Komisch

Komisch

Komisch (v. griech. κῶμος, ländliches Vergnügen, Gelage; Festzug des Dionysos) ist ein ästhetischer Begriff, der insofern mit dem des Tragischen verglichen werden kann, als er zur Bezeichnung einer Erscheinung dient, deren Wesen in der Kollision zweier Elemente besteht; ein Element A wird durch ein Element B in seiner Geltung bestritten und vernichtet. Aber nur diese Tatsache des Kontrastes zweier Elemente gestattet den Vergleich; die Elemente A und B sowie die Art ihrer Kollision sind hier und dort ganz verschieden. Während beim Tragischen das Schöne und Erhabene der Willens-, Schicksals- und Zustandsgefühle von einer gleichfalls durch den Charakter der Erhabenheit sich auszeichnenden Gegenmacht zerstört wird, tritt beim Komischen das Verkrüppelte, innerlich Gehemmte, Häßliche und Niedrige mit dem Anspruch des Berechtigten oder gar des Überlegenen auf und wird durch die Gegenmacht der Vernunft und gesetzmäßigen Ordnung als unberechtigt und widersinnig hingestellt; während die tragische Gegenmacht die wertvollsten Lebensgüter und deren Träger vernichtet, erstreckt sich die des Komischen auf wertlose Dinge und bringt ihrem Träger neben vorübergehenden Hemmungen und Nachteilen oft auch dauernde Förderung; das Tragische erfaßt die ganze Person, das Komische kommt zur Geltung in den einzelnen Willensäußerungen und Leiden. Eben deshalb gibt sich das Komische aber auch in Erscheinungen kund, denen auf dem Gebiete des Tragischen nichts Vergleichbares gegenübersteht, nämlich in dem Widersinn einzelner Gedanken und Worte, die entweder durch die Vernunft oder durch den Charakter der jeweils vorliegenden Situation oder durch den Geist der Sprache als unhaltbar erwiesen werden. Insofern derartiger Widersinn der Gedanken und Worte absichtlich erzeugt wird, sprechen wir von Witz (s. d.; der sogen. »unfreiwillige Witz« ist nur eine Abart). Hiernach läßt sich das Komische definieren als eine aus zwei Elementen zusammengesetzte Erscheinung, von denen das eine unberechtigterweise einen Wert beansprucht, der durch den Widerspruch des andern zerstört und aufgelöst wird. Durch diese komplexe Erscheinung des Komischen wird eine starke Gefühlswirkung erzeugt: der widersinnige Anspruch erweckt ein (gelegentlich bis zur Verblüffung sich steigerndes) Gefühl der Spannung, dem ein solches befreiender Lösung in dem Augenblick folgt, wo der Widersinn erkannt wird; hier und da, etwa bei dem erst allmählich auftauchenden Verständnis für einen Witz, vergeht zwischen diesen beiden Gefühlen der Spannung und Lösung eine merkliche Zeit, in der Regel aber folgen sie so schnell auseinander, daß sie gleichzeitig zu sein scheinen und sich zu einem Totalgefühl von ausgeprägter Vehemenz vereinigen, das sich in der physiologischen Rückwirkung des Lachens Luft macht. Eine höhere Abart des Komischen ist der Humor. Humor ist zunächst ein subjektiver ästhetischer Begriff; er bezeichnet eine Stimmung, die nur demjenigen zuteil wird, der die Dinge des Lebens von der hohen Warte einer erhabenen Weltanschauung aus in ihrer Kleinheit und Unzulänglichkeit erfaßt und doch zugleich als allgemeines Menschenlos versöhnlich überwindet. Der Humor kann aber auch objektiviert werden: alsdann wird dem Vergänglichen und Unzulänglichen, das an und für sich nicht k. zu sein braucht, das Ewige und Wahre gegenübergestellt, so wie es der erhabenen Weltanschauung sich erschließt. Auf diese Weise erschafft der objektivierte Humor durch seine Kontraste eine Komik höherer Ordnung, die aber gesonderte Betrachtung erheischt (s. Humor).

