Folge hat, daß der Notar, um sein Anlagekapital wieder herauszuschlagen, vielfach anderweite Geschäfte betreibt, die an und für sich nicht in seinen Wirkungskreis fallen. In Deutschland ist die dem Landesrecht vorbehaltene Ausgestaltung des Notariats eine überaus mannigfache und ist es auch bei Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches geblieben, nachdem eine gemeinsame Notariatsordnung für das Deutsche Reich nicht erlassen worden ist. Ihr Geschäftskreis umfaßt vor allem das Beurkundungswesen (Preußen und einige andre norddeutsche Bundesstaaten), die Zwangsversteigerung in Liegenschaften ist ihnen außerdem übertragen in Bayern und Elsaß-Lothringen, das Grundbuchwesen und Nachlaßwesen haben sie hierzu noch in Baden zu versehen, und Württemberg endlich hat außer den vorgenannten Wirkungskreisen ihnen auch noch das Vormundschaftswesen übertragen, obwohl gerade Württemberg von ihnen allein unter allen Bundesstaaten kein juristischakademisches Studium verlangt. Ebenso verschieden ist ihre rechtliche Stellung. In Württemberg und Baden sind es Behörden, in Preußen, Bayern, Sachsen etc. sind sie Beamte, aber nicht Behörden. In Preußen, Sachsen, Württemberg (jedoch nur der öffentliche Notar, der im Gegensatz zum Bezirksnotar das Richterexamen bestanden haben muß) und den meisten norddeutschen Staaten ist das N. mit der Anwalt schaft verbunden, indem es ältern, wohlbewährten Rechtsanwälten verliehen wird, in Bayern, Württemberg (Bezirksnotar), Baden, Elsaß-Lothringen und Hamburg dagegen ist es von der Rechtsanwaltschaft getrennt. Beim Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches 1. Jan. 1900 wurde das Notariatswesen in den einzelnen Bundesstaaten neu geregelt. Preußen hat in seinem Gesetz vom 21. Sept. 1899 über die freiwillige Gerichtsbarkeit, Art. 77 ff., das N. für sein ganzes Staatsgebiet einheitlich geregelt, Bayern erhielt durch Gesetz vom 9. Juni 1899 eine neue Notariatsordnung, und Württemberg hat durch Gesetz vom t:8. Juli 1399 sein Notariatswesen neu geregelt. Eine Notariatskammer, als berufene Vertreterin der Interessen des Notarstandes, besteht in Bayern, Hessen, Elsaß-Lothringen und Hamburg; ein deutscher Notarverein wurde 11. Sept. 1900 in Bamberg gegründet. Sein Zweck ist Pflege und Weiterbildung des Reichsrechts auf dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Wahrung der Standesinteressen. Gegenwärtig fordert das N. in Deutschland, soweit es nicht bereits durch Landesgesetzgebung geschehen ist, wie z. B. in Bayern, daß ihm das Recht der Auslassung (s. d.) gewährt wird, außerdem aber die Schaffung einer Standesvertretung in Notariatskammern, die dann aber auch die volle Disziplinargewalt bekommen sollen. Das Organ des deutschen Notarvereins und damit das offizielle Organ des deutschen Notarstandes ist die »Zeitschrift des deutschen Notarvereins«, die seit 1901 unter Leitung des Justizrats, Rechtsanwalts und Notars Weißler vom deutschen Notarverein herausgegeben wird. Außerdem besitzen noch eigne Notariatszeitschriften Bayern, Württemberg, Baden, Elsaß-Lothringen und Rheinpreußen. In Österreich (Notariatsordnung vom 25. Juli 1871, mit den Ergänzungen hrsg. von Friedländer, 12. Aufl., Wien 1903) ist der Notariatszwang für folgende Rechtshandlungen eingeführt, deren Gültigkeit durch die Aufnahme eines Notariatsaktes bedingt ist: Ehepakten, Kauf-, Tausch-, Renten- und Dahrlehnsverträge und Schuldbekenntnisse zwischen Ehegatten, Bestätigungen über den Empfang des Heiratsguts, Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe, endlich alle Urkunden über Rechtsgeschäfte unter Lebenden, die von Blinden oder von Tauben, die nicht lesen, oder von St ummen, die nicht schreiben können, errichtet werden. Im übrigen ist die Stellung der Notare dieselbe wie in Deutschland; doch können die österreichischen Notare von den Gerichten für bestimmte Geschäfte als Kommissare bestellt werden. Vgl. Kockerols, Die Notariatseinrichtungen in Deutschland und Österreich (Leipz. 1897); H. Jastrow, Formularbuch und Notariatsrecht (14. Aufl., Berl. 1903); Werner und Kroschel, Das deutsch-preußische N., Kommentar (Leipz. 1900); Kloß, Das N. in Sachsen (das. 1900); F. Wagner, Bureaubuch des Rechtsanwalts und Notars (4. Aufl., Berl. 1904); Rietsch, Handbuch der Urkundwissenschaft (2. Aufl., das. 1904); Kaisenberg, Kommentar zum bayrischen Notariatsgesetz vom 9. Juni 1899 (Münch. 1901).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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