Scipĭo

Scipĭo

Scipĭo, Name einer patrizischen röm. Familie, eines Zweiges des Cornelischen Geschlechts. Der älteste bezeugte Angehörige der Familie ist Publius Cornelius S., 395 und 394 v. Chr. konsularischer Kriegstribun; ferner sind aus der ältern Zeit zu nennen Lucius Cornelius S., Konsul 350, die beiden durch ihre Grabinschriften bekannten L. Cornelius S. Barbatus, Konsul 298, siegreich gegen die Etrusker, Samniten und Lukaner, und L. Cornelius S., Konsul 259, der den Karthagern Korsika und Sardinien abnahm, Gnäus Cornelius S. Asina, Konsul 260 und 254, in seiner Kriegführung gegen die Karthager zuerst unglücklich, später durch einen Triumph ausgezeichnet.

Die Söhne des Konsuls von 259, P. und Cn. Cornelius S., erhielten für das Jahr 218 den Auftrag, P. als Konsul, Cn. als sein Legat, den Krieg gegen Hannibal in Spanien zu führen, erfuhren aber auf dem Wege dahin in Massilia, daß Hannibal schon an der Rhone stehe und sich anschicke, die Alpen zu überschreiten. Daher ließ P. das Heer unter seinem Bruder nach Spanien gehen und kehrte selbst nach Italien zurück. Dort wurde er jedoch in einem Reitertreffen am Ticinus geschlagen und bald darauf nochmals mit seinem Mitkonsul Sempronius Longus an der Trebia. 217 folgte er seinem Bruder nach Spanien, und nun erfochten beide gemeinschaftlich mehrere Siege über die Karthager, erlitten aber 212, als sie sich trennten, um den Krieg zugleich auf mehreren Punkten zu führen, völlige Niederlagen, in denen sie selbst umkamen. Vgl. Frantz, Die Kriege der Scipionen in Spanien (Münch. 1883).

P. Cornelius S. Africanus (major), der Sohn des Konsuls von 218, zog schon als Jüngling durch seine Tapferkeit die Augen des Volkes auf sich. Daher wählte es ihn 213 trotz seiner Jugend zum Ädilen und übertrug ihm 211 den Oberbefehl für den gerade damals nach der Niederlage seines Vaters und Oheims besonders schwierigen Krieg in Spanien. Dort gegen Ende des Jahres 211 angelangt, eroberte er 210 durch einen kühnen, raschen Zug Neukarthago (Cartagena), den Hauptwaffenplatz der Karthager, schlug bei Bäcula 209 den Hasdrubal Barkas, 207 Hasdrubal, Gisgos Sohn, und vollendete 206 die Unterwerfung Spaniens, das nunmehr römische Provinz wurde. Nach seiner Rückkehr aus Spanien wurde er 205 zum Konsul ernannt und ihm Sizilien als Provinz überwiesen mit der Befugnis, nach Afrika überzusetzen. Aber erst gegen Ende 204 landete er, lange durch die Mißkunst und die Bedenklichkeit zahlreicher Senatoren zurückgehalten, in der Nähe von Utica, brachte 203 den Karthagern und dem jetzt mit ihnen verbundenen König Syphax von Numidien eine völlige Niederlage bei, setzte den zu ihm übergetretenen König Masinissa wieder in sein Reich Numidien ein, und als 202 Hannibal, von den Karthagern aus Italien abberufen, den Oberbefehl gegen ihn übernahm, schlug er auch diesen in der entscheidenden Schlacht bei Zama (19. Okt. 202), wodurch die Karthager genötigt wurden, Frieden zu schließen (201). Von nun an war S. der berühmteste Mann in Rom. Er feierte einen glänzenden Triumph, erhielt den erblichen Beinamen Africanus, bekleidete 199 die Zensur, 194 zum zweitenmal das Konsulat und nahm 190 als Legat seines Bruders Lucius einen hervorragenden Anteil an dem Kriege gegen den König Antiochos von Syrien. Mit demselben hörte indes sein Glück auf. Sein Selbstbewußtsein, wurzelnd in dem Glauben, daß er von den Göttern zu ihrem besondern Werkzeug auserkoren sei, wurde schwer verletzt, als von ihm Rechenschaft über die syrische Beute verlangt wurde; und so zog er sich, seinen Mitbürgern grollend, aus Rom, für das er zu groß geworden war, auf sein Landgut Liternum zurück, um dort die letzten Jahre in der Beschäftigung mit der griechischen Literatur, deren Freund er von jeher gewesen war, zu verbringen. Er starb 183,52 Jahre alt. Büsten von ihm sind erhalten, auch ein Abbild auf einem den Tod der Sophonisbe darstellenden Wandgemälde. Vgl. Gerlach, P. C. S. Africanus der Ältere und seine Zeit (Basel 1868). Von seinen Kindern sind zu nennen: Publius, der Adoptivvater des jüngern Africanus, und Cornelia, die berühmte Mutter der Gracchen. – Sein Bruder L. Cornelius S. war 193 Prätor, 190 Konsul und Oberbefehlshaber im Kriege gegen Antiochos, nach dessen siegreicher Beendigung er den Beinamen Asiaticus erhielt, aber wegen Veruntreuung der Beute verurteilt wurde.