Das Komische im eigentlichen Sinne des Wortes zerfällt in die beiden Hauptformen des objektiv Komischen und des subjektiv Komischen oder des Witzes. Für beide Arten gelten die Unterscheidungen der seinen und drastischen, der gelehrten und volkstümlichen, allenfalls auch noch der anständigen und obszönen Komik. Der Gegensatz der feinen und der drastischen Komik hängt ab von der Größe des Kontrastes zwischen widersinnigem Anspruch und korrigierender Normalauffassung. Ist dieser Kontrast gering, so liegt die seine Komik vor, wie z. B. in Lessings »Minna von Barnhelm«; ist er groß und steigert er sich ins Groteske, so wirkt das Komische drastisch. Die drastische Erzählung heißt Schwank, das drastische Drama Posse, Burleske und ebenfalls Schwank, der drastische Witz Kalauer. Der gelehrten Komik, wie bei Blumauer, Platen, Prutz, ScheffelGaudeamus«) u. a., steht die volkstümliche, wie im »Eulenspiegel« etc., gegenüber. Für den obszönen Witz hat die Sprache das Wort Zote in Umlauf gesetzt.

Das objektiv Komische hat seinen Ursprung entweder in den Willensäußerungen der Menschen, in ihrem Streben und Handeln, oder in dem, was sie erleiden, in der Verwickelung der Umstände, Schicksale, Zufälle. Die erstere Form heißt Charakterkomik, die letztere Situationskomik; beide machen sich geltend durch Geschehnisse, Zustände, einzelne Äußerungen und auch durch die bloße Anschauung (dieses etwa in einem abnormen Anzug oder dem zufälligen Nebeneinander kontrastierender Gegenstände). Oft sind beide Formen, Charakter- und Situationskomik, miteinander vereinigt und man kann nur von einem Überwiegen der einen vor der andern sprechen. Die Charakterkomik ist entweder eine solche des Privatlebens oder eine solche des öffentlichen Lebens. Die erstere tritt in Schwächen, Leidenschaften, Einbildungen von rein individueller Bedeutung zutage, wie dem Geiz, der Prozeßsucht, der Prahlerei, der windigen Gelehrsamkeit etc., die letztere in dem Eifer für gesellschaftliche, soziale, künstlerische, nationale, politische und religiöse Scheingüter, wie das Preziösentum, die Emanzipation der Frauen, die Tartüfferie etc. Meister der Charakterkomik sind Aristophanes, Molière, Swift, Heine etc. In der Situationskomik liegt das Komische nicht in dem Streben und Handeln, sondern im Erleiden: Schicksalsverknüpfungen, Zufälle, Mißverständnisse, Reden und Handlungen andrer Personen verursachen dem komischen Helden Verlegenheiten und Hemmungen, die durch den Kontrast zu dem, was er erwartet und beansprucht, k. wirken. Beliebte Hebel dieser Art Komik sind Mißverständnisse, Verwechselungen, Belauschungen, Verkleidungen, Verstellung etc. und auch die Nachahmung, Karikatur, Travestie und Parodie gehören zum Teil hierher. Sowohl Charakter-als Situationskomik kann in der phantastischen Komik zum Ausdruck kommen; sie schildert Zustände einer Phantasiewelt, die zumeist. wie bei Aristophanes, Tieck, Platen etc., als groteske Parodie der Wirklichkeit erscheinen. – Über den Witz s. diesen Artikel. Vgl. außer Jean Pauls »Vorschule der Ästhetik« und Vischers »Ästhetik«, Bd. 1: Bohtz, Über das Komische und die Komödie (Götting. 1844); Kräpelin, Zur Psychologie des Komischen (in Wundts »Philosophischen Studien«, Bd. 2, Leipz. 1885); Lipps, Komik und Humor (Hamb. 1898); Elster, Prinzipien der Literaturwissenschaft, Bd. 1 (Halle 1897).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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