- Murad [2]
Murad (auch Amurat), Name mehrerer türk. Emire und Sultane: 1) M. I. Chudawendkiar (der Herr), zweiter Sohn Urchans, geb. 1319, folgte, nachdem sein älterer Bruder, Suleiman, schon vor Urchan gestorben, seinem Vater 1359 auf dem osmanischen Thron und setzte die Eroberungen des Vaters und des Bruders fort. Nach Eroberung Adrianopels (1360) und Philippopels (1363) bemächtigte er sich ganz Thrakiens und schuf diese Städte zu prächtigen Herrschersitzen um. 1365 verlegte er-seine Residenz nach Adrianopel. Die Serben, Walachen und Bulgaren unterwarfen sich ihm freiwillig, und durch Besiegung des Ali-Begs von Konia 1386 brachte M. ganz Kleinasien unter seine Gewalt. Seinen Sohn Saudschi, der sich gegen ihn empört, ließ er 1375 enthaupten. Bei Kossowo, auf dem Amselfeld, schlug er 15. Juni 1389 die sich erhebenden Serben, Albanesen und Walachen, wurde aber dabei von einem serbischen Edelmann, Milosch Obilitsch, erstochen und in Brussa beigesetzt. Er wurde sowohl wegen seiner glänzenden Taten (Ghasi, der Sieger) als auch wegen seiner Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Liebe zur Bildung von den Osmanen hoch geehrt.
2) M. II., geb. 1401, gest. 5. Febr. 1451, wurde von seinem Vater Mohammed 1. zum Statthalter von Amasia ernannt und folgte ihm 1421 auf dem Thron. Gleich im Anfang hatte er mit seinem jüngsten Bruder Mustafa zu kämpfen, den er 1422 besiegte und hinrichten ließ. Sofort begann er die Belagerung Konstantinopels, wurde aber nach dem vergeblichen Sturm 24. Aug. durch Aufstände in Asien abberufen und begann nach deren Unterdrückung einen Krieg mit den Venezianern, denen er 29. März 1430 Thessalonich entriß. Darauf unterjochte er die Walachei und Serbien; nur Belgrad konnte er 1440 nicht erobern. Durch neue Niederlagen, die der tapfere Johann Hunyadi den Osmanen zufügte, erschüttert, schloß M. Mitte 1444 mit den Christen den Frieden von Szegedin und dankte zugunsten seines Sohnes Mohammed ab, um sich nach Magnesia zurückzuziehen. Aber als die Christen den Frieden brachen und in Bulgarien einfielen, eilte er herbei und besiegte König Wladislaw von Polen und Ungarn 10. Nov. 1444 in der glorreichen Schlacht bei Warna, in der Wladislaw fiel. Ende 1446 eroberte er die Morea. In einer dreitägigen Schlacht bei Kossowo (17.–19. Okt. 1448) besiegte er wiederum die Christen unter Hunyadi; nur Skanderbeg konnte er nicht überwinden.
3) M. III., geb. 1546 als Sohn Selims II. und seiner ersten Gemahlin Cecilia Venier, gest. 1595, bestieg 1574 nach Selims Tode den Thron und ließ sofort fünf jüngere Brüder ermorden. Er versank bald in Weichlichkeit und träumerischen Müßiggang, erschöpfte sich in den Genüssen des Harems und war nur bemüht, Schätze an Gold und Silber aufzuspeichern. Seine Großwesire waren Mohammed Sokolli und Sinan Pascha. Der große Perserkrieg, den M. 1576 begann, endete trotz ungeheurer Opfer und der Bundesgenossenschaft Abdullah Chans von Bochara 1590 mit der Erwerbung wenig wertvoller Grenzprovinzen. Vgl. Minadoi da Rovigo, Historia della guerra fra Turchi et Persiani (Vened. 1588); Spagni, Una sultana veneziana (im »Nuovo archivio veneto«, Bd. 19).
4) M. IV., zweiter Sohn Ahmeds I., geb. 1609, gest. 9. Febr. 1640, wurde 1623 nach der zweiten Absetzung seines Oheims Mustafa I. auf den Thron erhoben. Er war ein kräftiger, in allen körperlichen Übungen geschickter, auch geistig sein gebildeter Fürst, der aber bald unter dem Übermaß sinnlicher Genüsse entartete und sich der Trunksucht und der Grausamkeit hingab, während seine Großmutter, die Sultanin Valide Kassemu Mahpeiker, die Zügel der Regierung führte. Von 1632–37 wurden 25,000 Menschen teils durch M selbst, teils durch seine Henker hingerichtet. Mit dem Vermögen der Ermordeten füllte er seinen Schatz. Die unbotmäßigen Janitscharen bändigte er durch Strenge und führte mehrere glückliche Kriege. 1634 entriß er den Persern Eriwan, Täbris und 1638 Bagdad wieder, züchtigte die Kosaken und legte den Venezianern einen nachteiligen Frieden auf.
5) M. V., erster Sohn Abd ul Medschids, geb. 21. Sept. 1840, gest. 29. Aug. 1904, als Prinz Mohammed M. Efendi genannt, wurde nach der Thronbesteigung seines Oheims Abd ul Asis (1861) von allen öffentlichen Angelegenheiten fern gehalten und hart behandelt, da er die von Abd ul Asis beabsichtigte Änderung der Thronfolge nicht genehmigen wollte. Als sein Oheim durch seine Unfähigkeit selbst die strenggläubigen Türken von sich abwendig gemacht hatte, wurde M. durch eine Palastrevolution 30. Mai 1876 auf den Thron erhoben und zum »Kaiser von Gottes Gnaden und durch den Willen der Nation« proklamiert. Da sich aber bald zeigte, daß seine Gesundheit körperlich und geistig unheilbar zerrüttet war, wurde er 31. Aug. d. J. des Thrones wieder entsetzt und nach einem einsamen Palast (Tschiragan) gebracht. Vgl. Kératry, Mourad V., prince, sultan, prisonnier d'état 1840–1876 (Par. 1878); Djemal eddin Bey, Sultan Murad V., the Turkish dynastic mystery 1876–1895 (Lond. 1895).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.