P. Cornelius S. Africanus, zum Unterschied von seinem Adoptivgroßvater gewöhnlich Africanus minor genannt, Sohn des L. Ämilius Paullus und darum auch Ämilianus zubenannt, Adoptivsohn des Sohnes des ältern Africanus, von dem er daher seine Hauptnamen empfing, geb. 185, erwarb sich frühzeitig einen ausgezeichneten Namen durch seine Kriegstaten und wurde deshalb 147, obwohl er das gesetzliche Alter noch nicht erreicht hatte, zum Konsul gewählt, um den Krieg gegen Karthago (den dritten Punischen) zu Ende zu führen. Er entsprach dem in ihn gesetzten Vertrauen und eroberte Karthago 146 trotz des hartnäckigsten Widerstandes. Darauf bekleidete er 142 die Zensur und trat mit Catonischer Strenge dem einreißenden Luxus entgegen, wurde 134 zum zweitenmal zum Konsul ernannt und eroberte 133 das mit zäher Tapferkeit verteidigte Numantia (daher sein Beiname Numantinus). Während seiner Abwesenheit war sein Schwager Tib. Gracchus als Opfer seiner volkstümlichen Gesetze gefallen; Scipios politischem Blick entging die Gefahr nicht, mit der jede Änderung der bestehenden Verfassung den innerlich schon zerrütteten Staat bedrohte, und so erklärte er nach seiner Rückkehr 132 öffentlich, daß derselbe mit Recht getötet worden sei, und war auch für die Aufhebung seiner Gesetze tätig, als er am Morgen eines entscheidungsvollen Tages tot auf seinem Lager gefunden wurde, wahrscheinlich eia Opfer der Parteileidenschaft (129). Noch angelegentlicher als der ältere Africanus beschäftigte er sich, sogar während der Kriege, mit der Literatur; der Stoiker Panätios und der Geschichtschreiber Polybios, der Satirendichter Lucilius und der Komödiendichter Terentius gehörten zu seinem geistig angeregten Kreis; ja man hielt sogar wegen der Feinheit der Sprache S. für den Verfasser von des letztgenannten Komödien Vgl. Fröhlich, Lebensbilder berühmter Feldherren des Altertums, Heft 3 (Zürich 1895).

Ein andrer Zweig der Familie, der von dem 212 in Spanien gefallenen Gnäus S. abstammte, unterscheidet sich durch den Beinamen Nasica. Zu diesem Zweige gehören folgende Scipionen, die sämtlich die Namen P. Cornelius S. Nasica, teilweise noch mit einem weitern Beinamen, führen: 1) der Sohn von Gnäus, Konsul 191, der 204, als nach einem Götterspruch das aus Asien herbeigeholte Bild der Mutter der Götter von dem besten Manne Roms empfangen werden sollte, für diesen besten Mann erklärt wurde; 2) dessen Sohn, mit dem Beinamen Corculum (»der Verständige«), Schwiegersohn des ältern Africanus, Konsul 162 und 155, durch Beredsamkeit und Rechtskenntnis ausgezeichnet; 3) der Sohn des vorigen, mit dem Beinamen Serapio, Konsul 136, der 133 die Senatoren zum Kampfe gegen Tib. Gracchus ausrief, und 4) dessen Urenkel, der sich, nachdem er von Q. Metellus Pius adoptiert worden, auch Quintus Cäcilius Metellus S. nannte, Mitkonsul des Pompejus 52 und dessen Schwiegervater, s. Metellus 9).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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