Handwerk

Handwerk

Handwerk, Gesamtbezeichnung derjenigen Gewerbe, in denen unter Anwendung einfacher Werkzeuge vornehmlich mit der Hand gewirkt wird (daher der Name), im wesentlichen gleichbedeutend mit gewerblichem Kleinbetrieb, der unmittelbar an die Konsumenten verkauft, meist auf Stück für feste Kunden, seltener auf Vorrat arbeitet. Die bildende oder freie Kunst unterscheidet sich vom H. insofern, als ihre Ausübung in der Regel eine höhere Bildung, auch einen verfeinerten Geschmack erfordert. Doch läßt sich heute bei der hohen Vervollkommnung der gewerblichen Tätigkeit eine scharfe Grenze zwischen H. und Kunst ebensowenig ziehen wie zwischen H. und Fabriken (s. d.). Zur Zunftzeit war das H. unter eigne Handwerksordnungen gestellt. Selbständiger Handwerker (Meister) konnte nur derjenige werden, welcher eine bestimmte Zeit als Lehrling gelernt, als Geselle gearbeitet, dann die Wanderzeit durchgemacht und hierauf durch eine Probearbeit (Meisterstück) seine Befähigung zum Handwerksbetrieb nachgewiesen hatte (Näheres hierüber wie über gesperrte, geschenkte Handwerke, Handwerksgruß etc. s. unter Zunft und Zunftgebräuche). Seit dem 16. Jahrh. gerieten viele Handwerker unter allmählicher Einbürgerung der Hausindustrie in Abhängigkeit, andre wurden mit Einführung der modernen Hilfsmittel des Gewerbebetriebs (Dampf, Maschine, Eisenbahn etc.) in ihrem Bestand bedroht und durch die Großindustrie verdrängt (Weberei, Spinnerei etc.). Werden auch noch andre in Zukunft weichen müssen, so wird dem H. doch immer noch eine Reihe von Gebieten verbleiben (vgl. Gewerbebetrieb), die es rechtfertigen, wenn auch von seiten der Gesetzgebung und Verwaltung besondere Maßregeln zu Schutz u. Pflege des Handwerks und seiner Vertreter als des kernhaften sozialen Mittelstandes ergriffen werden. Auch aus dem Schoß des Handwerkerstandes selbst machen sich viele Bestrebungen zur gedeihlichen Fortentwickelung, besonders durch Gründung von Handwerkervereinen etc., geltend. Dem Niedergang des Handwerks und dessen Bedrohung durch die Industrie sucht die Gewerbeordnung durch eine Reihe von Schutzbestimmungen, dem sogen. Handwerkergesetz (s. Handwerkskammern), entgegenzutreten, die teils eine Vertiefung und zweckmäßigen Ausbau seiner Organisation (Gewerbeordnung, Titel VI), eine bessere Ausbildung der Lehrlinge und Hebung des Standesbewußtseins bezwecken (Titel VII, Abschnitt III u. IIIa), teils eine unzulässige Ausnutzung des gewerblichen Arbeiters unmöglich zu machen suchen (Titel VII, Abschnitt I, II, IIIb, IV-VI). Auch in andern Gesetzen finden sich noch Einzelbestimmungen für das H. So enthält § 196 des Bürgerlichen Gesetzbuches die besondere Vorschrift, daß die Forderungen vom H. für Lieferung von Waren, Ausführung von Arbeiten mit Einschluß der Auslagen in 2 Jahren verjähren, es sei denn, daß die Leistung für den Gewerbebetrieb des Schuldners, z. B. Maurerarbeiten für die Werkstätte eines Schreiners, erfolgt, in welchem Falle die Verjährungsfrist 4 Jahre beträgt. Auch die Zivilprozeßordnung für das Deutsche Reich hat sich des Handwerks angenommen, indem sie in § 709, Ziffer 3, bestimmt, daß Streitigkeiten zwischen Reisenden und Handwerkern, die aus Anlaß der Reise entstanden sind, auf Antrag für vollstreckbar (s. Vollstreckbarkeit und Urteil) zu erklären sind, und in § 811, Ziffer 5, daß die zur persönlichen Fortführung der Erwerbstätigkeit unentbehrlichen Gegenstände der Pfändung nicht unterliegen. Jedoch genießen diesen Schutz nicht etwa auch die Gegenstände, die nur den Hilfskräften des Handwerkers zur Fortsetzung ihrer Tätigkeit unentbehrlich sind, und dann ist nur so viel von der Pfändung befreit, als notwendig ist, um den Gewerbebetrieb nicht sofort einstellen zu müssen. Den gleichen Schutz genießt auch die in Gütergemeinschaft mit ihrem Mann lebende Frau, der beispielshalber nicht für gütergemeinschaftliche Schulden die Nähmaschine gepfändet werden kann. – In einem andern Sinne bedeutet H. (Gewerk) auch die Gesamtheit der Personen, die an ein und demselben Orte das gleiche Gewerbe treiben. – Vgl. Schmoller, Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert (Halle 1870); Stahl, Das deutsche H. (Gießen 1874, Bd. 1); Bucher, Mit Gunst. Aus Vergangenheit und Gegenwart des Handwerks (Leipz. 1886); E. Jäger, Geschichte der Handwerkerbewegung bis 1884 (Berl. 1887); Grenser, Zunftwappen und Handwerkerinsignien (Frankf. 1889); Mendelson, Die Stellung des Handwerks in den hauptsächlichsten der ehemals zünftigen Gewerbe (Jena 1899); Roehl, Beiträge zur preußischen Handwerkerpolitik vom allgemeinen Landrecht bis zur allgemeinen Gewerbeordnung (Leipz. 1900); Mummenhoff, Der Handwerker in der deutschen Vergangenheit (das. 1901); Doren, Deutsche Handwerker und Handwerkerbruderschaften im mittelalterlichen Italien (Berl. 1903). – Über die neuere Entwickelung vgl. Dannenberg, Das deutsche H. und die soziale Frage (Leipz. 1872); Kleinwächter, Zur Reform der Handwerksverfassung (das. 1875); Keller, Das deutsche H. (Chemn. 1878); Jacobi, Die Organisation des Gewerbes mit spezieller Berücksichtigung des Handwerks (Kassel 1879); Hampke, Der Befähigungsnachweis im H. (Jena 1892); Pape, Meistertitel und Meisterprüfung nach dem 1. Okt. 1901 (Leipz. 1902); Nelken, Die deutschen Handwerker- und Arbeiterschutzgesetze (Berl. 1901), und Weiteres im Artikel »Handwerkskammern«; Gehrig und Schellen, Der Handwerker. Die Ausbildung, die Prüfungen und die Rechtsverhältnisse tr. (Leipz. 1902); Baer, Die Gesellen- und Meisterprüfung (Stuttg. 1903); Bail, Das Rechtsverhältnis der Arbeitgeber und Arbeitnehmer im H. etc. (Berl. 1904); Lembke, Bürger- und Rechtskunde des Handwerkers (Kiel 1904); Eyrich, Kaufmännische Organisation im H. (Leipz. 1903); Plotke, Fabrik und H., ihre Trennung in der deutschen Reichsgewerbeordnung (Berl. 1903); Adler, Über die Epochen der deutschen Handwerkerpolitik (Jena 1903); »Neue Handwerkerbibliothek« (hrsg. von Grunenberg und Wilden, Krefeld 1902 ff.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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