Hannibal [2]

Hannibal [2]

Hannibal, 1) Befehlshaber einer karthagischen Flotte bei der Insel Lipara, 269 v. Chr., bewirkte zwar, daß die Mamertimer die Stadt Messana nicht an Hieron von Syrakus übergaben, bemühte sich aber vergeblich, jenen wichtigen Platz den Karthagern in die Hände zu spielen. Im ersten Punischen Kriege wurde er als Befehlshaber der karthagischen Flotte in der berühmten Seeschlacht bei Mylä 260 von dem römischen Konsul Duilius besiegt und 258, als er, von den Römern in einem sardinischen Hafen eingeschlossen, einen neuen Verlust erlitt, von seinen Soldaten aus Kreuz geschlagen.

2) Karthag. Feldherr im ersten Punischen und dann im Söldnerkrieg, in dem er vor Tunes seinen Tod fand.

3) Berühmter karthag. Heerführer, Sohn des Hamilkar Barkas, geb. 247 v. Chr., gest. 183. Seine Jugendjahre fielen in eine Zeit, da Karthago von dem übermütigen Rom nach dem ersten Punischen Kriege zu einem nachteiligen Frieden gezwungen und während des Söldnerkriegs ohne Recht und Billigkeit der Inseln Sardinien und Korsika beraubt wurde, so daß es Hamilkar leicht war, in der Seele seines Sohnes den unversöhnlichsten Haß gegen den Feind seines Vaterlandes zu erwecken. Schon während des Dienstes unter seinem Schwager Hasdrubal in Spanien bekundete er neben seltener Kühnheit, Tapferkeit, Ausdauer und Enthaltsamkeit die Klugheit, Geistesgegenwart und Umsicht des gebornen Heerführers und wurde 221,26jährig, durch den Willen des Heeres Nachfolger des ermordeten Hasdrubal im Oberbefehl über die karthagische Heeresmacht in Spanien. Die Pläne Hamilkars und Hasdrubals weiter verfolgend, sicherte er in den Jahren 221 und 220 die Herrschaft Karthagos in Spanien; als er sich dann zum Kampf mit Rom stark genug fühlte, schritt er 219 zum Angriff auf die mit Rom verbündete Stadt Sagunt, die er nach achtmonatigem, heldenmütigem Widerstand eroberte. Die Römer sahen in dem Angriff auf Sagunt eine Vertragsverletzung, und da die Karthager sich weigerten, auf ihre Forderung H. auszuliefern, so erklärten sie ihnen den Krieg (zweiter Punischer Krieg). Um nun den Römern zuvorzukommen und den Krieg nicht in Spanien, sondern in Italien zu führen, zog H., seinen Bruder Hasdrubal mit einem Heer in Spanien zurücklassend, 218 mit 90,000 Mann Fußvolk, 12,000 Reitern und 37 Elefanten über die Pyrenäen durch Gallien, wich dort einem Kampf mit den Römern unter dem Konsul P. Cornelius Scipio geschickt aus, überstieg Ende September in 15 Tagen mit unsäglicher Mühe und dem Verlust der Hälfte seines Heeres die Alpen (wahrscheinlich den Kleinen St. Bernhard) und erschien 5 Monate nach seinem Ausbruch von Neukarthago in den Ebenen Oberitaliens. Nachdem H. seinem Heere hier die nötige Ruhe und Erholung gewährt, zog er, nachdem die benachbarten gallischen Völkerschaften sich ihm angeschlossen, Scipio entgegen, der aus dem jenseitigen Gallien zurückgekehrt war und ihm von Placentia aus auf dem linken Ufer des Po entgegenrückte. Am Ticinus fand der erste Zusammenstoß statt, H. siegte durch die Überlegenheit seiner numidischen Reiterei. Einen zweiten Sieg an der Trebia erleichterte ihm des andern Konsuls Sempronius Ungestüm: in wenig Stunden war das Römerheer geschlagen und aufgelöst.

