Atschin

Atschin

Atschin (Atjin, Atjeh, engl. Acheen), niederländ. Gouvernement auf der Nordspitze von Sumatra (s. Karte »Hinterindien«), von der Atschinspitze südwärts bis 4°25´ nördl. Br. im O. bez. 2°53´ im W., 53,222 qkm. Das Land wird von dem ganz Sumatra in eine östliche und eine westliche Hälfte teilenden Gebirge durchzogen, das hier im Abong-Abong (Vulkan?) 3350 m erreicht. Daneben sind ausgedehnte Strecken welligen oder flachen Tieflandes, von zahlreichen Küstenflüssen bewässert, für Reis- und Gartenbau geeignet. Flora und Fauna sind die von Sumatra, besonders wichtig sind Pfeffer und Arekanüsse. Die Bevölkerung wurde 1897 zu 531,705 gezählt, darunter 328 Europäer, 3933 Chinesen. Die Atschinesen sind von den übrigen Stämmen Sumatras sehr verschieden: mittelgroß, dunkler, auch fleißiger, gute Krieger und Seeleute, sittenlos, grausam und leidenschaftlich dem Opium ergeben. Ihre ethnologische Stellung ist noch unsicher; die Sprache gehört zur polynesischen Familie (Wörterbuch von van Langen, Haag 1889), die Schriftzeichen sind malaiisch. Außer Landbau und Viehzucht wird Weberei, Metallarbeit, Fischerei und Handel getrieben. Politisch ist A. geteilt in drei Assistentresidentschaften: Ostküste (mit Tilok-Semawe), Westküste (mit Malaboeh) u. Groß-Atschin; dazu kommen die Insel Simalu und die unabhängigen Battakländer (24,000 qkm). Die Hauptstadt Kota Radscha, an der Spitze der Insel 7 km von der Mündung des schiffbaren Atschinflusses gelegen, ist seit 1876 mit ihrem Hafen Okeh-lah durch Eisenbahn verbunden, Sitz des Gouverneurs, mit Besatzung (im alten Kraton, der Zitadelle der Atschinesen) und schöner, von der Regierung erbauter Moschee; nach der Zerstörung im Kriege wurde die Stadt, fast ganz aus Holz, neu erbaut. Freihäfen sind die Inseln Wei und Raya sowie Tilok-Semawe; die Ausfuhr betrug 1892: 1,4, die Einfuhr 44 Mill. Mk. – Anfang des 17. Jahrh., als das Anfang des 16. Jahrh. begründete Reich A. auf seiner Höhe stand, erstreckte sich sein Gebiet längs der Westküste Sumatras bis Benkulen und längs der Ostküste bis Kampar, während ein Teil der angrenzenden Binnenländer und der Halbinsel Malakka ihm Tribut zahlte. Innere Unruhen führten später eine Trennung des Reiches herbei. Durch den Londoner Vertrag vom 17. März 1824, der die Beziehungen der Engländer und Holländer in Ostindien regelte, wurde Sumatra den Holländern allein überlassen, dabei aber die Souveränität des Reiches A. gewährleistet mit der Bedingung, daß britischen Schiffen und Untertanen der freie Aufenthalt in den Häfen von A. gestattet und vom Sultan Sicherheit gegen den seit Jahrhunderten herrschenden See- und Menschenraub verbürgt werde. Es blieb aber ein Sitz der Seeräuber und mußte öfters von verschiedenen Nationen gezüchtigt werden, auch von England und den Niederlanden. 1871 erlangten die Niederlande von England gegen Abtretung ihrer Besitzungen in Guinea das Recht, auf Sumatra nach Gutdünken zu verfahren. Als sich der Sultan mehrmals des Menschen- und Seeraubes schuldig machte, erklärten ihm die Niederländer 25. März 1873 den Krieg, mußten aber infolge erlittener Verluste unter General Köhler, der selbst fiel, und insbes. wegen des Monsuns, der die Verbindung zwischen dem Land und den Schiffen wochenlang unterbrach, ihre Truppen zurückziehen. Erst im Dezember langte General van Swieten mit einem stärkern Expeditionskorps von 12,000 Mann vor A. an. Cottapohama, unterhalb der Festung Moesapi, wurde eingenommen, die Linie des Atschinflusses und die festen Werke auf beiden Flußufern besetzt und der befestigte Palast (Kraton) des Sultans 24. Jan. 1874 erstürmt. Doch war die Behauptung des eroberten Landes wegen verheerender Krankheiten schwierig und mit Verlusten verknüpft, und der Krieg zog sich als Guerilla bis jetzt hin. Unter General van der Heyden (1878 bis 1881) war das Land nahezu unterworfen; aber als man die Strenge mit Milde vertauschte, erhob sich A. bald wieder, 1896 unter Tuku Oemar, der eine Zeitlang Bundesgenosse der Niederländer gewesen war. Die Generale Vetter und v. Heutz warfen den Aufstand nieder; seit Ende 1900 hielten nur kleine Banden im Gebirge, Mitte Juli 1902 in Sennangan und den Gajulanden noch stand, und die Organisation des Landes rückte vor. Vgl. Veth, Atchinen zijne betrekkingen tot Nederland (Leiden 1873); Gerlach, Atjihen de Atjinezen (Arnheim 1873); Kielstra, Beschrijving van den Atjeh-oorlog (Haag 1885, 3 Tle.); »Die holländischen Expeditionen gegen A.« (Leipz. 1875); Brooshooft, Geschiedenis van den Atjehoorlog 1873–1886 (Utrecht 1887); Snouck-Hurgronje, De Atjehers (Batavia 1894 bis 1895, 2 Tle.); Karten von Liefrinck (1:150,000) in der Zeitschrift der k. Geographischen Gesellschaft in Amsterdam (1881), und »Kaart van het terrein des oorlogs in Groot-Atjeh in 1876« (Breda 1884).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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