Handschuhe

Handschuhe

Handschuhe, Bekleidungsstücke für die Hand und oft auch einen Teil des Armes, werden aus Pelzwerk, Leder, Seide, Leinen, Baumwolle, Wolle, Asbest, Kautschuk etc. gefertigt. Waschlederne H. aus sämischgarem Reh-, Hirsch- und Schafleder, auch Gems-, Bock-, Kalb-, Ziegen- und Hammelleder lassen sich wiederholt waschen. Glacéhandschuhe (glanzlederne, romanische oder Erlanger H.) werden aus weißgarem Ziegen-, auch Lamm-, Schafleder verfertigt. Zur Hervorbringung gleichmäßiger Dicke und Glätte werden die Felle durch Einschlagen in feuchte Tücher geschmeidig gemacht und auf einer polierten Marmorplatte mit scharfen Messern (Dolliermessern, s. Leder) auf der Fleischseite überarbeitet. Darauf schneidet man das Leder in passende Streifen, reckt diese in der Länge, legt sie auf aufrecht gestellte Stahlschneiden von der Gestalt des Umrisses der Handschuhteile (Ballen, Rücken, Zwickel, Daumen etc.) und treibt sie mittels Pressen durch. Diese ausgeschnittenen Teile werden dann mit der Hand mit Hilfe eines aus einer Art Zange bestehenden, von einem Gestell getragenen Werkzeugs, meist aber mit der Nähmaschine zusammengenäht. Durch das Dressieren, das in einem Ziehen, Pressen und Glätten der H. im etwas feuchten Zustand besteht, gewinnt das Fabrikat Form und Glanz. Mitunter werden die H. auch parfümiert. Die Herstellung der Glacéhandschuhe ist ein altfranzösischer Industriezweig und wurde durch französische, meistens aus Grenoble stammende Emigranten zu Ende des 17. Jahrh. nach Magdeburg, Halberstadt und Erlangen verpflanzt. In Frankreich nimmt in dieser Industrie Paris den ersten Rang ein. In Deutschland hat die Handschuhfabrikation einen großen Aufschwung genommen, und das deutsche Fabrikat konkurriert auch im Ausland mit dem eleganten und seinen französischen. Englische Ware erreicht die französische nicht und wird meist nur für die Ausfuhr hergestellt. H. aus Gewebe (Buckskin) werden wie die ledernen durch Zusammennähen ausgeschlagener Teile erzeugt. Gewirkte oder gewebte H. werden überall in großer Mannigfaltigkeit fabriziert, wo die Strumpfwirkerei ihren Sitz hat. Seidene, baumwollene und wollene H. wäscht man wie Seide, Baumwolle oder Wolle; waschlederne werden ebenso behandelt und schließlich in eine starke Lösung fettiger Seife getaucht und, ohne ausgedrückt zu werden, zum Trocknen aufgehängt. Die weißen H. taucht man dann noch in geschlämmten weißen Bolus und läßt sie wieder trocknen, worauf sie ausgeweitet, gut gerieben und ausgestäubt werden. Glacéhandschuhe wäscht man am besten durch Eintauchen und Liegenlassen in Benzin, Ausdrücken, Reiben mit Baumwolle und Trocknen. Man kann die H. auch mit Milch waschen und zwar recht gut, wenn man in der Milch etwas Seife auflöst und ein wenig Salmiakgeist hinzusetzt. Andre nehmen saure Milch oder bringen frische Milch durch Zusatz einiger Tropfen Salzsäure zum Gerinnen. Ist der Handschuh rein, so spült man ihn schnell in Wasser und hängt ihn zum Trocknen, aber nicht in der Wärme auf. Nach vollständigem Trocknen wird das Leder gut gereckt und erhält dadurch seine Geschmeidigkeit wieder. Um Stockflecke zu entfernen, bringt man auf den Boden eines Kastens etwas kohlensaures Ammoniak (Hirschhornsalz) und läßt die H. in dem verschlossenen Kasten 1 bis 2 Tage recht locker darüber hängen.