Bei Beginn des Frühjahrs 217 überschritt H. den Apennin und marschierte unter neuen Verlusten durch die Sümpfe des Arnus (Arno) nach Etrurien, nahm, um seinen bei Fäsulä stehenden Gegner, den Konsul Gajus Flaminius, auf ein geeignetes Schlachtfeld zu locken, unter Verwüstung des Landes die Richtung nach Rom und überfiel ihn plötzlich, als er ihm folgte, in einen Engpaß am Trasimenischen See, von einer verdeckten Stellung aus. Gegenwehr war vergeblich; 15,000 Römer bedeckten das Schlachtfeld, und ebenso viele wurden gefangen. Darauf ließ H. in Apulien seine ermatteten Soldaten Rast machen und unternahm von dort aus Streifzüge nach allen Seiten, bis der Diktator Quintus Fabius Maximus durch vorsichtiges Zögern seinen Siegeslauf hemmte. Aber Senat und Volk zu Rom begehrten entscheidende Siege, und auch dem kampfbegierigen Heer erschien des Fabius zaudernde Kriegführung viel zu langsam. Diese ward daher nach Ablauf der Amtszeit des Diktators aufgegeben und ein Heer von acht Legionen und doppeltem Aufgebot der Bundesgenossen unter Anführung der Konsuln L. Ämilius Paullus und Gajus Terentius Varro H. entgegengestellt. Am Aufidus unfern der Stadt Cannä in Apulien trafen (216) die Heere aufeinander, und nochmals siegte Hannibals Feldherrngeist über die überlegene Macht des Feindes. Der blutige Tag von Cannä (s. d.) kostete Rom 70,000 Mann, und die Hauptstadt selbst fürchtete einen Angriff; aber H., dem nur ein in blutigen Schlachten geschwächtes Heer und kein Belagerungsgerät zu Gebote stand, wollte nicht durch einen Angriff auf die Hauptstadt alles bisher Gewonnene in einem Kampf der Verzweiflung aufs Spiel setzen, sondern benutzte seinen Sieg dazu, die Völkerschaften Unteritaliens auf seine Seite herüberzuziehen und sich durch Bündnisse mit dem König Philipp von Mazedonien und mit Hieronymus, König von Syrakus, zu verstärken. Allein Philipp wurde durch einen Angriff der Römer auf sein eignes Land zurückgehalten, und die Syrakusaner wurden besiegt und in ihrer Stadt eingeschlossen. In Italien aber stellten die Römer immer neue Legionen auf und machten trotz des unermüdlichen, tapfersten Widerstandes Hannibals Fortschritte, so daß sie es 212 unternehmen konnten, Capua, das sich nach der Schlacht bei Cannä an H. angeschlossen hatte und für ihn von der größten Wichtigkeit war, zu belagern. H. ließ nichts unversucht, um die Stadt zu entsetzen; er unternahm sogar jetzt einen Angriff auf Rom in der Hoffnung, das Belagerungsheer von Capua abzuziehen, und bewirkte dadurch im ersten Augenblick eine solche Bestürzung, daß der Schreckensruf: »H. ad portas!« (»H. ist vor den Toren!«) sprichwörtlich blieb. Allein alles war vergeblich. Capua fiel (211), und die Züchtigung, die es erfuhr, mahnte andre Städte, freiwillig unter das römische Joch zurückzukehren. 209 ging auch Tarent verloren. Ebenso täuschte er sich in der Hoffnung auf die Hilfe seines Bruders Hasdrubal aus Spanien; plötzlich auf italienischem Boden angelangt, wurde dieser von den Konsuln Livius Salinator und Claudius Nero bei Sena am Metaurus in Umbrien angegriffen und büßte Heer und Leben ein (207).

Noch immer hielt H. an der Hoffnung fest, von der Heimat unterstützt zu werden und so den Krieg in Italien zu einem glücklichen Ende führen zu können; auch gewann er, obwohl meist auf das Land der Bruttier beschränkt, noch einige Erfolge. Allein 203 rief ihn ein Senatsbefehl von Karthago zur Rettung der von Scipio in Afrika selbst bedrängten Vaterstadt heim. Nach vergeblichen Unterhandlungen entschied das Schwert in der Schlacht bei Zama (202) für Rom, nach der H. selbst zu der Annahme der von Scipio gestellten harten Bedingungen riet, indem er die Trostlosigkeit der gegenwärtigen Lage Karthagos klar erkannte und auf zukünftige Wiedererhebung hoffte. Als Suffet an die Spitze der Regierung berufen, begann er nach Abschluß des Friedens (201) die Verfassung und Verwaltung des Staates durchgreifend zu reformieren, regelte die Zölle und Einkünfte und stellte dadurch die zerrütteten Finanzen wieder her. Aber eben dieser Krieg Hannibals gegen altherkömmliches Unwesen vereinigte die in ihren Standesinteressen beeinträchtigte Aristokratie gegen ihn. Man klagte ihn in Rom an, daß er mit Antiochos von Syrien in Verbindung stehe, und brachte es dahin, daß eine römische Gesandtschaft in Karthago seine Auslieferung verlangte. Durch schnelle Flucht entging H. diesem Schicksal (195). Er fand zunächst Aufnahme bei dem König Antiochos von Syrien, der damals Vorbereitungen zum Kriege gegen Rom traf, war indes nicht imstande, ihn zu einer kühnern Führung des Krieges zu bestimmen. Antiochos wurde besiegt (189) und mußte beim Friedensschluß auch die Auslieferung Hannibals zusichern. Daher floh dieser zu König Prusias von Bithynien, wurde aber auch dorthin von den Römern verfolgt und nahm, um nicht seinen Todfeinden in die Hände zu fallen, das längst für diesen Fall bereit gehaltene Gift (183); sein durch Kaiser Severus erneuertes Grab ist vielleicht 1903 durch Th. Wiegand auf einem Vorgebirge am Marmarameer (an der Mündung des Dilflusses, bei Nikomedien) wiedergefunden worden. Der Ruhm eines großen Feldherrn und Staatsmannes wird H. von keinem der alten Schriftsteller bestritten; sie bewundern die Kühnheit seiner Anschläge, die mit ruhiger Besonnenheit gepaarte Raschheit und Energie bei ihrer Ausführung, den Mut, der vor keiner Gefahr zurückbebte, die Ausdauer, der kein Hindernis zu groß schien, den schnellen Blick, womit er die Absicht des Gegners durchschaute, die kluge Berechnung, womit er mitten im Schlachtgewühl seine Anordnungen traf, die Gewalt, die er über die Gemüter der Seinigen übte, und vermöge deren er in einem aus den verschiedenartigsten Elementen zusammengesetzten Heer die Zucht herstellte und erhielt. Wenn die römischen Schriftsteller ihm Treulosigkeit, Hinterlist und Grausamkeit vorwerfen, so ist dies wenigstens zum größten Teil nur die Wirkung des Nationalhasses, der ihn bei seinem Leben verfolgt und auch nach seinem Tode nicht verschont hat. Vgl. Hennebert, Histoire d'Annibal (Par. 1870–92, 3 Bde. und Atlas); Dodge, Hannibal (Boston 1891); Montanari, Annibale (Rovigo 1901; läßt H. 218 über den Mont Genèvre steigen); Azan, Deux questions historiques, Bd. 1: Annibal dans les Alpes (Par. 1902); Colin, Annibalen Gaule (das. 1903); Osiander, Der Hannibalweg (Berl. 1900).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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