- Friesen [2]
Friesen, 1) Karl Friedrich, eins der edelsten Opfer der deutschen Befreiungskriege und Mitbegründer der deutschen Turnkunst, geb. 27. Sept. 1785 in Magdeburg, studierte seit 1806 in Berlin Baukunst und Mathematik, wurde von A. v. Humboldt, der für ihn sehr eingenommen war, mit zur Ausarbeitung des mexikanischen Atlas herangezogen und wirkte, mächtig angeregt durch Fichtes »Reden an die deutsche Nation«, seit 1810 mit Jahn und Harnisch zusammen an Plamanns nach Pestalozzis Grundsätzen eingerichteter Erziehungsanstalt. In den Jahren der Begründung der deutschen Turnkunst durch Jahn (1810–1812) war er nach dessen eignem Bericht in der »Deutschen Turnkunst« sein tätigster Anhänger und Genosse. 1813 war er in Gemeinschaft mit v. Lützow einer der Hauptwerber und-Gestalter von dessen Freischar, der er dann als Offizier und Adjutant Lützows angehörte. Dem Überfall bei Kitzen entging er mit Körner. 1814 nach dem Überfall des Priestschen russisch-preußischen Korps durch Napoleon von Reims nach den Ardennen versprengt, wurde er 15. März bei dem Dorf La Lobbe, 2 Meilen nördlich von Rethel, wo er allein zurückgeblieben war, von französischen Bauern erschossen. Seine Gebeine ruhen seit 15. März 1843 auf dem Invalidenkirchhof zu Berlin neben denen Scharnhorsts. Er ist verherrlicht in Lied und Wort von E. M. Arndt (»Es thront am Elbestrande«), Max v. Schenkendorf, Immermann (in den »Epigonen«) u. a. 1893 wurde ihm in seiner Vaterstadt ein Denkmal errichtet. Das schönste Denkmal hat ihm in klassischen, oft zitierten Worten Jahn in der Einleitung zur »Deutschen Turnkunst« gesetzt. Sein Leben beschrieben E. Schiele (Berl. 1875) und Karl Euler (2. Aufl., das. 1899).
2) Hermann, Freiherr von, Shakespeare-Forscher, geb. 27. Febr. 1802, gest. 23. Jan. 1882 in Dresden, besuchte die Fürstenschule zu Meißen, studierte 1821–25 in Leipzig und Göttingen, bekleidete dann verschiedene Ämter am sächsischen Hof und zog sich 1843 nach Berggießhübel zurück, wo er in ländlicher Abgeschiedenheit bis 1859 seinen Studien lebte. Seit 1860 fungierte er noch eine Reihe von Jahren als königlicher Hofmarschall, seit Mitte 1866 als Oberhofmarschall, bis er 1873 in den Ruhestand trat. Angeregt durch den Verkehr mit L. Tieck hatte er sich frühzeitig auf dem Felde der Novellistik und künstlerischen Kritik versucht; in späterer Zeit war vorzugsweise Shakespeare der Gegenstand seiner Studien. Als Ergebnisse derselben erschienen außer Beiträgen zum »Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft« die feinsinnigen »Briefe über Shakespeares Hamlet« (Leipz. 1864) und »Shakespeare-Studien« (Wien 1874 bis 1876, 3 Bde.). Außerdem schrieb er: »Ludwig Tieck, Erinnerungen eines alten Freundes aus den Jahren 1825–1842« (Wien 1871).
3) Richard, Freiherr von, königlich sächs. Staatsminister, Vetter des vorigen, geb. 9. Aug. 1808 in Thürmsdorf bei Königstein in Sachsen, gest. 25. Febr. 1884, besuchte die Bergakademie zu Freiberg und die Universitäten Göttingen und Leipzig, trat 1834 in die damalige Landesdirektion zu Dresden und nach deren Auflösung 1835 in die Kreisdirektion zu Leipzig ein, ward 1841 Regierungsrat und Referent im Ministerium des Innern, übernahm während des Dresdener Maiaufstandes provisorisch die Leitung des Ministeriums und wurde 6. Mai 1849 zum Minister des Innern ernannt. Wegen Differenzen mit dem Staatsminister v. Beust in der Frage nach Erneuerung der Zollvereinsverträge nahm F. im Oktober 1852 seine Entlassung, bekleidete seit Juni 1853 die Stelle des Kreisdirektors in Zwickau und wurde 1. Jan. 1859 Finanzminister, 1866 Mitglied der Landeskommission, die während der Abwesenheit des Königs die Regierung führte. Im August 1866 als zweiter Kommissar zu den Friedensverhandlungen nach Berlin entsandt, übernahm er nach der Rückkehr des Königs das Ministerium des Auswärtigen. 1867 bei den Verhandlungen über die Gründung des Norddeutschen Bundes und über dessen Verfassung tätig und stimmführendes Mitglied des Bundesrats für Sachsen, wurde er im Herbst 1870 von dem Bundespräsidium zum Kommissar für die Verhandlungen mit den süddeutschen Staaten wegen der Vereinigung derselben mit dem Norddeutschen Bund und Bildung des Deutschen Reiches bestimmt und schloß in dieser Eigenschaft im Oktober zu Versailles die bezüglichen Verträge mit Württemberg, Baden und Hessen mit ab. 1869 wurde er mit der Generaldirektion der königlichen Sammlungen für Kunst und Wissenschaft, 1871 mit dem Vorsitz im Gesamtministerium betraut; am 1. Nov. 1876 schied er aus dem Staatsdienst aus. Verdient sein in den kritischen Jahren 1849 und 1866 bewiesener persönlicher Mut die größte Anerkennung, so erregten die von ihm veröffentlichten »Erinnerungen aus meinem Leben« (Dresd. 1880, 2 Bde.) durch die darin enthaltenen Entstellungen von Tatsachen und die Angriffe auf Personen (ihm nachgewiesen von Th. Flathe in Sybels »Historischer Zeitschrift«, neue Folge, Bd. 10, und von Beust in den »Erinnerungen zu Erinnerungen«, Leipz. 1881) peinliches Aufsehen.
4) Heinrich, Freiherr von, deutscher Politiker, geb. 23. Mai 1831 in Dresden, machte den Krieg von 1866 als Rittmeister, den 1870/71 als Major mit, nahm dann seinen Abschied und widmete sich der Bewirtschaftung seiner Fideikommißherrschaft Rötha bei Leipzig. Er ist Mitglied der evangelischen Landessynode und der Ersten Kammer in Sachsen. In der Politik deutsch-konservativ, betrieb er mit Eifer die Vereinigung der nationalen und staatserhaltenden Parteien in Sachsen gegen die Radikalen und Sozialdemokraten, war 1887–93 Reichstagsmitglied, zog sich aber 1894 vom politischen Leben zurück. – Über die Familie F. vgl. E. v. Friesen, Geschichte der reichsfreiherrlichen Familie von F. (Dresd. 1899).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.