Immergrüne Gehölze

Immergrüne Gehölze

Immergrüne Gehölze, baum- oder strauchartige Gewächse, die im Gegensatz zu den sommer- oder regengrünen, laubwerfenden Holzpflanzen mehrjährig ausdauernde Laubblätter besitzen. Im allgemeinen sind die Laubblätter der immergrünen Gehölze derber gebaut und mit verschiedenartigen Einrichtungen zur Herabsetzung der Massenverdunstung versehen, so daß sie auch im Winter oder in der Trockenzeit weniger der Gefahr des Vertrocknens ausgesetzt sind. Die immergrünen Gehölze gehören den verschiedensten Verwandtschaftskreisen an. Unter den Koniferen werfen nur die Lärchen (Larix) und einige wenige japanische Formen im Winter die Blätter ab. Die zumeist krautartigen Monokotyledonen liefern in den baumartigen Lilien (Dracaena, Cordyline), den Palmen u. Bambusgräsern Repräsentanten der immergrünen Gehölze. Besonders zahl- und formenreich sind die immergrünen Gehölze bei den verschiedensten Familien der Dikotyledonen in allen Vegetationsgebieten. Die Verbreitung der immergrünen Gehölze steht in engem Zusammenhang mit der Verteilung der Wärme und der Niederschläge auf der Erde, so daß in der Pflanzengeographie die genannte Gewächsgruppe zu einer Gliederung der Vegetation in bestimmte klimatisch und pflanzenbiologisch unterschiedene Zonen benutzt werden kann. Das zwischen der Baumgrenze und der Laubholzgrenze auf der nördlichen Halbkugel sich ausdehnende Ländergebiet wird vorzugsweise von winterharten Koniferen bewohnt (s. Nadelholzzone); noch über ihr Gebiet hinaus greifen niedrige, z. T. ebenfalls immergrüne Buschpflanzen (s. Arktische Flora). Der auf die Laubholzzone (s. d.) folgende Vegetationsgürtel kann als Zone der wärmeliebenden immergrünen Gehölze bezeichnet werden, obgleich derselbe auf den verschiedenen Festländern nicht ein lückenlos zusammenhängendes Gebiet überzieht, sondern in größere oder kleinere, innerhalb desselben Kontinents oft weit getrennte Bezirke aufgelöst erscheint. Zu den immergrünen Gehölzen gehören auch zahlreiche niedere Busch- und Gesträuchpflanzen, die oft sehr charakteristische, auch landschaftlich hervortretende Pflanzenbestände bilden, soz. B. innerhalb der Laubholzzone die Heiden der europäisch-atlantischen Küste.

Von Europa fallen vorzugsweise die Mittelmeerländer nebst den zugehörigen Inseln, ferner der südlichste Teil der Krim und der Südabhang des Kaukasus, von Asien die Küstenstriche Kleinasiens und Syriens, von Nordafrika die Azoren und Kanaren sowie ein großer Teil der Küstenländer nördlich von der Sahara in das Gebiet der immergrünen Zone. Die genannten Länder beherbergen eine in gewissen Zügen übereinstimmende Flora (Mediterran- oder Mittelmeerflora, s. d.), für die das Vorherrschen immergrüner Eichen sowie einer Reihe strauchartiger Laurazeen, Erikazeen, Myrtazeen u. a. charakteristisch ist. Immergrüner Lorbeerwald geht auf den Kanaren bis 1200 m, auf den Azoren bis 800 m bergaufwärts; auf erstgenannten Inseln und auf Madeira gibt auch der Drachenbaum (Dracaena Draco) ein eigentümliches Vegetationsbild. Über dem Lorbeerwald breiten sich Nadelhölzer und zahlreiche Arten von Erica aus; von letztern ist Erica arborea durch das ganze Mittelmeergebiet verbreitet und für eine bestimmte Buschvegetation desselben, die Maquis- oder Macchienformation (s. Mittelmeerflora), charakteristisch. In Algerien beginnt unweit der Küste zunächst die Region der Oliven und etwas höher die der Korkeichen, weiter aufwärts (bis 1200 m) wachsen Zwergpalmen (Chamaerops humilis); letztere Art bildet in Südspanien ausgedehnte Gestrüppbestände, geht nordwärts bis Nizza, tritt auch auf den italienischen Inseln und in Griechenland auf, verschwindet aber weiter ostwärts. Über der Palmenregion Algeriens folgt ein Gürtel von Nadelhölzern (Pinus halepensis, Callitris quadrivalvis), dann noch einmal Eichenwälder (Quercus Ballota), und zuletzt erscheinen bis 1900 m die atlantischen Zedern (Cedrus atlantica); letztere Gattung kehrt mit C. Libani auch auf dem Taurus, dem Libanon und auf Cypern, noch weiter östlich mit C. Deodora im Himalaja wieder.

