Carnot

Carnot

Carnot (spr. -|no), 1) Lazare Nicolas Marguerite, Graf, franz. Staatsmann, geb. 13. Mai 1753 in Nolay (Côte-d'Or), gest. 3. Aug. 1823 in Magdeburg, trat in das Ingenieurkorps und veröffentlichte Gedanken zur bessern Verteidigung fester Plätze. Beim Ausbruch der Revolution Kapitän, wurde er 1791 in die Gesetzgebende Versammlung und den Nationalkonvent gewählt. Pflichttreu, redlich und beharrlich, wenn auch äußerlich kalt und einseitig, widmete er seine ganze Kraft dem Dienste der Republik und stimmte mit den Jakobinern, weil sie allein die nötige Tatkraft für die Fortführung des Krieges besaßen. C. bekam 1793 als Mitglied des Wohlfahrtsausschusses die Leitung des Kriegswesens in die Hand. Von jetzt an organisierte er die Aushebung und Ausrüstung von 14 Armeen (levéeen masse) und entwarf die Operationspläne. Auch als Mitglied des Direktoriums war C. die Seele der militärischen Operationen. Dennoch wurde er als Royalist verdächtigt und flüchtete, als Barras' Gegner 4. Sept. 1797 zur Deportation verurteilt, nach Genf, Augsburg und Nürnberg. Hier verfaßte er die »Réponse de L. N. M. C. etc. an rapport fait sur sa conjuration du 18 fructidor an V au conseil des Cinq Cents par Bailleul, an nom d'une commission spéciale« (Lond. 1799), welche die gegen ihn wegen royalistischer Umtriebe erhobene Anklage schlagend widerlegte. Nach dem Staatsstreich des 18. Brumaire (9. Nov. 1799) vom Ersten Konsul Bonaparte zurückgerufen, wurde C. Direktor des Kriegsmaterials und im Mai 1800 an Berthiers Stelle Kriegsminister. 1801 nahm er den Abschied und ward 1802 zum Mitgliede des Tribunats ernannt. Unbeugsam verharrte er bei seinen republikanischen Grundsätzen. Erst 7 Jahre später erhielt er eine Pension von 10,000 Frank. 1814 bot er Napoleon seine Dienste an und ward zum Gouverneur von Antwerpen ernannt, das er gegen die Engländer bis nach dem Sturz des Kaisers behauptete. Von Ludwig XVIII. kalt empfangen, zog er sich zurück, verfaßte jedoch eine Denkschrift: »Mémoire adressé au roien juillet 1814«. Napoleon ernannte ihn nach seiner Rückkehr von Elba zum Minister des Innern und zum Grafen. Nach der Schlacht bei Waterloo bekämpfte er vergeblich Napoleons Abdankung und entfloh nach Magdeburg, wo er in stiller Zurückgezogenheit den Wissenschaften und der Erziehung seiner Söhne lebte. Auf Beschluß der französischen Kammer wurden 1889 seine Gebeine von Magdeburg nach Paris in das Pantheon übergeführt. Als Schriftsteller war C. im historisch-politischen und im mathematisch-militärischen Fach, außerdem als Dichter tätig. Zu nennen sind: »Eloge de Vauban« (Lyon 1783); »Essai sur les machinesen général« (das. 1784, neue Aufl. 1810); »Œuvres mathématiques« (Basel 1796); »Réflexions sur la métaphysique du calcul infinitésimal« (Par. 1797, 4. Aufl. 1860; deutsch von Hauff, Frankf. a. M: 1880); »Traité de la corrélation de figures de géométrie« (1801); »Géométrie de position« (1801; deutsch von Schuhmacher, Altona 1808–10, 2 Tle.); »De la défense des places fortes« (1809, 3 Bde.; 3. Aufl. 1812; deutsch von Bressendorf, Stuttg. 1820), dazu: »Mémoire sur la fortification primitive, pour servir de suite an traité de la défense des places fortes« (1823). Auch schrieb er ein komisches Heldengedicht: »Don Quichote« (Leipz. 1820). Seine Memoiren wurden von seinem Sohn Hippolyte herausgegeben (Par. 1861–64, 2 Bde.; neue Ausg. 1893). Vgl. »Correspondance de Napoléon Buonaparte avec le comte C., pendant les centjours« (Par. 1819); »Correspondance générale de C.« (hrsg. von Charavay, das. 1892–97, Bd. 1–3); Arago, Biographie de C. (das. 1850); Picaud, C., l'organisateur de la victoire (Par. 1885); Bonnal, C., d'après les archives nationales (das. 1888); Wauwermans, Napoléon et C. (Brüss. 1888); Fink, C., sein Leben und seine Werke (Tübing. 1894).