H. kannte schon das Altertum. Während die Westasiaten, insbes. die Perser, H. mit Fingern von Pelz zum Schutz gegen die Kälte trugen, bedienten sich die alten Griechen derblederner H. bei mancher Arbeit, z. B. bei Gartenarbeiten, um sich die Hände nicht zu beschädigen, sowie auch bei Tische dünnerer Fingerlinge (digitalia), um beim Vorlegen sich die Hände nicht zu verbrennen, mit denen man damals aß. Übrigens galt das Tragen von Handschuhen bei den Griechen und Römern als Zeichen von Weichlichkeit. Bei den Skandinaviern und Deutschen war der Gebrauch der H., anfangs in Gestalt von Fäustlingen, schon im 8. und 9. Jahrh. allgemein, und Könige, Edle und Prälaten trugen dergleichen mit Stickerei und Geschmeide verziert. Lederne Stulpenhandschuhe und ungegliederte oder gegliederte Eisenhandschuhe mit einer Innenfläche von Leder oder Stoff wurden seit dem frühen Mittelalter auf der Jagd und im Kampfe getragen. Die H. nahmen bald eine solche Bedeutung an, daß sie bei den Rittern Symbol der Belehnung und Standeserhöhung, bei den Bischöfen wesentliche Bestandteile des Ornats bei der Investitur wurden. Ein Paar H. aus purpurfarbenem Seidenstoff, mit Gold- und Perlenstickerei und mit emaillierten Goldblechen besetzt, gehörte zum deutschen Kaiserornat (s. Tafel »Deutsche Reichskleinodien«, Bd. 4, S. 732). Die bischöflichen H. mußten nach alter Vorschrift gewirkt sein und waren meist von violett-purpurner Farbe (vgl. Chirotheke). Durch Übergabe eines Handschuhs verlieh der Kaiser das Recht zur Anlegung einer Stadt oder einer solchen besondere Rechte, z. B. Markt-, Münzrecht etc. Aus diesem Grunde führen viele Städte irrtümlich für Hände gehaltene H. im Wappen. Von der Rittersitte, zum Zeichen der Herausforderung einem den Handschuh (Fehdehandschuh) hinzuwerfen, stammt das noch jetzt übliche Sprichwort: »Jemand den Handschuh hinwerfen« (d. h. mit jemand Streit anfangen) her. Damen trugen erst seit dem 13. Jahrh. H. von Leinwand zum Schmuck, und zwar reichten sie bis an den Ellbogen. Großer Luxus mit Handschuhen wurde in England getrieben, besonders unter der Königin Elisabeth, die eine reiche Verzierung der H. in Aufnahme brachte. Damals entstand auch die Sitte. Bittschriften ein Paar H. beizulegen, was nicht selten zu Bestechungen der Richter Anlaß gab, indem man die H. mit Geld füllte. Hierin hat wahrscheinlich das Verbot in England seinen Grund, wonach Richter auf dem Gerichtssitz keine H. tragen dürfen, während an jedes Mitglied eines Assisenhofs, der kein Todesurteil sprach, vom Sheriff ein Paar H. abgegeben wurden. Der Handschuhluxus erhielt sich bis ins 17. Jahrh. hinein. 1615 bedang Rubens im Vertrag über die Kreuzabnahme ein Paar H. für seine Frau im Werte von 8 Gulden 10 Stüber aus, und 1629 schenkte der Kardinal Richelieu der Königin Maria von Medici ein halbes Dutzend Paar H. aus Rom, um sie für eins seiner Projekte günstig zu stimmen. Seitdem sind H. aus Leder, Wolle, Seide, Tuch, Zwirn, Pelz etc. aus Luxusgegenständen unentbehrliche Gebrauchsgegenstände geworden. Die Damenhandschuhe werden bisweilen, je nachdem es die Mode verlangt, mit Gold-, Silber- und Buntstickereien reich verziert und in verschiedener Größe bis über die Ellbogen hinauf glatt anliegend oder in Falten, von glaciertem oder rauhem Leder getragen. Je nach Bestimmung, Muster und Qualität haben sie verschiedene Längen und Namen, die der Mode unterworfen sind. Man hat Reit-, Garten-, Tee-, Ball-, Promenaden-, Josephinen-, Rubens-, Mousquetaire- etc. Handschuhe. Fausthandschuhe, die von Landleuten, Arbeitern, Jägern u. dgl. getragen werden, sind solche H., die nur für den Daumen eine besondere Abteilung haben, während die andern Finger in einer sackartigen Umhüllung stecken. Vgl. Günther, Lehrbuch der Glacéhandschuhfabrikation (Leipz. 1873); Beck, Gloves, a chapter of trade and social history (Lond. 1883); Kment, Der Handschuh und seine Geschichte (3. Aufl., Wien 1890); Maier, Der Verband der Glacéhandschuhmacher Deutschlands (Leipz. 1901).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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