Ein zweites Ländergebiet, in dem die immergrünen Gehölze mit eigenartigem Florencharakter auftreten, ist die Mandschurei nebst China und Japan; auch der östliche Himalaja in mittlern Höhen gehört floristisch dazu. Südwärts bildet hier überall die Tropenzone die Grenze, allein gegen Norden finden sich alle Abstufungen zwischen kühlen Klimaten mit sehr kalten Wintern und milden, für die immergrünen Gehölze günstigen Temperaturen. Die Wälder des Ussurigebiets gehören noch der sommergrünen Zone an, desgleichen die des mittlern Japan (Jeso nebst einem Teil von Nippon). Immergrüne Strauchformationen treten erst in dem südchinesischen Bergland als tonangebend hervor und werden hier von kamelienartigen Gewächsen (zahlreiche Arten von Camellia, Thea, Eurya) gebildet. Auch eine Palme (Trachycarpus excelsa) erreicht hier ihre Nordgrenze. Außerdem spielen im ostasiatischen Gebiete die Nadelhölzer eine wichtige Rolle, unter denen Arten von Podocarpus, Chamaecyparis, Thujopsis, Cephalotaxus, Sciadopitys, Torreya nur auf Japan, andre, z. T. ihnen verwandte Spezies auch in China vorkommen; die durch ihre breiten Blätter auffallende Ginkgo biloba ist in Japan und China nur in kultiviertem Zustand bekannt.

In naher Beziehung zu den Zapfenbäumen Ostasiens stehen die Koniferenwälder an der pazifischen Küste Nordamerikas in Kalifornien südlich vom 43.° nördl. Br. Der schmale Streifen der immergrünen Flora an der kalifornischen Küste wird durch das Steppengebiet von Arizona, Texas und Nordamerika von dem atlantischen Walde (s. Laubholzzone) getrennt. Immergrüne Formationen entwickelt der letztere nur in Florida. Ein drittes Gebiet der immergrünen Gehölze Nordamerikas liegt auf den Berghängen des mexikanischen Hochlandes von der Sierra Madre bis an die Berge von Chihuahua und Durango.

Die südliche Halbkugel hat ausgebreitete Bestände der immergrünen Gehölze vorzugsweise an den Südspitzen von Amerika und Afrika sowie in Australien und Neuseeland. An der Westküste Südamerikas hört die subtropische australe Flora etwa bei 44° südl. Br. auf; hier liegt daher die Nordgrenze des antarktischen Waldes. Bei Valdivia an der Westküste der Anden beginnen gemischte Laub- und Nadelholzformationen. Immergrüne Koniferen entwickeln sich an der Westküste Südamerikas am reichlichsten zwischen 35 und 50° südl. Br. Südlich vom 46.° nehmen die immergrünen Gehölze an Reichhaltigkeit der Bestände ab und gehen allmählich in niedrigere Buschformen über. Eine Anzahl von Gattungen hat das antarktische Gebiet mit Neuseeland gemein. Pflanzenbiologisch erscheint im Vergleich mit der Vegetation der nördlichen Halbkugel die Abwesenheit einer deutlich ausgeprägten Zone laubabwerfender Bäume auf der südlichen Hemisphäre bemerkenswert.