2) Nicolas Léonard Sadi, Sohn des vorigen, geb. 1. Juni 1796 in Paris, gest. daselbst 24. Aug. 1832, trat 1814 in das Geniekorps, wurde aber seiner politischen Gesinnung wegen erst 1826 zum Kapitän befördert und nahm 1828 seinen Abschied. In seinen »Réflexions sur la puissance motrice du feu et sur les machines propres à développer cette puissance« (Par. 1824; deutsch von Osterwald, Leipz. 1892) wies er nach, daß die in der Dampfmaschine geleistete Arbeit der Menge der aus dem Kessel in den Kondensator überfließenden Wärme proportional ist, und daß die Wärme überhaupt nur Arbeit leisten könne bei dem Übergang von einem wärmern zu einem kältern Körper (Carnotscher Satz, von Clausius modifiziert, zweiter Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie).

3) Lazare Hippolyte, franz. Publizist und Staatsmann, Bruder des vorigen, geb. 6. April 1801 in St.-O mer, gest. 17. März 1888, lebte mit dem Vater sieben Jahre in Magdeburg, wo er deutsche Sprache und Literatur studierte. 1823 nach Frankreich zurückgekehrt, ward er Advokat und verfocht als Redakteur mehrerer Zeitungen radikale, anfangs sogar sozialistische Grundsätze. Seit 1839 wiederholt in die Abgeordnetenkammer gewählt, saß er hier auf der äußersten Linken und bekannte sich 1847 in der Schrift »Les radicaux et la charte« offen als Republikaner. Nach der Februarrevolution wurde C. für kurze Zeit Minister des öffentlichen Unterrichts und des Kultus. Eine Rechtfertigung seiner Verwaltung veröffentlichte er u. d. T.: »Le ministère de l'instruction publique et des cultes depuis le 24 février jusqu'an 5 juillet« (Par. 1848). In der Nationalversammlung schloß er sich der republikanischen Linken an. Nach dem Staatsstreich vom 2. Dez. 1851 wurde er zwar in den Gesetzgebenden Körper gewählt, aber wegen Verweigerung des Huldigungseides nicht zugelassen. Erst 1864 trat er, nachdem er den Eid geleistet, in die Versammlung ein und gehörte dort der Opposition an. Nach dem Sturz des Kaiserreichs 4. Sept. 1870 ward er Maire in Paris und bei den Wahlen 1871 in die Nationalversammlung gewählt, in der er mit der äußersten Linken stimmte. 1876 ward er Mitglied des Senats. Unter seinen Schriften sind noch zu nennen: »Exposé de la doctrine saintsimonienne« (Par. 1830); »Lazare Hoche« (das. 1874) u. a. Außer den Memoiren seines Vaters veröffentlichte er auch die »Mémoires de H. Grégoire, ancien évêque de Blois« (Par. 1837, 2 Bde.) und »Mémoires de Bertrand Barère« (das. 1842, 4 Bde.). Vgl. Lefèbre-Pontalis, Sur la vie et les travaux de Hippolyte C. (»Séances de l'Académie des sciences mor. et polit.«, Bd. 35).

4) Marie François Sadi, franz. Staatsmann, geb. 11. Aug. 1837 in Limoges, gest. 25. Juni 1894 in Lyon, ältester Sohn des vorigen, ward Ingenieur in Annecy. Gambetta übertrug ihm Ende 1870 die Organisation der nationalen Verteidigung in der Normandie. Am 8. Febr. 1871 ward er Mitglied der Nationalversammlung, 1876 Deputierter. In beiden Versammlungen schloß er sich der republikanischen Linken an. 1878 erhielt er den Posten eines Unterstaatssekretärs im Ministerium der öffentlichen Arbeiten und übernahm 1880–82 das Portefeuille dieses Ministeriums. Vom April 1885 bis Dezember 1886 ward er Finanzminister. Am 3. Dez. 1887, nach Grévys Rücktritt, zum Präsidenten gewählt, hielt sich C. innerhalb der konstitutionellen Schranken, war für die Versöhnung der republikanischen Parteien tätig und vertrat die Republik auf Reisen und bei Festlichkeiten gewandt. Bei einem Besuch der Gewerbeausstellung in Lyon 24. Juni 1894 wurde er von einem italienischen Anarchisten Caserio durch einen Dolchstich tödlich verwundet. Seine Leiche wurde im Pantheon neben seinem Großvater beigesetzt. Ihm wurden 1895 bis 1897 in Fontainebleau, Annecy und Limoges Denkmäler errichtet. Vgl. seine Biographien von Barbou und von Py (beide Par. 1888) sowie M. Dreyfous, L es trois C. 1789–1894 (das. 1895).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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