Eine sehr isolierte Stellung nehmen die immergrünen Bestände Südafrikas ein, die als Kapflora zusammengefaßt werden. Südlich von dem südafrikanischen Hochlande dehnt sich ein breiter Streifen einer öden, aber nach Regenfällen blütenreichen Strauchsteppe (Karruregion) aus, an die sich am südlichen und südwestlichen Küstenstrich Afrikas die immergrüne Wald- und Buschzone anschließt. Hochwälder sind auf einen ziemlich engen Bezirk der Südküste beschränkt und zeigen hier tropische Anklänge durch zahlreiche Schlingpflanzen u. a.; erst in der Südwestecke des Kontinents erscheinen ausgedehnte Buschbestände mit dunkeln, meist bläulichgrünen Farbentönen; nur wenige Holzpflanzen erreichen eine 7–9 m übersteigende Stammhöhe.

Auch im Innern Australiens herrschen ausgedehnte immergrüne Buschformationen, die dort als Scrub zusammengefaßt werden und je nach ihrer geographischen und klimatischen Lage eine durchaus verschiedene floristische Zusammensetzung haben. So besteht der Scrub von Queensland vorwiegend aus Acacia harpophylla, ihr schließen sich auch einige Bäume, wie die Myoporazee Eremophila, eine kleine, baumartige Borraginazee (Ehretia) u. a. nebst einem dichten Untergebüsch von allerlei buntblütigen Formen an. Ganz verschieden hiervon erscheint der Mallee-Scrub Südaustraliens, der Tausende von Quadratmeilen zwischen dem Südufer des Murray und der Küste als eintönige, gelblichbraune Pflanzendecke überzieht; er wird fast nur von einigen dichtstrauchigen Arten von Eucalyptus (E. oleosa, E. dumosa und E. gracilis) gebildet; nebenher kommt auch eine Konifere (Callitris verrucosa) vor. Ausgedehnte Wälder von Fieberbäumen (Eucalyptus) bedecken die Bergdistrikte von Süd- und Südostaustralien und werden in feuchtern Regionen sogar von Farnbäumen (Dicksonia) begleitet. In Westaustralien tritt ein großer Reichtum dort einheimischer Proteazeen (ca. 370 Arten) hervor, der in Ostaustralien weniger namhaft ist. Von Koniferen sind auf dem australischen Festland 29 Arten vorhanden, von denen waldbildende Arten von Araucaria und Dammara besonders an dem Küstenstrich von Queensland bis gegen den 30.° südl. Br. an getroffen werden; in Ostaustralien zieht sich ein reicher Koniferenbestand bis nach Tasmania, nimmt aber in Westaustralien (mit Podocarpus, Callitris u. a.) ab; in Tasmania kommen einige auch in Neuseeland und in Südamerika wiederkehrende Gattungen (wie Fitzroya, Phyllocladus u. a.) neben der endemischen Arthrotaxis vor. Die Wälder Neuseelands unterscheiden sich wesentlich von denen Australiens, da ihnen mit letztern keine einzige Baumspezies und nur wenige Sträucher gemeinsam sind, jedoch treten z. T. dieselben Gattungen (Libocedrus, Podocarpus, Dacrydium, Dammara) wie in Australien und dem antarktischen Südamerika auf; dazu kommen Drachenbäume, Proteazeen, Magnoliazeen (Drimys), Myrtazeen, hohe Araliazeen und Baumfarne (Cyathea); auch eine Buchenart (Fagus Solandri) bildet ausgedehnte Wälder, die an Berglehnen bis 1500 m hinausgehen.

Auch die Tropenflora, zumal die der Subtropen, ist außerordentlich reich an immergrünen Holzpflanzen, unter denen immergrüne Schopfbäume, wie die Palmen, besonders durch Zierlichkeit ihres Laubes und Stammes hervorragen; letztere treten in der außerhalb der Tropen liegenden Zone der immergrünen Gehölze immer nur ganz vereinzelt auf. Gerade in diesem nur vereinzelten Übergreifen typischer Tropenformen liegt ein sehr bezeichnender Charakterzug der immergrünen Zone. In regenarmen Ge« bieten der Tropen hört die immergrüne Belaubung des Waldes auf, der vielmehr erst nach Aufhören der trocknen Jahreszeit regengrün wird (s. Tropenwald).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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